Ein beißender Geruch stieg Toga in die Nase, als sie den Experimentpavillon betrat. Die Krypta war normalerweise sehr gepflegt und es wurde immer irgendwo gerade geputzt, aber im Pavillon machte sich keiner die Mühe. Hier lagerten Tiere, die für die Versuche benötigt wurden. Von Zeit zu Zeit gab es auch Menschen, die als Versuchs Objekt bestraft werden, weil sie gemordet haben.
Sie folgte Meister Inpor in einen der zahlreichen Seitenräume. Als sie hinein trat und ihren Blick schweifen ließ, riss sie vor staunen den Mund auf: der Raum war voll mit Produkten die scheinbar einer Sezierung entsprangen waren. Doch was auf den zweiten Blick ins Auge sprang, war der Käfig mit dem nackten Menschen drinnen. Es sieht ganz so aus als ob... Nein das kann nicht sein! Oder doch? Toga riss vor staunen die Augen auf. "Die Prüfung wird daraus bestehen, dass du dir einen Homunkulus erschaffst." sagte Inpor.
Toga zitterte am ganzen Leibe. Ihr Leben lang diente sie und nun bekam sie einen perfekten Sklaven geschenkt. Natürlich kannte sie alle Schritte des Vorgangs, doch war die Erschaffung eines Homunkulus ein schwieriges Unterfangen und sie hatte Angst es nicht zu meistern. "Du weißt was du zu tun hast?" fragte der Meister lakonisch. Toga nickte nur zögerlich und fing mit der Prüfung an.
Man entnehme einem lebenden Menschen sein Herz... Vorsichtig band Toga den Sklaven an eine steinerne Liege fest und griff nach dem Skalpell. Die schreie ihres Opfers überhörend, Durchschnitt sie vorsichtig die bloße Haut und das darunter liegende Fleisch. Dann griff sie umständlich in den zappelnden Sklaven und kappte die Adern und Sehnen. Letztendlich zog sie vorsichtig das Herz aus dem erschlaffenden Körper. Man tunke das Herz in eine Tinktur aus seinem Blut und Siedkraut... Toga zerschnitt die langen Stiele der Siedkrautpflanze und fing den Saft in einer extra dafür angefertigten Röhre auf. Nun ritzte sie sich die Handfläche auf und ließ das Blut sich mit dem Pflanzenextrakt vermischen. Langsam wandelte sich die Farbe von einem rot-weißen Gemisch in ein pechschwarzes. Abschließend legte Toga das Herz mit Vorsicht in das schwarze Elixier und sah zu wie es sich,sich mit der Flüssigkeit vollpumtend, schwarz färbte und wieder zu schlagen anfing. Man entnehme dem Geschöpf, bis auf sein limbisches, alle Teile des Gehirns. Dies bezweckt, dass es nicht mehr eigenständig zu denken vermag... So machte sich Toga an die Arbeit und operierte die vorgegebenen Teile mit gekonnten Stichen und Schnitten ab. Meister Inpor sah bei all dem zu, nichts tuend außer ab und zu verirrten Spritzern der ein oder anderen Flüssigkeit auszuweichen. Man setze das Herz wieder ein und warte auf die Wiederaufstehung des fertigen Homunkulus... So lautete die letzte Stufe der Anleitung und Toga war gerade dabei das Herz zu greifen, als ihr ein Einfall kam: Was soll ich mit einem ganz gewöhnlichen Homunkulus? Wieso nicht einfach ein paar Verbesserungen durchführen...
Nun ließ sie ihre kreativen Impulse die Führung übernehmen: sie nahm Froschlaich und eine Phiole Schichtennebel, die sie beide in eine weitere pechschwarze Masse wandelte. Mit dieser Tinktur rieb sie dem zukünftigen Diener alle Organe ein, die mit den Sinnen arbeiteten. Bei den Augen ging sie besonders vorsichtig vor. Wie wäre es mit Kraft...? Dies als Stichwort benutzend verwandelte sie sich nahezu in einen Wirbelsturm aus - nach allen möglichen Ingedienzen greifenden- Armen. Das letztliche Produkt war ein Destillat aus dem Blut des Hummunkulus, welches sie dem schlaffen Körper durch den Mund einlöste. Schließlich mit ihrer Kreation zufrieden blickte sie zu Inpor. Doch die erwartete Wut blieb aus. Stattdessen waren seine Augen vor Anerkennung und Ehrfurcht weit aufgerissen, anscheinend hatte er verstanden was sie getan hat, doch wäre nie selbst auf die Formeln gekommen. „Ich schätze mal, ich bin fertig.”
Inpor nickte nur und legte das Untote Herz in den Schnitt des Körpers ein. Auf einmal schlossen sich die Operationswunden und die Adern des Mannes färbten sich schwarz. Auf einmal entging ein verhaltenes Keuchen dem Körper und seltsame Zuckungen durchliefen die Leiche. Überall wo ein Körperteil erschüttert wurde, straffe sich die Haut knarzend um beachtliche Muskeln. Stolz betrachtete Toga ihr Werk. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr neuer Sklave schon als Mensch recht ansehnlich gewesen war und ein schönes Gesicht hatte. Es wird mich nicht mal ansatzweise stören ihn in meiner Gegenwart zu spüren.
Auf einmal hörte sie ein schlecht unterdrücktes Schnauben. Als sie sich daraufhin reflexartig umwandte sah sie Meister Inpor beinahe fluchtartig aus dem Raum flüchten. Ein Lächeln kräuselte Togas Lippen. Sie wandte sich wieder zu ihrer Schöpfung um und befreite das Wesen mit dem leeren Blick von seiner Liege. „So nun brauchen wir nur noch einen Namen für dich...“ Der Untote blickte zu ihr hoch und straffe seine Haltung, welche Toga in Gedanken gerade bemengelt hatte. Das bekräftigte Toga noch in ihrer Annahme Erfolg gehabt zu haben,doch dann fiel ihr ein dass sie in Bezug auf Humunkuli nie etwas von einer telepatischen Verbindung gelesen hat und dass auch die anderen vollwertigen Mitglieder der Baronengarde mit ihren Humunkuli sprachen um ihnen zu befehlen. Sie beschloss sich später diesem Thema zu widmen.
Der karge Stuhl drückte in Togas Rücken, als sie auf eine Bewertung ihres Humunkulus von Seiten des leitenden Mentors Ziam, welcher nachdenklich auf den Untoten -der, auf Togas mentalen Befehl hin, vor Ziam posierte- blickte. Endlich öffneten sich seine Lippen und Toga freute sich über das Ende des Schweigens, doch dann atmete Ziam nur kräftig aus. Sie verdrehte genervt die Augen und der Mentor, dem diese unterschwellige Bewegung ins Auge sprang, runzelte irritiert die Stirn.
Nach einer zweiten gefühlten Ewigkeit, setzte Ziam endlich zu einer Antwort auf ihr Werk an: „Was von Anfang an feststand war, dass sie bestanden haben -“ Die Wut kochte in Toga hoch. Dieser Alte Schweißklotz war schon die ganze Zeit fertig?! „Aber um die Rezenzion zu vertiefen, habe ich meine Bedenkzeit ein wenig strapaziert.“ Ah, wirklich...? „Also, äußerlich ist er natürlich perfekt und ich würde auch vermuten, dass es innerlich nichts zu bemengeln gibt, körperlich gesehen. Er hat auch keine, noch so minimale, Zuckungen, was bei ersten Versuchen häufig auftritt. Bis dahin währen wir schon mal bei einer perfekten Bewertung. Dazu muss noch gesagt werden, dass er mir auf den ersten Blick ungewöhnlich stark und muskulös vorkam. Wie sie wissen würde diese Annahme von Meister Inpor bestätigt. Angeblich sollen sie einen modifizierten Homunkulus erschaffen haben. Dazu möchte ich ihnen gratulieren, da kaum jemand eine solche Herausforderung eingeht, schon gar nicht bei einer Prüfung. Hinzu kommt, dass es ihr erster Homunkulus ist. Sie haben glanzvoll die Prüfung bestanden und mit diesem Lob entlassen ich sie nun aus meinem Büro.“
Mit einem schlecht unterdrückten Grinsen auf den Lippen, verließ Toga das prächtig ausgeschmückte Arbeitszimmer und begann sich durch die Krypta zu ihrem Gemach zu begeben. Sie hatte alles erwartet, von einer geringen Strafe bis hin zu einem Verweis. Doch niemals wäre ihr in den Sinn gekommen, dass sie sogar ein Lob einheimsen würde. Mit einem Gefühl, welches Beflügelung gleichkam, legte sie sich auf ihre Pritsche.
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Der Wogenbinder - Das Erbe
FantastikNakodj ist ein Waise. Als die Piraten bei denen er gearbeitet hat gestorben sind erlebte sein Leben eine unglaubliche Wendung. Toga ist auszubildende in der Baronengarde. Als sie bei Baronin Luciquo in den Dienst tritt fing das Abenteuer ihres Lebe...