P R O L O G P A R T I
» M Y L E S
Als er die Augen öffnete musste er feststellen, dass sich das Piepen des Weckers hier doch anders anhörte.
Über die Frühlingsferien hatte er ihn zwar zwei Wochen lang nicht mehr gehört, aber trotzdem konnte er den Unterschied wahrnehmen, konnte hören wie das Wecksignal hier von den dunklen, schrägen Wänden abprallte und in den sonst leeren Raum zurückgeworfen wurde.
Jetzt hörte es sich ganz anders an, obwohl es immer noch der gleiche Wecker war von den er schon unzählige Male geweckt worden war.
Aber so würde es von nun an für Myles sein, ganz anders.
Denn Boykins war ganz anders als Seattle.
Alt, klein und etwas verschlafen, er konnte sich nur zu gut daran erinnern, wie sein erster Eindruck der Kleinstadt im Nirgendwo von Oregon gewesen war, genau wie der des Hauses, welches sein Dad grade erst von seinem verstorbenen Großvater geerbt und vor nur zwei Wochen mit seinem Sohn bezogen hatte. Während der Ferien hatte sich der erste Eindruck nicht geändert und im Gegenteil sogar noch verfestigt, nichts interessantes war geschehen oder hatte sich auf getan, was Myles dazu zwang sich mit dem langweiligen Einzug zu beschäftigen.
Bevor er den Kopf vom Kissen hob und sich aufsetzte, streckte Myles den Arm nach dem Radio-Wecker aus und tauschte den langsam nervigen Bip-Ton gegen eine noch schlimmeren Pop-Song. Als nächstes griff er nach seiner Brille, die unmittelbar neben dem Wecker lag und ihm nach dem Aufziehen die roten Leuchtziffern erkennen lies.
06:45
Auch wenn er sich jetzt nochmal umdrehen würde, hätte er noch genügend Zeit um sich fertig zumachen, aber irgendetwas trieb ihn aus dem Bett. Wahrscheinlich war es das Licht, welches aus dem Dachfenster ins Zimmer fiel, zusammen mit dem Vogelgesang an den er sich noch gewöhnen musste oder einfach die angenehme Aufregung seines ersten Schultages.
Mittlerweile brannte er regelrecht darauf Leute zutreffen mit denen man die Langeweile dieser Kleinstadt ertragen konnte und hoffte gleichzeitig, dass die örtliche High-School ein paar interessante Nachmittags-Aktivitäten für ihn parat hatte.
Also schwang er die Beine aus dem Bett und bewegt sich rüber zu der breiten Kommode, in die er seine Klamotten gepackt hatte und aus der er nun diese für den Tag suchte. Die Kommode war das Einzige das er halbwegs vernünftig in seinem Zimmer eingeräumt hatte, der Rest seiner Sachen verweilte noch in Kartons, die nur wenig dekorativ in der Ecke standen. Aber er hatte schlichtweg keine Lust und Zeit gehabt, war mit dem Rest des Hauses beschäftigt gewesen und hatte seinem Dad tatkräftig dabei geholfen Regale, Tische und Schränke nach dem Abbau in Seattle hier wieder zusammen zuschrauben. Generell hatten er und sein Vater nur das Wichtigste ausgepackt und die übrigen Kartons eher von einen Raum in den Anderen getragen, denn immerhin wollten sie der Frau des Hauses auch noch etwas Arbeit überlassen.
Myles Mutter würde erst in ein paar Wochen zu ihnen stoßen, da sie noch einige berufliche Sachen in Seattle zu klären hatte und würde bei ihrer Anreise den restlichen Bestand des Haushaltes Kenrick mitbringen. Die einzigen Räume, die die beiden Männer bis jetzt vollkommen eingerichtet hatten, waren das Bad und die Küche, wohl wissend dass Myles Mutter so oder so alles drei Mal um räumen würde.
Nachdem er alles aus der Kommode zusammen hatte, hob er die Hose vom Vortag auf, die er gestern Abend achtlos auf den Boden geworfen hatte und ging hinunter in den zweiten Stock ins Bad.
Zeitgleich mit Myles, der frisch geduscht die Treppe hinunter kam, betrat sein Vater die Küche durch die Hintertür in Begleitung des Familienhundes. Kaum das dieser von der Leine gelassen wurde lief der weiß-braune Beagle zu Myles, der gerade am Fuße der Treppe angelangt war und zu Begrüßung sofort in die Hocke ging.
» Morgen. Gut geschlafen ?«, fragte Myles' Vater, während er sich seine Jacke auszog und die Hundeleine mit dieser an einen Hacken an die Garderobe hängte.
Owen Kenrick sah seinem Sohn nur in den Gesichtszügen ähnlich, denn während er noch das rote Haar seiner irisch-walisischen Vorfahren hatte – auch wenn es mit dem Alter eher zu einem dunkleren Blond geworden war, das nur noch eine Rotstich aufwies -, hatte Myles das aschbraune Haar seiner Mutter, sowie die milden, wenn auch etwas kalten mintgrünen Augen.
Nur sein schmales Gesicht mit den scharfen Zügen hatte er seinem Sohn vererbt, welcher ihm antwortete, » Ja, es geht... Nicht wirklich.«
Seine weiteren Worte wand er an den Beagle vor sich, » Na, Darwin. Ward ihr schön im Wald?«. Bei der Aufmerksam, die Myles durch seine Worte dem Hund schenkte, fing Darwin vor Freude an mit dem Schwanz zu wackeln und lies sich ruhig über den Kopf streichen.
» Nicht gut ? Wegen der Aufregung ?«, fragte sein Vater mit etwas Spott in der Stimme nach.
Myles stand auf und ging gefolgt von Darwin in die Küche, wo sein Vater sich die Zeitung an sah, die er mit rein gebracht hatte.
» Nein, es ist das Haus. Es knarzt.«
» Es wird wieder warm, das Holz dehnt sich aus. Natürlich knarzt und knackst es dann. Das Haus atmet nur. Es ist einfach alt.«, erklärte sein Vater mit leichter Begeisterung, während sein Sprössling sich auf die Kücheninsel lehnte und die Augen in einer halben Umdrehung kreisen lies.
» Wie alles hier.«
Vertieft in den Lokal-Artikel der Zeitung ignorierte Myles' Vater seinen Kommentar und fragte mit leicht
abwesender und konzentrierter Stimme, ob Myles Darwin sein Futter geben könnte.
Myles tat wie ihm befohlen wurde und füllte den Napf, dessen Besitzer gut erzogen im Sitz wartete.
Der Beagle regte sich nicht und wartet mit fixierten Blick auf sein Frühstück, auf sein Kommando Wort .
» Okay.«, gab Myles Darwin frei und erlöste ihn von seinen hungrigen Qualen. Mit einem kurzen Satz nach vorne stürzte er sich auf sein Fressen, während Myles seinen Vater informierte, »Ich fahr gleich mit den Fahrrad zu Schule, du musst mich nicht fahren.«
Der ältere Kenrick löste seinen Blick von dem Artikel, der nach dem Lokalteil seine Aufmerksamkeit geweckt hatte, und nickte seinem Sohn einverstanden zu.
»Ich muss eh in die andere Richtung.«
Nach dem Tod seines Großvaters hatte Myles Vater nicht nur sein Haus, sondern auch dessen Bestattungsinstitut geerbt, mit allem drum und dran. Ein ganzer Laden voll Särge, Urnen und einem alten Wagen, groß genug für das letzte Bett eines Toten, direkt gegenüber des Hillside Cemetery am Rande der Stadt gelegen.
Das Institut mit dem Erbe als Bestatter der Gemeinde war mehr oder weniger der Hauptbeweggrund für den Umzug der Kenricks. Dazu kam zwar noch das ebenfalls vermachte Haus und die Verliebtheit seiner Eltern in die Kleinstadt, die bei seinem Vater schon immer bestanden hatte und seine Mutter erst an den Tagen ihres Besuches aufgrund der Beerdigung ihres Schwiegervaters angesteckt hatte, aber trotzdem war die leere Stelle der entscheidende Faktor gewesen.
Darwin war in Kürze fertig mit seinem Frühstück und verschwand in sein Körbchen im Flur, woraufhin Myles entschied schnell selbst etwas zu essen bevor er zu Schule aufbrach.
Obwohl der Frühling nach den Ferien in seinem Stadium Fortschritte gemacht hatte, war der Morgen immer noch etwas kühl. Die Sonne schien, aber der leichte Wind, der Myles beim Fahren entgegen kam, machte ihre Wärme fast nicht spürbar. Auch wenn die Ferien zu Ende waren, waren die Straßen in seinem neuen Wohnviertel immer noch still. Es kam ihm fast kein Auto entgegen und er konnte frei mittig auf der Straße fahren, bis er in die Nähe des Schulgeländes kam, wo der Verkehr durch Schüler und Lehrer belebter wurde.
Der Parkplatz der High School wirkte klein und wimmelte vor Kleinwagen, Pick Ups und Schülern, die sich vor dem Gebäude begrüßten, welches dem Aussehen nach zu Urteilen wohl aus den 70ger oder 80ger Jahren stammte.
Myles kettete sein Rad neben den Anderen am Bügelständer unter einer Überdachung in der Nähe des Eingangs fest und betrat mit einer Schar von Schülern das Gebäude. Zielstrebig fragte er den ersten Lehrer, der ihm begegnete nach dem Sekretariat, wo er sich anmeldete .
» Kendrick ?«, fragte die Frau freundlich hinter dem Computer nach, die sich als Mrs. Hughes vorgestellt hatte und für ihn seinen Stunden- und Raumplan aus dem System suchte.
Wie gewohnt korrigiere Myles sein Gegenüber, » Kenrick, ohne das D.«, und zeigte ihr sofort mit einem charmanten Lächeln, dass ihr Fehler nicht weiter schlimm war. Es war schon oft vorgekommen, dass jemand seinen Familiennamen missverstand und mit einem zusätzlichen D den geläufigeren Nachnamen Kendrick in Erwägung zog. Myles hatte mittlerweile schon genug Leute berichtigt, um noch sauer über diesen unwichtigen Fehler zu sein.
Die Dame erwiderte das Lächeln und reichte ihm seine Unterlagen, sobald der Drucker sie ausgespuckt hatte, » Die erste Stunde hast du im ersten Stock – einen Moment. Shona ?«.
Auf ihren Ruf hin kam ein blondes Mädchen, das gerade die Tür zum Sekretariat passierte hatte, herein und schaute sie fragend an.
» Myles, das ist Shona Graham. Shona, Liebes, wärst du so freundlich und würdest deinen neuen Mitschüler zu seinem Raum bringen ?«, fragte Mrs. Hughes nach und das Mädchen nickte erfreut.
» Natürlich doch.«, willigte sie ein und zeigte mit einem aufgeweckten Nicken in Richtung Tür.
Auf dem Flur reichte sie ihm die Hand und stellte sich noch einmal persönlich vor, » Shona Graham. Myles richtig ?«.
» Myles Kenrick.«, ergänzte er und drückte ihre schmale Hand, die nach dem kurzen Händedruck nach seinem Zettel griff, der er ihr ohne widerstand gab. Shona warf einen kurzen Blick auf den Plan und lächelte ihm zuversichtlich zu, » Wir haben die erste Stunde zusammen. Mathe und am besten gehen wir schnell hoch, die Lehrerin ist immer früh da und legt wert auf Pünktlichkeit. Dein Spinnt zeig ich dir am besten nach der Stunde.«.
Myles, froh über ihrer Hilfe und freundlichen Art, nickte Shona erneut zu und folgte ihr zu den Treppen.
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Some Ink On Your Skin Will Protect You
FantasyGESCHICHTE IST ABGEBROCHEN ! » Eine alte Stadt, drei Familien und eine neue Generation, die die gemeinsame Aufgabe ein Geheimnis zu bewahren fortführen müssen. « Nach dem Tod seines Großvaters muss Myles Kenrick gezwungenermaßen mit seiner Familie...