Kapitel 37

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»Hey, was machst du denn hier?«, fragte sie neugierig und schielte an mir vorbei zur Tür. Hoffentlich ließ Lotta sich noch etwas Zeit, dachte ich und verfluchte mein Timing. »Ähm, also... mein Großonkel wohnt hier. Ich habe ihm nur schnell etwas von meiner Mama gebracht«, schwindelte ich und merkte, wie die Hitze in mir aufstieg. »Oh, ok. Fährst du jetzt direkt zur Schule? Dann könnten wir zusammen fahren, wenn du magst.« Ich willigte ein. Was sollte ich auch sonst tun? Unterwegs sprachen wir etwas über die Prüfungen und plötzlich sprach sie das Thema Lotta an und vor Schreck hätte ich fast einen Unfall gebaut, hatte den Lenker aber noch rechtzeitig gerade gezogen. »Wie findest du eigentlich Frau Lindberger?«, fragte sie mich aus und ich hätte kotzen können. »Sie ist eine gute Lehrerin, sehr nett«, antwortete ich gespielt gelangweilt, obwohl in meinem Körper alles kribbelte und verrückt spielte. »Weißt du zufällig, ob sie eigentlich in einer festen Beziehung ist?« Ich krallte meine Hände um das Lenkrad. »JA«, wollte ich brüllen. »SIE IST MEINE FREUNDIN!« Jedoch hielt ich mich zurück. »Ich weiß nicht«, erwiderte ich stattdessen. Damit gab sie sich zufrieden und als die Schule in Sicht war, atmete ich auf. Ich hielt es keine Sekunde länger mit ihr aus.

Am Nachmittag rief ich Lotta an und berichtete ihr von meiner Begegnung. Sie wurde sofort panisch, aber ich konnte sie beruhigen. »Das war aber echt knapp«, meinte sie und nieste am anderen Ende der Leitung. Ich wünschte ihr Gesundheit und stimmte zu.

Einige Wochen später waren die mündlichen Prüfungen an der Reihe und auch diese meisterte ich gut. Es gab keinen weiteren Zwischenfall mit Emma, aber plötzlich sah ich sie überall. Ich fühlte mich ständig beobachtet und das erleichterte es Lotta und mir überhaupt nicht. Aber dann kam endlich der 01. Juli und ich war absolut glücklich darüber, denn nun war ich offiziell entlassen. Die feierliche Zeugnisübergabe fand wie jedes Jahr in unserem Theater statt. Meine Mama hatte eine Begabung für schöne Frisuren und an diesem besonderen Tag sorgte sie dafür, dass meine Haare wundervoll waren. Nach einem Blick in den Spiegel stellte ich fest, dass ich ziemlich gut aussah. Ich hatte ein langes dunkelblaues Kleid an und trug dazu den passenden Schmuck. Meine Mama musste sich die Tränen zurückhalten und mein Vater meinte: »Wir sind so stolz auf dich, Elli.« Das berührte mich sehr. »Wir müssen jetzt los«, antwortete ich lachend und wir irrten eine Weile umher, bis wir einen Parkplatz in der Nähe gefunden hatten. Ich hielt die Augen und Ohren offen. Lotta wollte mir nicht verraten, was sie tragen würde und ich war sehr gespannt. Ich konnte sie nicht entdecken, wo steckte sie denn? Plötzlich tauchte sie in der Menschenmenge auf, die sich vor dem Theater versammelt hatte. Der Einlass war erst in einigen Minuten. Sie kam direkt auf uns zu, strahlte und begrüßte meine Eltern. Umwerfend sah sie aus. Lotta trug ein schwarzes, relativ kurzes, Kleid. Eigentlich nichts Besonderes, aber es stand ihr ausgesprochen gut. Es passte zu ihrer Natürlichkeit, die ich so an ihr liebte. Zur Feier des Tages hatte sie Pumps an, obwohl sie diese verabscheute. Dann stand sie vor uns und mir entfuhr ein: »Wow.« Verlegen lächelte sie, niemand wusste so wirklich, wie wir miteinander umgehen sollten, obwohl sie schon oft als meine feste Freundin bei uns zu Besuch war. »Es geht gleich los«, sagte sie nervös. »Wir sehen uns später.« Dann verabschiedete sie sich von meinen Eltern und ging Richtung Eingang. Wir folgten ihr und ich konnte meinen Blick nicht abwenden, sodass ich fast mit jemandem zusammenkrachte. Wie es der Zufall wollte, war es natürlich Emma. Sie sah überhaupt nicht glücklich aus und ich konnte mir vorstellen, was, oder besser gesagt wer, der Grund dafür war. Schnell schlich ich an ihr vorbei. Dann entdeckte ich Kati und Gabriel. Kati sah mich aufgeregt an. Sie war, mit Ausnahme meiner Eltern, der einzige Mensch, der von Lotta und mir wusste und was dieser Tag heute für uns bedeutete. Unsere Klasse versammelte sich in einem kleinen Vorraum und dann gingen wir die Reihenfolge noch einmal durch, wie wir den Saal betreten und auf die Bühne gehen würden.

Als endlich alle saßen, startete das Programm. Es wurde Musik gespielt, einige hielten eine Rede und lustige Geschichten der Schulzeit wurden erzählt. Dann endlich gab es unsere Zeugnisse. Lotta half beim Verteilen und mir wurde ganz heiß. Immer sechs Schüler wurden aufgerufen und dann war ich an der Reihe. Ich konzentrierte mich auf den Gang auf die Bühne. Dort oben würden wir wie auf einem Präsentierteller stehen, dachte ich, aber riss mich zusammen. Plötzlich stand Lotta von mir, rechts von mir stand Emma, drückte mich und flüsterte mir ins Ohr: »Ich bin so unheimlich stolz auf dich, das feiern wir später!« Ich strahlte sie an und sie ging weiter. Bei Emma war sie etwas zurückhaltender und drückte sie kurz und wünschte ihr alles Liebe für die Zukunft. Als Lotta zur nächsten Person ging, sah ich Emma an. Tränen kullerten ihr die Wangen hinab und es fiel nicht weiter auf, weil heute viele Tränen liefen. Aber ich wusste ganz genau, dass es keine Tränen der Freude waren. Ich wusste, dass es wegen Lotta war.

Als wir später alle wieder draußen waren, kamen meine Eltern zu mir und drückten mich. »Ich habe es geschafft. Mein Schnitt ist 1,3«, jubelte ich und sie freuten sich unheimlich darüber. Es wurde noch erzählt und dann gab es das Startsignal meiner Klassenlehrerin. Wir würden nun alle zu unserem gemieteten Saal fahren, in dem wir unseren Abschluss feierten. Als wir diesen erreichten, war Lotta bereits da und sprach mit dem Personal, welches wir gebucht hatten für den Abend. Ich konnte meinen Blick noch immer nicht abwenden. Ich stand einfach nur da und starrte zu ihr hinüber, bis Kati mich am Arm berührte und eine Kopfbewegung in ihre Richtung machte. »Los, gehe hin zu ihr.« Sie hat gerade das Gespräch beendet. Ich ging auf sie zu und in diesem Moment drehte sie sich um und unsere Blicke trafen sich. Automatisch mussten wir beide lächeln. »Ich freue mich auf den Abend«, meinte sie beiläufig und hielt noch einen kleinen Sicherheitsabstand. Natürlich war ich nun keine Schülerin mehr, aber wir wollten uns noch ein paar Wochen Zeit lassen, bevor wir unsere Beziehung an die große Glocke hängten. Wahrscheinlich würde es sonst merkwürdig aussehen, wenn wir dies bereits am Tag der Zeugnisausgabe verkündeten. Da konnte einem schnell etwas nachgesagt werden und das wollten wir auf keinen Fall. Meine Eltern stießen zu uns und umarmten Lotta. Ich hörte meinen Papa leise sagen: »Nun, dann jetzt mal richtig herzlich willkommen in der Familie.« In diesem Moment war ich einfach nur glücklich, es hätte nicht besser sein können.

Die Party ging bis morgens um 4:00 Uhr und ich hatte unendlich viel Spaß und fühlte mich frei. Lotta und ich tanzten und tanzten, niemand achtete großartig auf uns, weil alle Lehrer mit Schülern tanzten. Emma saß einige Meter entfernt, trank einen Cocktail und funkelte mich wütend an. Aber es war mir egal, ab heute waren wir offiziell ein Paar. Lotta musste den gleichen Gedanken gehabt haben, denn sie lachte, streckte ihr Sektglas in die Höhe und rief mir leise zu: »Ein Hoch auf uns, auf unser zukünftiges Leben!«

Unknown. || gxgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt