Erste Aufnahme

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„Guten Tag. Nein Name ist Magdalena Maier. Ich arbeite für das Bundeskriminalamt. Ich hoffe es stört Sie nicht, dass wir dieses Gespräch aufzeichnen? Nein? Gut, danke für ihr Verständnis. Könnten Sie bitte einmal Ihren Namen laut sagen?"

„Erna Graf. Mein Name ist Erna Graf."

„Sehr schön, Frau Graf. Ich möchte Ihnen zu Beginn ein paar allgemeine Fragen stellen, ist das in Ordnung? Also gut. Wie alt sind Sie?"

„Ich bin neunzehn Jahre alt... Tut mir leid....vierundzwanzig...Ich bin vierundzwanzig Jahre alt."

„Was machen Sie beruflich?"

„Ich arbeite bei einer kleinen Regionalzeitung als Lektorin."

„Sie waren noch ganz schön jung, als Sie dort angefangen haben, nicht? Wie haben Sie das geschafft, ohne abgeschlossenes Studium?"

„Ich habe während meiner Schulzeit ein Praktikum dort gemacht, im Sommer als ich fünfzehn war. Ich habe es dort geliebt, einfach alles dort. Die Atmosphäre, die Mitarbeiter und natürlich auch die Arbeit. Auch nach dem Ende bin ich mit allen in Kontakt geblieben. Da wussten sie schon, dass ich es liebe zu schreiben. Nur in einem war ich besser: Texte zu korrigieren. Und als ich dann mit der Schule fertig war, fragten sie mich, ob ich nicht bei ihnen anfangen wolle."

„Und Sie haben angenommen?"

„Ja, ohne eine Sekunde zu zögern. Das war mein Traum, diese Chance konnte ich nicht einfach verstreichen lassen."

„Darf ich fragen, wie Ihre Umwelt darauf reagiert hat?"

„Versuchen Sie gerade herauszufinden, ob ich Neider habe, die mich aus dem Weg schaffen wollen würden?"

„..."

„Natürlich wird es manche gegeben haben, die eifersüchtig waren. Ich glaube das lässt sich nicht vermeiden, wenn jemand so ein Angebot bekommt, gleich nach dem Abschluss der Schule. Aber die, mit denen ich in Kontakt geblieben bin, haben sich mit mir gefreut oder zumindest sehr überzeugend geschauspielert"

„Ich sehe, Sie reden nicht gerne um den heißen Brei herum."

„Nicht, wenn es nichts bringt. Ich möchte wissen, was zur Hölle passiert ist!"

„Da sind Sie nicht alleine. Ich kann Ihnen erzählen, was wir bisher wissen, aber zuerst möchte ich Sie fragen, an was Sie sich erinnern. Können Sie mir sagen, was am 12. Dezember 2012 passiert ist?"

„Ich habe gearbeitet. Im Büro ging eine Grippewelle um, viele Kollegen fielen also aus und dazu kam noch das große Weihnachtsspecial, das noch nicht mal ansatzweise fertig war. Jeder musste mit anpacken. Abends ging ich dann nach Hause. Ich hatte Kopfschmerzen und fürchtete, dass ich mir auch was eingefangen hatte. Als ich dann zu Hause war, habe ich meinen Wohnungsschlüssel nicht gefunden, also habe ich angeläutet. Und dann... dann war da dieser Fremde mit meinem Schal..."

„Ihr Bruder."

„Ja, mein Bruder. Mein nerviger kleiner Bruder, der erst elf Jahre alt war, als ich in der Früh das Haus verließ."

„Möchten Sie ein Taschentuch?"

- Ein leises Knistern ertönt. Jemand schnäuzt sich. -

„Brauchen Sie eine Pause?"

„Nein....nein, es geht schon..."

„Was ist danach passiert?"

„Danach passierte alles plötzlich viel zu schnell. Meine Mama begann zu weinen, wie ich noch nie jemanden weinen gesehen habe. Mein Bruder traute mir nicht. Er versuchte Mama von mir weg zu bekommen und rief die Polizei. Und von dort an sollte alles in meiner Akte stehen. Ich musste die Narbe an meinem Bein zeigen und DNA-Tests wurden gemacht und als ich nicht aufhörte zu fragen, was passiert war, brachte man mich in eine Klinik und versuchte mir schonen beizubringen, dass ich die letzten fünf Jahre als vermisst gemeldet war. Irgendwann brach ich dann einfach zusammen. Es war, als würde mein Gehirn einfach abschalten. Alles war plötzlich zu laut und zu schnell. Ich konnte nicht mehr richtig atmen. Mir wurde übel und zu kalt und danach lag ich plötzlich in einem Krankenbett und man hatte mir ein Beruhigungsmittel gespritzt. Das was vor drei Tagen. Während ich im Krankenhaus war, hatte ich unzählige Arzttermine, die mich untersuchten um irgendeinen Hinweis darauf zu finden, was passiert ist, als....als ich weg war."

„Ich habe die Dokumente dazu gelesen. Das ist eine ganze Menge...."

„Sechs schlecht verheilte Brüche, der jüngste eine gebrochene Rippe, wahrscheinlich durch Schläge herbeigeführt, nicht älter als ein halbes Jahr. Unzählige Narben am ganzen Körper, unter anderem von einem tiefen Schnitt am Bauch, eine an der Halsschlagader von einer Wunde die mir beinahe das Leben gekostet hätte, und eine verdammt großer Narbe an der Wange, wegen der ich jetzt aussehen, wie ein Freak. Kein Hinweis auf Drogeneinfluss. Wahrscheinlich war ich zeitweise mangelernährt...."

„Brauchen Sie eine Pause? Möchten Sie noch ein Taschentuch?"

- Ein leises Knistern ertönt. Schritte nähern sich, etwas wird auf dem Tisch abgestellt. -

„Ich denke es ist besser, wenn wir ein andermal weitersprechen, ist das in Ordnung für Sie, Frau Graf? Ruhen Sie sich aus, hören Sie?"

- Ende der Aufnahme -

The past five yearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt