"Sam? Bist du noch da?"
Caleb stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. Da er ebenfalls ziemlich groß war und man auch durch den Pullover seine breiten Schultern erkennen konnte, wirkte er auf den ersten Blick etwas einschüchternd. Allerdings wusste ich, dass man sich schnell verkriechen und seine Schutzmauern aufziehen kann, wenn man mit etwas zu kämpfen hat, dass einen nicht loslassen will.
"Ja. Ja ich bin noch da", antwortete ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
"Hilfst du uns ihn zu finden? Wir wollen versuchen alles zu klären. Er ist einfach gegangen, ohne irgendein weiteres Wort. Du wirst ihn doch sicher auch wieder sehen wollen, oder?"
Wollte ich?
Die Anspannung verschwand aus Calebs Gesicht und strahlte stattdessen Verzweiflung aus.
"Du hast recht. Ich würde ihn gerne wieder sehen."
Das ehrliche Lächeln, das seine strahlenden Zähne entblößte, redete mir noch im selben Moment ein schlechtes Gewissen ein, als ich hinzufügte: "Aber ich werde euch nicht helfen."
"Was? Wieso?"
"Sein Tod hat alles verändert. Würde er plötzlich zurück in mein Leben kommen, wäre alles um sonst gewesen. Ich müsste mein ganzes Leben neu aufbauen. Undzwar bereits zum zweiten Mal wegen Cole."
Ich atmete durch, ehe ich die Enttäuschung in Calebs Blick aufnahm und versuchte damit umzugehen.
"Als er aus meinem Leben verschwunden ist, hat er kein einziges Mal daran gedacht, was aus mir werden würde. Er war selbstsüchtig und hatte nur an sich gedacht. Jetzt darf ich das wohl auch sein. Das mit deiner Schwester...kann ich nicht rückgängig machen. Aber ihr müsst versuchen ihn ohne mich zu finden."
Kaum hatte ich zu Ende gesprochen, nahm Caleb bereits wieder eine andere Stimmung an. Die Verabscheuung von vorhin war zurückgekehrt und starrte nun herb auf mich hinab.
"Dann wirst du wohl auch nicht so schnell hier raus kommen", knurrte er und warf die Tür mit einem lauten Knall ins Schloß, als er nach draußen stürmte. Damit war das Gespräch beendet.
Die restlichen Stunden vergingen unerträglich langsam und ohne ein Fenster im Zimmer hatte ich keinerlei Ahnung wie spät es war. Es konnte jeden Moment die Sonne gerade auf- oder untergehen. Und da auch niemand die Absicht hatte in mein Zimmer zu kommen, dauert es nicht lange bis mich die ganze Situation einfach nurnoch müde machte. Nichts tun zu können ausser in einem Bett rumzusitzen oder im Raum auf und ab zu gehen, ließ meinen Kopf für ein paar Minuten ausschalten und nicht über diese beunruhigende Lage nachdenken, wodurch ich schneller als beabsichtigt einschlief.
Als ich aufwachte war es plötzlich viel heller als vorhin. Die alte Lampe in dem Zimmer, brachte nur noch schwaches Licht in den Raum. Doch jetzt war es eine strahlende Sonne die mir ins Gesicht schien. Ich kniff meine Augen zusammen bevor ich in das lächelnde Gesicht meines Bruders sah. Er sah noch genauso aus wie ich ihn in Erinnerung hatte und obwohl ich ihn inzwischen schon fast verabscheute, konnte ich nicht anders als ihm um den Hals zu fallen.
Lachend erwiderte er meine Umarmung und vergrub sein Gesicht in meinen langen Locken.
"Ich freu mich auch dich zu sehen, Schwesterherz.""Oh mein Gott. Cole. Du bist hier. Wie?" Überrascht ließ ich ihn los und blickte in verwirrte Augen. Er runzelte die Stirn, konnte sich sein Lachen aber nicht verkneifen.
"Wovon redest du? Ich war doch nie weg, Sam."
Nun war ich wohl diejenige von uns beiden, die Verwirrte war. Ich sah mich um und erkannte, dass wir beide in einem riesigen Garten saßen. Der Garten meines Onkels.
"Cole, du warst 3 Jahre lang weg. Ich dachte du seist tot."
Mein Bruder wich ein paar Schritte zurück und wuschelte anschließend mit seiner Hand durch mein Haar.
"Du spinnst doch", erwiderte er lachend.Je länger er hier vor mir stand und mich einfach nur anlächelte, desto komischer wurde die Situation. Innerhalb weniger Sekunden schien sich alles um uns herum zu verändern. Der Garten unseres Onkels veränderte sich zu einer weitläufigen Wiese, mit dunklen Bäumen und Gebüschen umrandet, die schon fast den selben Nutzen wie ein großer Zaun hatten.
Auch er veränderte sich. Seine schlichte Kleidung wurde durch einen edlen schwarzen Anzug ersetzte, was dazu führte, dass mein Misstrauen die Kontrolle über mich übernahm.
"Cole, was ist hier los?"
Er presste seinen Mund zu einer hauchdünnen Linie zusammen, bevor er mit den Lippen ein Wort formte um mir zu antworten. Doch er wurde bei seinem Vorhaben unterbrochen, als sich eine braune Holzwand zwischen uns schob und meinen Bruder völlig von mir abschirmte. Bei genauerem Hinsehen wurde mir bewusst, dass es sich dabei nicht nur um irgendein Holzbrett handelte, sondern den Deckel seines Sarges, den wir vor ein paar Jahren bei seiner Beerdigung unter die Erde gelassen haben. Ohne, dass ich irgendwas dagegen tun konnte, wurde die Holzkiste erneut in ein tiefes Erdloch gelegt.
Ich wollte es verhindern. Ich wollte ihn retten.
Doch stattdessen blieb ich wie angewurzelt auf der Stelle stehen und sah dabei zu, wie die Beerdigung meines Bruders bereits zum zweiten Mal ablief. Nur war ich dieses Mal vollkommen nüchtern.-----
Was passiert bloß mit Sam? Wird sie etwas wahnsinnig? Hahah
Ich weiß, dass dieses Kapitel ziemlich kurz ist im Vergleich zu dem was ich sonst poste. ^^
Aber da ich momentan viel Vorschreiben muss um auch jede Woche was zu posten, werden die Kapitel manchmal vielleicht etwas kürzer.
Tut mir wirklich wirklich leid.
Aber das hier ist das 2. Kapitel in meinem Advent Special.
Und da diese Woche der 2. Adventsonntag ist, kommen diese Woche natürlich auch insgesamt 2 Kapitel :)Das 3. Kapitel des Specials wird morgen oder Sonntag geuploadet.
lg ines
♡♡♡
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Finding Truth
Teen Fiction(abgeschlossen) Nach drei langen Jahren ist die 18 jährige Sam endlich bereit dazu, den Tod ihres Bruders hinter sich zu lassen und wieder ein geordnetes Leben zu beginnen. Doch als sie plötzlich in einem dunklen Zimmer ohne jegliches Gefühl für R...