1 - Ungewohnte Stille

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Das Erste was er sah, waren die grünen Augen des kleinen schwarzen Katers. Er schwebte direkt über seinem Gesicht und grinste ihn schelmisch an.
>> Was willst du, Plagg? << murrmte er und wischte Plagg mit einer Handbewegung von seinem Gesicht weg. Dieser atmete empört ein, und meckerte sofort los. Doch er schnappte sich einfach sein Kissen, drehte sich auf den Bauch und drückte das Kissen auf seinen Kopf. Nur Dumpf hörte er Plaggs Schimpfen.
>> ... Ich hab doch nur Hunger, Adrien! << maulte er. Genervt linste Adrien unter dem Kissen hervor und sah seinen Katzenkwami ins Gesicht. Plagg schaute unschuldig, doch das leichte Grinsen verriet ihn.
>> Du willst mich nur ärgern. So viel Hunger kann doch keiner haben. << murmelte Adrien und versteckte sein Gesicht wieder unter dem Kissen.
>> Na gut... vielleicht ein bisschen... aber ich habe wirklich Hunger. Den letzten Camembert hast du mir gestern gegeben, das ist sooo lange her... << jammerte Plagg und sank gespielt erschöpft zu Boden. Adrien sah dies nicht, wusste aber, dass Plagg das tat, da es sich jeden Morgen so abspielte. Er wartete auf Plaggs nächsten Satz, wie wundervoll lecker doch Camembert sei... doch Plagg blieb still.
Was war denn jetzt los?
>> Plagg? << fragte Adrien und sah auf. Plagg war verschwunden, stattdessen sah er Natalie im Zimmer stehen.
>> Plak? Was ist Plak? << fragte sie verwirrt. Adrien erstarrte.
>> Plagg... Äh Plak..at. Ich hab mein Plakat vergessen. Zu machen. << sagte er hastig. Natalie nickte verstehend.
>> Achte auf deine Noten, Adrien. Und jetzt mach dich fertig. << sagte Natalie und schloss die Zimmertür. Erleichtert atmete Adrien auf. Natalie weckte ihn doch jeden Tag - wenn es Plagg nicht tat - natürlich hatte sich Plagg wegen ihr versteckt.
Natalie war die Assistentin seines Vaters, Gabriel Agreste, den berühmten Modedesigner. Sie war auch, die sich am meisten um ihn kümmerte seit seine Mutter verschwand und sein Vater nur noch mit seiner Arbeit beschäftigt war.
Seufzend stand er auf und betrat sein Bad. Vorher gab er Plagg allerdings seinen Camembert - sonst hätte dieser nie aufgehört zu nerven.
Schnell duschte er, zog seine Sachen an und räumte alle Schulbücher in seine Tasche. Plagg knabberte noch an seinem Käse, doch Adrien packte den Kwami samt Käse und stopfte ihn in die Schultasche.
>> Adrien? << hörte er Natalie von unten rufen.
>> Komme schon! << reif er zurück und schaltete noch schnell das Licht aus. Der Gorilla folgte ihm sofort. Er war sein Bodyguard und sprach nie - allgemein sah er aus wie einer, deshalb nannte er ihn so. Er wollte schon die große Eingangshalle verlassen, als er Natalies fragenden Blick bemerkte.
>> Wolltest du nicht noch ein Plakat machen? << fragte sie. Innerlich schlug Adrien sich gegen die Stirn. Natürlich!
>> Oh... ich hols schnell. Danke, dass du mich erinnert hast, Natalie. << sagte er und lächelte. Sie lächelte nicht zurück - das tat sie selten - sondert sagte nur, dass sie im Auto warten würde.
So schnell er konnte - schließlich wurde es immer später - lief er zurück in sein großes Zimmer und schnappte sich eines von den weißen Tonpapieren, die er als Vorrat hinter dem Schreibttisch angelehnt hatte, rollte es zusammen, dass niemand sah, das es leer war und drückte es in seine Tasche, so dass es ein Stück herausragte. Ganz passte es einfach nicht rein.
>> He, was soll das? << hörte er Plaggs dumpfe Stimme und hoffte nur insgeheim, dass er den Käse jetzt nicht zerquetscht hatte.
Der Gorilla öffnete für ihn die Tür des silbernen Autos, stieg dann vorne ein und startete den Motor. So wie jeden Morgen öffnete sich das große Eisentor des Anwesens nur langsam, sodass das Auto nur langsam vom Platz rollte.
Ein normaler Junge hätte jetzt daran gedacht, wie viel lieber er zuhause bleiben würde - doch Adrien war unglaublich froh, in die Schule zu dürfen. Bis vor drei Jahren wurde er noch von Natalie privat unterrichtet, bis er seinen Vater hatte überreden können, ihn zur Schule zu lassen. Dort hatte er endlich Freunde gefunden - für die er leider nur in der Schulzeit Zeit hatte. Die restliche Zeit verbrachte er mit Fotoshootings, Fechten und Hausaufgaben. Nur selten hatte er Freizeit und konnte tun, was er wollte. Und diese Zeiten waren meist nur die, in der er als Katze Paris retten musste.
Das Auto hielt vor dem Eingang der Schule, genau fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn. So wie jeden Tag.
Anfangs hatte er sich immer so sehr einen Akuma-Angriff gewünscht, nur um ein wenig Abwechslung in sein Leben zu bringen. Aber diese wurden von Monat zu Monat schlimmer, er und seine Partnerin brauchten immer länger, die akumatiesierten Personen zu befreien. Anfangs dauerte ein Kampf so um eine halbe Stunde bis etwa drei Stunden. Mittlerweile war es nicht unüblich, wenn der Kampf den ganzen Nachmittag, beziehungsweise den halben Tag andauerte. Die Kämpfe wurden ermüdender, die Gegner stärker. Nun war er einigermaßen froh über Normalität, auch wenn es ihn langweilte.
Die Akuma hatten sich in den letzten zwei Wochen nicht blicken lassen. Es war erholsam - aber er vermisste Ladybug.
>> Hey, Dude! << riss ihn jemand aus seinen Gedanken. Sein bester Freund Nino kam auf ihn zugelaufen und hob die rechte Hand zum Handschlag. Adrien grinste und schlug ein.
>> Wie liefs bei deinen Hausaufgaben? << fragte Nino. Adrien sah den hoffnungsvollen Blick in seinen Augen. Diesen Blick bekam er schon öfters zu sehen, seit Nino und Alya Cesaire zusammen gekommen sind.
>> Irgendwann wird Madame Bustier dich erwischen. << lachte Adrien und legte seinen Arm um Ninos Schulter.
>> Alya und ich waren gestern im Kino und waren danach im Park ein Eis essen.. wir haben irgendwie die Zeit vergessen... << meinte der Brillenträger verlegen und rückte seine Cap zurecht, die Adrien ausversehen fast von seinem Kopf gestoßen hatte.
>> Hey Nino! << hörte Adrien ein Mädchen rufen, bevor er etwas erwidern konnte. Beihnahe sofort setzte Nino ein strahlenes Lächeln auf und drehte sich um. Die Brünette kam auf ihn zu, rückte kurz ihre Brille wieder auf die Nase und gab Nino einen Kuss auf die Lippen.
>> Morgen. Gut geschlafen? << fragte Adrien Alya. Sie nickte, bemerkte dann aber die Mappe, die Nino von Adrien bekommen hatte. Sofort setzte sie einen strengen Gesichtsausdruck auf.
>> Hast du die Hausaufgaben schon wieder nicht gemacht? Du kannst sie nicht immer abschreiben, das merkt Madame Bustier doch irgendwann. Du musst das in den Griff kriegen, sonst streichen wir unsere Verabredungen, biss du es alles wieder auf die Reihe kriegst, verstanden? Meine Güte, du bist ja bald schlimmer als Marinette! << redete Alya drauflos und ließ Nino gar nicht zu Wort kommen.
>> Apropos Marinette - wo bleibt sie? << fragte Adrien, der sich bereits wunderte, dass Alya alleine war.
>> Weiß nicht. << seufzte Alya betrübt.
>> Vermutlich hat sie wieder verschlafen. <<
In diesem Moment ertönte die Schulglocke. Die wenigen Schüler, die noch nicht in ihre Klassenräume gegangen sind, setzten sich nun in Bewegung. Nino schlug schnell die Mappe auf und las sich Adriens Text durch, um wenigstens behaupten zu können, er habe die Aufgaben mit Adrien zusammen gemacht, wenn die Lehrerin ihn fragen sollte, und da musste er wenigstens ungefähr wissen, was Adrien geschrieben hatte.
Adrien setzte sich an seinen Platz in der ersten Reihe. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl. Irgendetwas fehlte heute - und damit meinte er nicht Marinette, sie kam immer zu spät.
>> Sag mal, Nino, findest du es auch nicht sonderbar still heute? << fragte Alya gerade.
>> Jaja. << murmelte Nino nur, vertief in dem Aufsatz über die Plattentektonik der Erde. Sie hatten jetzt Geographie.
Adrien konnte Alya ebenfalls nicht antworten, denn in diesem Moment kam Madame Bustier in das Klassenzimmer. Auf ihr >Guten Morgen< kam nur ein Gemurmel von den Schülern zurück, was sie jedoch nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm und die Anwesenheitsliste durchging.
>> Chloe? << sagte Madame Bustier, doch Chloes Platz war leer. Ebenso der von ihrer besten Freundin Sabrina.
Innerlich schlug sich Adrien gegen die Stirn. Natürlich! Wie hatte er seine Kindheitsfreundin vergessen können? Ihr nerviges >AdriCherie< hatte er heute morgen gar nicht gehört - deshalb kam es ihm so still vor. Naja, so richtig befreundet waren sie - zumindest auf seiner Seite - nicht mehr. Sie war einfach unfreundlich anderen gegenüber, was sich zwar vor zwei Jahren gebessert hatte, aber immernoch nicht wegfiel. Besonders Alya und Marinette, ganz besonders Marinette, seine besten Freundinnen, konnte sie nicht leiden und irgendwie war so das Band der Freundschaft zwischen ihm und Chloe dünner geworden.
>> Darauf hätte ich kommen müssen. << hörte er Alya hinter sich flüstern und musste ein Grinsen unterdrücken. Alya konnte Chloe genausowenig leiden, wie sie Alya.
>> Und Sabrina? Weiß keiner wo sie sind? << fragte Madame Bustier. Alle schütteten die Köpfe.
>> Was ist mit Marinette? <<
>> Ich glaube sie hat einfach nur wieder verschlafen. << rief Alix von hinten. Madame Bustier nickte nur seufzend. Das kannte sie schon von Marinette - das war eigentlich nicht anders zu erwarten.
>> Nun denn, kommen wir zu den Hausaufgaben. << fing Madame Bustier mit dem Unterricht an.
Doch in diesem Moment wurde sie von dem Alarm unterbrochen.







Chat Noir - Gekämpft, Gehofft, Verloren (Miraculous)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt