1. Kapitel: Willkommen zurück

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Der mittlerweile mehr als vertraute Anblick von Bens Flur ließ mich ganz automatisch erleichtert ausatmen. Endlich. Endlich war ich wieder hier bei ihm, in einer Wohnung, die für mich mittlerweile mehr ein zu Hause war, als meine eigene in Köln. Nachdem ich mein Praktikum nun vor einigen Monaten abgeschlossen hatte, hatte ich meine kleine Bleibe in London aufgegeben. Wofür hätte ich sie auch noch behalten sollen?

Diese ganz besondere Atmosphäre, die hier in diesen vier Wänden herrschte zeigte deutlich, dass er hier wohnte. Ich hatte ihn so sehr vermisst und wäre ihm am Flughafen am liebsten direkt um den Hals gefallen, aber ich hatte es gerade noch so geschafft mich davon abzuhalten. Oberste Divise war es immer noch bloß keine Aufmerksamkeit zu erregen, also waren wir stumm zu seinem Wagen gelaufen und losgefahren. Ich hatte die Liebe in seinen Augen gesehen, in seinem Lächeln, hatte sie gespürt in der Art und Weise wie er mich, sobald wir hinter seinen getönten Scheiben geschützt gewesen waren, an sich gezogen und fast schon grob geküsst hatte.

„Du glaubst gar nicht, wie sehr du mir gefehlt hast", hatte er mir ins Ohr geflüstert, mir mit sanften Berührungen an Armen und Nacken ein leises Seufzen entlockt.

Wir hatten uns nun seit sechs langen Wochen nicht mehr gesehen. Im Verhältnis zu den Abständen davor war das noch relativ kurz gewesen, aber dennoch war es zum Ende hin schier unerträglich geworden ihn nicht mal so besuchen zu können. Selbst jetzt hatten wir nur sehr wenig Zeit miteinander. Bald standen weitere Prüfungen an und ich musste wieder zurück – ganz zu schweigen von Bens absolut vollem Terminkalender.

„Du siehst müde aus", sagte ich, als ich mich – jetzt in Shirt und Jogginghose – neben ihm auf dem Sofa niederließ und mich an ihn schmiegte. Ich spürte, wie sich seine Brust stark anhob und wieder absenkte, als er tief ein- und ausatmete.

„Das ist gar kein Ausdruck", entgegnete Ben matt und sah ins Leere, während er mir deutlich abwesend übers Haar streichelte.

„Wir können auch einfach nur noch einen Film ansehen, dann kannst du dich entspannen", schlug ich vor und er nickte nur schwach.

Wenig später lief irgendein Actionstreifen auf Bens unnötig riesigem Flachbildfernseher, dessen Titel ich längst vergessen hatte. Er war so langweilig und mit so wenig Handlung, dass das sowieso keine Rolle spielte, aber es war auch nicht wichtig. Ich achtete eigentlich nur auf Ben, der mit seinem Kopf in meinem Schoß ruhte und sich der Länge nach ausgestreckt hatte, während ich im Schneidersitz saß. Er war bereits nach ein paar Minuten eingeschlafen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht einmal mehr den kompletten, langen Vorspann mitbekommen hatte. Dennoch hatte ich nichts gesagt und den Film auf reduzierter Lautstärke weiterlaufen lassen. Ich begutachtete sein kastanienbraunes Haar, welches jetzt völlig anders aussah, als noch vor wenigen Monaten bei den Sherlock Dreharbeiten. Die Locken waren nicht mehr so präsent, nur noch etwas an der Stirn und das Haar generell deutlich kürzer. So mochte ich ihn sogar noch viel lieber – er sah verdammt sexy aus. Zusätzlich ließ er sich seit Neuestem einen Dreitagebart stehen. Ben wirkte so friedlich, während er schlief und seine Züge entspannt waren. Eigentlich hatte ich mir meinen Abend mit ihm nach all der Zeit doch irgendwie anders vorgestellt, aber ich konnte ihm seine Verfassung beim besten Willen nicht übelnehmen. Vielleicht konnte ich ihm irgendwie helfen wieder etwas runterzukommen. Der Stress tat ihm definitiv nicht gut.

Irgendwann, nachdem ich genug von meiner eigenen Grübelei hatte, schaltete ich den Fernseher aus und schaute auf die Uhr an der Wand hinter Bens Sofa. Es war zwar erst kurz nach zehn Uhr, aber ich war auch schon etwas müde. So vorsichtig wie ich nur konnte, hob ich Bens Kopf leicht an, rutschte unter ihm hervor und ersetzte mich durch eines der Kissen, die hier überall herumlagen. Kurz befürchtete ich, dass ich ihn geweckt haben könnte, aber er drehte sich nur etwas zur Seite und murmelte leise etwas, ehe er erneut ruhig und gleichmäßig weiteratmete, ohne sich noch einmal zu rühren. Behutsam breitete ich noch die große Fleecedecke über ihm aus und versicherte mich noch einmal, dass er auch wirklich immer noch schlief. Ich lächelte zufrieden, als ich schnell erkannte, dass er in absehbarer Zeit nicht aufwachen würde – Ben hatte einen wirklich tiefen Schlaf. Auf Zehenspitzen schlich ich mich zur Tür und schaltete das Licht aus, ehe ich sie leise hinter mir zuzog.

Leben der Superlative? // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt