Blau wie das Meer II

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Im Lager wimmelte es von Verletzten und ihren Gefährtinnen und Kindern. Da und da klagte ein verwundeter Soldat zu den Valar, da und da schloss eine Elbin ihren Liebsten glücklich in die Arme.
Merewyn wandte sich wieder ihrem derzeitigen Patienten zu, ein Elb, denn sie von tiefstem Herzen hasste. 
Dunkles Haar floss um das bleiche Gesicht, die Augen waren von einem dunklen Grün, aus denen eine unglaubliche Arroganz sprach. Hart waren die Züge seines Gesichtes. Er war Grondbrimor Morhervestion, sein Sohn aus erster Ehe. Wortlos machte zog sie den Verband um seine Hand fest. 
„Belastet die Hand nicht zu sehr, dehnt sie dennoch öfter, sonst könnten die zuwachsenden Narben eine Behinderung sein.“ Grondbrimor schenkte ihr ein Grinsen, dann sagte er: „Gut gemacht, Kleine.“ Sie hob den Kopf, doch sparte sich eine Erwiderung. Doch er setzte sich auf und sprach im Spott weiter: „Freust du dich schon auf deine Verlobung, Merewyn?“ Ein schmerzvoller Stich durchfuhr sie und Kälte setzte sich in ihrem Magen fest. Dies ignorierend, drehte sich um, setzte ein Lächeln und auf und antwortete freundlich: „Natürlich, Herr.“ Sie stand auf und wollte ihn sitzen lassen, doch schon schoss seine Hand vor und ergriffen ihr Handgelenk. Grüne Augen, funkelnd vor Vergnügen, fingen die ihren ein. „Hast du schon bedacht“, ein eigenartiges Lächeln erleuchtete das bleiche Gesicht, „dass du durch diese Heirat meine Stiefmutter wirst. Interessant, du bist jünger wie ich.“ Das klamme Gefühl in ihrem Magen nahm zu. Das Lächeln Grondbrimors wurde breiter. 
Dieses Lächeln erinnerte sie an etwas. Ein Fangspiel unter der Sonne vor vielen hunderten Jahren. In der Sonne hatten er und ihr Bruder, ein kleiner, sehr schüchterner blonder Junge, und Grondbrimor, ein kleiner Angeber, fangen gespielt. Sie und Anoriel, das Kind einer Hofdame, waren am Fluss gewesen und hatten mit ihren Puppen einen Spaziergang gemacht. Die kleinen Knaben waren aus dem Bäumen gesprungen. Grondbrimor, ein grausamer kleiner Jungen, hatte ihnen ihre Puppen weggenommen. Die kleinen Mädchen hatten ihn angefleht, sie zurückzugeben. Noch heute erinnerte sie sich an die Einzelteile der Puppen, die er den weinenden Mädchen zurückgeschossen hatte. Manchmal, so dachte Merewyn im Nachhinein, sah man schon am Knaben, was für ein Mann auf ihm werden würde.
Merewyn hob ihren Kopf, sah ihm fest in die Augen und antwortete: „Ich denke, Herr, ihr solltet Euren Pflichten nachgehen und ich den meinen.“ Grondbrimor antwortete spöttisch: „Als Frau, meine Teuerste, solltet ihr nicht denken. Weißt du“, eine Hand strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, „du bist wirk-´´
„Herrin!“ Eine steinerne Last schien von ihr zu fallen und doch fühlte das wohlbekannte Flattern in ihrem Magen beim Klang dieser wohlbekannten Stimme. Legolas.
Sie drehte sich um und da stand er. Seine Kleidung war verdreckt und er war von oben bis unten besudelt mit Orkblut. Ein Kratzer zierte seine Wange. Doch, so erkannte sie mit einem tiefen Aufatmen, hatte er keine schlimmeren Verletzungen davongetragen. 
„Herrin, er bräuchte Hilfe.“ Legolas warf ihr einen warmen Blick zu, doch unter den Augen Grondbrimors, der sich keinen Fingerbreit von ihrer Seite bewegte, konnte sie ihm weder ein leises Wort noch eine sachte Geste schenken. Sie sah auf den Elben, der schwach an seiner Schulter hing. 
„Leg-Legt Ihn her, auf die Trage“, sprach sie knapp und kniete sich neben ihn. Der Elb, den sie als Maelion, einen guten Freund Legolas‘, erkannte, atmete schwach und Schweiß rannte ihn das von Schmerz gekennzeichnete Gesicht. Das Bein entzündete sich, dass sah sie auf den ersten Blick. Sie hörte, wie sich Legolas neben sie fallen ließ. 
Kurz trafen sich ihre Blicke, das Blau seiner Augen, dass sie bis zum Tag ihres Todes niemals vergessen würde. Wehmut und Schmerz zog durch ihre Seele. Einen Moment verweilte sie in ihnen, dann wandte sie sich ab und griff zu der Flasche von Wein, die sie vorhin schon über Feuer gekocht hatte. „Haltet Ihn fest“, bat sie Legolas. Dieser folgte augenblicklich ihrer Bitte und so goss sie den siedenden Wein über die Wunde. Ein grauenhafter Schrei entfuhr Maelion und er bäumte sich unter dem festen Griff Legolas auf, doch dieser drückte ihn erbarmungslos zu Boden, während Merewyn so sanft, wie es ihr irgendwie möglich war, die gereinigte Wunde untersuchte. 
„Was macht Ihr eigentlich noch hier?“ Als Merewyn zum Verband griff, um die gereinigte Wunde Maelions zu verbinden, stand Legolas auf und fasste Grondbrimor ins Gesicht. Dieser antwortete provokant: „Wie der unglückliche Vorfall vor einigen Tagen beweist, Majestät, kann man eine Frau nicht mit einem Tawarwaith alleine lassen.“ Merewyn hielt die Luft an. Obwohl sie mit den Rücken zu den Beiden saß, konnte sie beinahe sehen, wie Legolas‘ Hände sich zu Fäusten ballten, wie seine Augen funkelten und sie hörte sein leises, zischendes Ausatmen. Endlich hörte sie seine Stimme: „Wir alle, verehrter-wie heißt Ihr noch einmal, wissen, welch überaus ‚hohen‘ Stand Frauen bei auch haben und welchen Respekt und Ehrerbietung sie genießen.“
Sie hörte, wie Grondbrimor mit den Zähnen malmte und eine wirklich unbehagliche Stille entstand.
Plötzlich rief Grondbrimor scharf: „Merewyn!“ Sie fuhr zusammen. Mit einer unguten Vorahnung stand sie auf und drehte sich um. Grondbrimor winkte sie mit der Hand zu sich. Schweigend ging sie auf die zwei Streitenden, Legolas besorgten Blick auf sich.
Grondbrimor schenkte ihr ein kaltes Lächeln und befahl in einem unmissverständlichem Ton: „Sag seiner Majestät doch, wie sehr wir Frauen in unserem Land schätzen.“ Merewyn sah Legolas kurz an, dessen Augen immer wütender zu funkeln begannen. Er setze an: „Wir wollen doch ni-“ „Grondbrimor, als Frau besitze ich keine Meinung.“.

Mereth di Edhal | Herr der Ringe | by: ArcharnielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt