Kaninchenbau zum Wunderland

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Folge dem Kaninchen, auf ins Nimmerland der verlorenen Gedanken. Auf zu den Gräbern der verblassten Träume und unerfüllten Wünsche. Diese Art von Wunderland ist Schutt und Asche, schwärzer als der Tod und tiefer als jeder Schlaf.

Ich versinke, doch erwache. Ich habe die Realität nie gemocht, jedoch kann ich mich nicht in die Erinnerungen flüchten, die mir Wärme und Geborgenheit schenken könnten. Sie sind fort, alle fort.

Statt in sanftmütigen Wahrheiten, flüchte ich mich in Lügen, finde Schutz hinter ihren steinernen Mauern. Meine Finger fahren über ihre raue Oberfläche, weinen Blut, schreien bitterlich. Die Lügen sind zu real um unwirklich zu sein. So wie meine innigsten Träume und düstersten Gedanken. Ich verstecke sie mit einem Lächeln, begrabe sie unter sanften Worten. In dieser Außenwelt existieren sie nicht, doch in meinem Kopf sind sie penetrant. In meinem Gedächtnis haben sie sich eingenistet, ihre Netze gewoben - satt und fest - wie Spinnen. Sie sind da, ich kann sie fühlen. Sie beißen und Schaben, toben und kreischen. Mein Oberstübchen wird bewohnt von Spuk, heimgesucht von Poltergeister, den erstorbenen Seelen in der grausamen Einsamkeit. Sie sind da, drohen herauszubrechen und niemand ahnt sie.

Die Gefahr rückt näher heran, huscht unmerklich wie tanzende Schattenkreaturen der Nacht über die Wände.

Manchmal wollen die mordenden, kreischenden Worte meiner Kehle entkommen, mit einem schrillen Erschüttern. Stattdessen nicke und lächle ich. Lächle und nicke wie ein artiger Engel, ein zierliches Wesen aus Glas. Meine Haut ist Seide, meine Knochen Porzellan.

Ich trage eine Maske über dem entstellten Gesicht, verberge die Knopfaugen über den starrenden, leeren Höhlen. Verberge meine angehefteten Mundwinkel und die mit Garn zugenähten Lippen.

Mein wahres ich, das Ebenbild meines ergrauten Herzen, verkriecht sich im Schutz des Höllenstegs, wo niemand mein gutgeglaubtes Wesen vermutet.

Doch im Nimmerland, dem Lügenparadies, bleibt die Grausamkeit ungelogen. Im Land meiner erbauten Wunder, da scheue ich mich nicht, die Maske auszuziehen.

Diese Geschichte ist der Spiegel meines mentalen Leiden und der Spinnen in meinem Kopf.

Diese Geschichte ist mein Nimmerland, wo die Gedanken verloren und die Träume jung bleiben.

Das hier ist der Kaninchenbau zum Wunderland, das so verlogen wie wahr ist.

Entscheide selbst ob du es wagen kannst, dem schwarzen Kaninchen, mit den zerfleischenden Augen und den blutverschmierten, spitzen Eckzähnen zu folgen. Entscheide selbst, ob du die Mauerungen der Angst durchbrechen kannst.

Ich zumindest kann es nicht. Ich kann nur lügen und verschweigen.


Nimmer Nimmerland - Ort der verlorenen GedankenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt