Agardelos

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"Mein ist die Rache"

„Weißt du, wer…?“ Crabanions raue Stimme drang an Legolas‘ Ohr. Dieser schüttelte lediglich seinen Kopf.
Die Schlacht war seit Stunden geschlagen worden und die Moreldar waren gleich Hunden in einer zornigen Hetzjagd aus Thranduil‘s Reich gejagt worden. Das Lager war provisorisch auf einer Lichtung in der Nähe des Schlachtfelds errichtet worden.
Auf diesem kargen von riesigen Bäumen umrundeten Platz liefen Elben hin und her. All diejenigen, die unverletzt geblieben waren, bereiten sich hastig auf den Aufbruch in die Hauptstadt vor. Hier und da lagen unbenutzte Tragen auf dem trockenen Gras, die Bäume rundherum ließen nur wenig vom Sternenlicht dieser kühlen Nacht hindurch.
Das Mondlicht ließ die schönen Elbengesichter glänzen wie das Wasser in der Dämmerung. Leise Klagelieder klangen in der kühlen Luft, hinauf zu Sternen, hatte das Volk Thranduils doch einen schlimmen Verlust zu betrauern.
Die Prinzen des Waldlandreiches saßen nebeneinander in einem Zelt, das sich weit über den finsteren Himmel spannte. In diesem Zelt war eine hölzerne Trage auf der ihr toter, jüngster Bruder lag.
Tharanions wirres Haar war geordnet und die zerrissenen Schlachtkleider ersetzt worden. Die kalten Hände waren an seiner Brust gefaltet worden und fast erschien es so, als würde der tote Elb gleich aufstehen, wie nach einem ausgiebigen Schlaf bei Nacht.
Doch nie würde er es wieder tun.
Die fahlen Lippen und das noch bleichere Gesicht, die komplett regungslose Haltung und diese Kälte um in herum, die ein jeder Elb fühlen konnte, zeigten es so deutlich.
Pfeil und Bogen hatte man an seine Seite gelegt und viele Krieger, die den Elben gekannt hatten, hatten sich bereits leise murmelnd verabschiedet, hatten dem Elben die Schulter gedrückt und traurige Worte geflüstert.
Doch irgendetwas, Legolas wusste einfach nicht was, fehlte Tharanion und der kleine Teil seines Verstandes, der nicht von der Trauer eingenebelt war, fragte sich unermüdlich, was ihm dieses eigenartige Gefühl beim Anblick seines jüngsten Bruders gab; was fehlte.

„Meine Herrn?“ Eine vorsichtige Stimme drang an die Ohren der Brüder und sie drehten beinahe unisono die Köpfe. Eine Wache, ein immer noch von der Schlacht verdreckter Elb mit braunem, glatten Haar stand vor dem roten Zelt, in dem Tharanion aufgebahrt worden war. Eine helle Fackel in seiner Hand warf zuckende Schatten auf das traurige, verschrammte Gesicht. Es war Maelion. Er betrauerte den Verlust eines guten Freundes, so hatte Legolas gehört. Das Mitgefühl mit den trauernden Prinzen lag in den dunklen Augen, die das Licht wie Bernstein strahlen ließen. Es wirkte, als wäre es ihm sehr unangenehm, die Prinzen bei der Trauer zu stören. Er berichtete: „Meine Herrn, die hohen Berater des Königs wünschen, in einigen Stunden in die Heimat aufzubrechen. Sie bitten um Zustimmung.“ Legolas wechselte einen kurzen Blick mit seinem Bruder, sah dessen Zustimmung und antwortete tonlos: „Ich stimme ihnen zu. Lasst den Generälen ausrichten, sie sollen ihre Truppen auf die Heimreise vorbereiten. Kümmert euch um die Verletzten.“ Die Wache nickte und verließ leise das Zelt.
Leoglas wandte seinen Blick wieder dem toten Gesicht seines kleinen Bruder zu. „Ich werde den finden, der dir das angetan hat, kleiner Bruder, und er wird bezahlen, mindestens mit gleicher Münze.“
So viele Szenen tanzten vor seinem inneren Auge. Wie Tharanion als Kind durch den Palast gerannt war, das Schmunzeln Bediensteter und von Beratern gleichermaßen im Rücken. Wie lästig er bei den Trainingsstunden von seinen Brüdern gewesen war, das Quengeln, endlich mit auf eine Patrouille mitgehen zu dürfen. Wie er seinen ersten Bogen bekommen hatte…
Legolas wischte sich über die Stirn. Solch tiefe Trauer war ihm fremd. Schon so viele Elben hatte er sterben sehen, auch Freunde und Elben, die er gekannt und gemocht hatte, aber nie hatte er sich so furchtbar gefühlt. Unerträglich würde es werden, ihren toten Bruder nach Hause zu tragen. Tharanion war von allen geliebt worden, hatte viele Freunde gehabt. Adar’s Gesicht…
Legolas schüttelte verzweifelt den Kopf. Tharanion war das letzte Geschenk ihrer Mutter gewesen und es war nur allzu bekannt wie Thranduil an ihm hing, sah er ihr doch ähnlicher als all seine anderen Kinder und auch ihrer beider Wesen war sehr ähnlich gewesen. Auch sie war durch die Hand eines Moreldar gefallen.

Mereth di Edhal | Herr der Ringe | by: ArcharnielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt