3. Kapitel: Die Gala

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Wenn Benedict nicht auf diese dämliche Gala eingeladen gewesen wäre, wäre ich vermutlich nicht zu ihm geflogen. Ich hatte ihn nun seit bestimmt zwei weiteren Monaten nicht mehr gesehen. In all dieser Zeit hatten wir kaum Kontakt gehabt und nur das Nötigste miteinander kommuniziert. Meistens belief sich das Ganze nur auf das hin- und herschicken von Nachrichten. Anrufe wurden zur Seltenheit. Ich zeigte ihm die kalte Schulter, weil das wohl die einzige Möglichkeit war, um ihm noch irgendwie zu signalisieren, dass ich so nicht mit ihm weitermachen konnte – doch er schien es nicht zu verstehen oder gar wahrzunehmen. Ich hatte ihn oder uns nicht aufgegeben, aber ich verstand längst die Welt nicht mehr, war überfordert mit dem, was aus meinem Freund geworden war. Wusste nicht mehr, wie ich zu ihm durchdringen sollte, wenn er mich immer wieder von sich stieß und auf Abstand hielt. Wusste nicht mehr, was eigentlich der Sinn unserer Beziehung war, wenn man es denn überhaupt noch so bezeichnen konnte. Oft hatte ich mich gefragt, ob ich nicht genug versucht, nicht genug gewagt hatte, doch schnell hatte ich erkannt, dass ich mich nicht selbst dafür fertigmachen durfte. Dafür, dass Ben aus welchen Gründen auch immer nicht mehr der Ansicht war, dass er mit mir über Themen, die ihn so sehr belasteten, dass er zu Alkohol und weiß Gott was noch griff, reden konnte. Ich hatte alles versucht. Wirklich alles, aber er öffnete sich mir nicht mehr. Zwischen uns war es beinahe eisig geworden und es zerbrach mir das Herz, aber ich war mit meinem Latein mehr als am Ende. Ich konnte kaum noch schlafen, essen oder irgendetwas anderes tun, außer an Benedict und seine Kälte zu denken. Es brachte mich um den Verstand und dennoch konnte ich nichts weiter tun, als abzuwarten und zu hoffen, dass alles wieder gut werden würde, nachdem er durch diese schwere Phase in seinem Leben gegangen war. So gut ich es eben vermochte war ich für ihn da, aber es fiel mir immer schwerer und schwerer, weil ich selbst noch daran kaputt zu gehen drohte.

Wie sich nun aber herausstellte, war es wohl der größte Fehler der letzten Monate für mich gewesen, ihn auf diese Gala zu begleiten. Ich hatte ihn nicht alleine dastehen lassen wollen, um seiner Reputation in der Öffentlichkeit Willen, aber das war mehr als falsch gewesen. Die Annahme, dass das ein einigermaßen normaler Abend beinahe so wie früher hätte werden können, war einfach nur lächerlich gewesen.

„Du hast mich schon richtig verstanden", sagte er unterkühlt, sah weiterhin nicht zu mir, beschleunigte den Wagen so weit, dass mir schlecht wurde – nicht nur aufgrund seiner rabiaten Fahrweise. „Wenn ich dir so zuwider bin, dann geh."

Da saß ich nun also in Bens Wagen mit offenem Mund, während ich ihn fassungslos anstarrte. Dieser ganze alberne Streit einfach nur deswegen vom Zaun gebrochen, weil er mich seit wir auf der Gala angekommen waren, alleine stehen gelassen hatte und ich keine Menschenseele dort wiedererkannte hatte. Daher hatte ich mich gerne mit dem jungen Mann unterhalten, der mich freundlicherweise auf einen Drink eingeladen hatte, nachdem er erkannt haben musste, wie verloren ich mich gefühlt hatte. Ob er Ben erkannte hatte, als dieser mich ohne auch nur ein Wort einfach gepackt und mitten im Satz von ihm weg zum Ausgang gezogen hatte?

„Ich will aussteigen", sagte ich nach einigen Momenten des Sammelns meiner Gedanken und krallte mich mit zitternden Finger an dem Türöffner der Beifahrertür fest. Benedict jedoch reagierte nicht, starrte weiter geradeaus und würdigte mich keines Blickes. „Ben! Halt den Wagen an und lass mich raus!", zischte ich jetzt entschiedener, klammerte mich noch fester an dem Griff fest und spannte jeden Muskel in meinem Körper an, damit ich jede Sekunde aus dem Wagen und weg von diesem mir fremd geworden Mann neben mir flüchten konnte. „Scheiße, es reicht! Ich hab die Schnauze jetzt wirklich voll! Das geht so nicht weiter, ich mach das nicht länger mit, wie du mit mir umspringst! Ich kann dir nicht helfen, wenn du mich immer wegstößt und es tut langsam verdammt weh, Ben", fuhr ich unbeirrt fort, nachdem er immer noch nicht reagierte und spürte dann endlich wieder seinen Blick auf mir ruhen. „Ich fliege zurück nach Deutschland, jetzt sofort. Das mit uns funktioniert einfach nicht mehr", sprudelte es nun geradezu aus mir heraus – meine Stimme lauter werdend, wenn auch gebrochen.

Leben der Superlative? // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt