Ich saß an meinem Platz im Essenssaal, starrte meine Mahlzeit an und überlegte, wie ich es am besten anstellen sollte. Wie sollte ich ihn ansprechen. Langsam fing ich an zu zweifeln, vielleicht war es ja doch keine so gute Idee, wie ich mir eingeredet hatte. Ach Blödsinn! Es war eine total beschissene Idee!
Doch bevor ich aufgegessen hatte und mich verdrücken konnte, sah ich im Augenwinkel, wie ein Tablett auf meinen Tisch gestellt wurde und ich schaute verwundert nach oben um nachzusehen, wer sich zu der verrückten in der letzten Ecke setzte und als ich in die grünen Augen schaute, die von wuscheligem kupferroten Haaren fast verdeckt waren, erschrak ich innerlich zu Tode. Der, der sich soeben neben mich gesetzt hatte war kein anderer als Gabe. Der Gabe! Ich druckste eine gefühlte Ewigkeit rum, bis ich schließlich ein zittriges „Hi" heraus brachte. Was wollte er hier? „Hi", sagte er freundlich und auch er wirkte auch etwas nervös, aber noch lange nicht so wie ich es war. Ich saß völlig verstört da, bis mir einfiel, wie abschreckend ich so aussehen musste und ich versuchte mich zusammen zu reißen.
„Wäre es okay, wenn ich mich zu dir setzte?", fragte er mich und als ich vorsichtig nickte, ohne etwas zu sagen aus Angst, dass es etwas peinliches wäre, sah er erleichtert aus und fing an wie ein Wasserfall zu reden: „Naja, ich bin neu hier und kenne noch niemanden und da dachte ich, weil du in meiner Klasse bist und hier alleine saßt könnte ich mich zu dir setzen. Du sahst im Unterricht so nett aus und es fällt mir schwer Kontakte zu knüpfen, weil ich es hasse auf Leute zuzugehen. Ich bin übrigens Gabe", er verstummte als er meinen verwirrten Blick sah. Ich hatte glaube ich noch nie so viel mit einer Person, mit Ausnahme meiner Familieneinheit, gesprochen. Naja, also genau genommen hatte ich auch jetzt nicht viel gesprochen, aber man konnte Gabes Redeschwall als Unterhaltung ansehen.
„Ich bin Ivy", brachte ich heraus und zwang mich zu einem schüchternen Lächeln in seine Richtung. Daraufhin streckte er seine Hand aus und ich nahm sie immer noch verwirrt und er schüttelte sie überschwänglich: „Schön dich kennen zu lernen Ivy", sagte er und es klang ehrlich. Ich lächelte erneut schüchtern und sah, dass er grinste. „Du redest wohl nicht so viel, aber das macht nichts. Ich fange immer an viel zu viel zu reden, wenn ich nervös bin", jetzt war er es, der verlegen schaute. „Du bist nervös?", fragte ich, stolz auf mich, dass ich ohne zu stottern einen Satz rausbrachte und meine Stimme nur leicht zitterte. „Etwas", sagte er und schmunzelte, „Wie gesagt mir fällt es schwer auf Menschen zu zugehen". Langsam erholte ich mich von meinem Schock und hatte meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle. „Mir geht es genauso", sagte ich, „nur, dass ich nicht anfange viel zu reden".
Er grinste wieder. „Aber hey, das war gerade ein ganzer Satz", sagte er scherzhaft und fing an zu lachen, als er mein beschämtes Gesicht sah. „Das ist nicht komisch!", meckerte ich, aber dann musste ich auch lachen und endlich hatte ich das Gefühl aufzutauen und fühlte mich sogar in der Lage, ein Gespräch zu führen. Mein Unterbewusst sein tippte mir nun auf die Schulter und forderte Frag ihn, ob er Fantasie hat. Doch ich würde mich hüten dieses Thema anzusprechen, wo ich gerade mal seinen Namen kannte und wusste, dass er auch Lehrer werden würde.
Wir hielten eine Weile Smalltalk, allerdings umgingen wir das Thema, warum er mitten im Jahr umgezogen ist und ich war vorsichtig um mich nicht zu verplappern. Als er aufgegessen hatte machten wir uns auf den Weg in unsere Zimmer um uns für den Unterricht fertig zu machen. Mit einem schüchternen Lächeln verabschiedete ich mich und kaum, dass ich in meinem Zimmer angekommen war, verfiel ich wieder in endlose Grübeleien. Verdammt Ivy, es ist nicht gut, dass du so viel mit ihm redest. Was ist, wenn er gar keine Fantasie hat und du dich irgendwann verplapperst oder was wäre, wenn er von selbst darauf kommt, dass etwas nicht mit dir stimmt? Es könnten große Probleme auf mich warten, wenn es rauskommen würde und ich fürchtete mich davor, meinem Gefühl nicht trauen zu können. Denn ich glaubte, dass er mir sehr ähnlich war, doch wie gesagt, ich glaubte es, ich wusste es allerdings nicht.Im Unterricht setzte ich mich wie üblich nach ganz hinten, doch diese Stunde saß ich nicht allein. Heute war der erste Tag, an dem ich das Gefühl hatte dazu zu gehören.
----------------------------------------------
Es ist zwar ein ziemlich kurzes Kapitel geworden, da zu mehr meine Kreativität und Zeit leider gerade nicht gereicht hat, aber ich hoffe, dass es euch trotzdem gefällt ;)
DU LIEST GERADE
Metropolis
Teen FictionIvy dachte, sie wäre ein ganz normales Mädchen in Zentrum B6953, doch eines Tages fing sie an zu träumen, was in ihrer Gesellschaft eine große Gefahr barg, denn träumen hieß, dass man Fantasie hatte und Fantasie galt als Krankheit. Ein paar Jahre sp...