Zweite Aufnahme

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"Möchten Sie mir erklären, was zur Hölle heute nach Erna Grafs Verhör passiert ist?"

"Ich..ich glaube nicht, dass ich das kann. Ich denke nicht, dass ich das nötige Wissen habe,..."

"Ich will gar nicht, dass Sie irgendwelche Spekulationen aufstellen. Ich will nur wissen, was los war. BEVOR ich mir die Aufnahmen der Überwachungskameras ansehe!"

"Hören Sie, ich habe keine Ahnung, was passiert ist! Wir hatten ein normales Gespräch geführt, ohne irgendwelche Besonderheiten. Es war um einiges kürzer als geplant, da Frau Graf etwas aufgelöst war - aber das dürfte in ihrer Situation wohl normal sein. Es war immer ein Psychologe in der Nähe und wir haben das Verhör abgebrochen, sobald es Frau Graf zu viel wurde. Der Psychologe blieb mit ihr noch im Warteraum, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Sie war relativ bald wieder stabil und Doktor Andersson bat mich, kurz bei ihr zu bleiben, damit er schnell auf die Toilette und eine rauchen gehen könne. Er versicherte mir, dass es Erna gut ginge und sie nur noch auf ihr Taxi warten würde. Und für den unwahrscheinlichen Fall eines Notfalls gab er mir seine Nummer. Frau Graf bestätigte mir, dass das auch für sie in Ordnung sei."

"Und dann ganz plötzlich war es nicht mehr in Ordnung? Ganz plötzlich versteckt sie sich einfach mal so unter der Sitzband und beginnt zu schreien?"

"Verdammt, ich weiß ja selbst nicht so genau, was passiert ist! Frau Graf begann sich irgendwann umzusehen, so als wüsste sie nicht mehr so genau, was sie hier eigentlich macht. Sie schien immer ängstlicher zu werden. Ich habe sie angesprochen, dass bewirkte aber nur, dass sie noch panischer wurde. Sie flehte mich an, ihr nichts zu tun. Verdammt, das Mädchen konnte sich nicht mal mehr an ihren Namen erinnern!"

"Frau Müller, darf ich Sie daran erinnern, dass ich Zugriff auf die Bilder der Überwachungskamera erinnern?"

"Bitte, schauen Sie sich die Aufnahme an! Ich weiß, dass sich das alles verdammt verrückt anhört, aber das war es auch! Ich könnte mir sowas nie ausdenken! Ich sage die Wahrheit. Warum sollte ich sie so bedrohen und einschüchtern, dass sie das Bedürfnis hat, sich zu verstecken? Was würde mir das für einen Vorteil bringen?"

"Das frage ich Sie. Frau Müller, ich arbeite jetzt seit fast zehn Jahren mit Ihnen zusammen und Sie sind in dieser Zeit kein einziges Mal negativ aufgefallen. Aus diesem Grund wollte ich zuerst ein persönliches Gespräch mit Ihnen führen, bevor ich mir das Band ansehe. Wir haben hier strenge Vorschriften und wenn Sie dagegen verstoßen haben, dann wird das Folgen haben. Deswegen bitte ich Sie mir die Wahrheit zu sagen. Wenn Sie sich selbst anzeigen, dann könnte ich versuchen ein geringeres Strafmaß für Sie heraus zu handeln."

"Ich weiß! Aber ich habe nie gegen eine Vorschrift verstoßen, gegen keine einzige!"

"Ich glaube ja auch gar nicht, dass Sie das absichtlich getan haben. Und wenn doch, dann hatten Sie sicher einen verdammt guten Grund dafür. Aber Sie werden verstehen, dass es Folgen haben wird, sollte ich herausfinden, dass Sie mich angelogen haben. Ich rate Ihnen also, mir JETZT die Wahrheit zu sagen."

"Das ist die Wahrheit! Frau Graf nannte sich plötzlich Lena! Sie sagte, dass sie fünf Jahre alt sei und sie wollte sich vor mir ausziehen, aus welchen Gründen auch immer! Sie hat mich angefleht ihr zu helfen und IHN zu verhaften, wen auch immer sie gemeint hat. Sie hat es mir nicht erklärt, denn sie hat die Überwachungskameras bemerkt und bekam eine Panikattacke. Den Rest der Geschichte kennen Sie ja. Sie versteckte sich unter der Bank und schrie als wolle sie jemand umbringen. Ich habe den Krankenwagen verständigt und Herrn Andersson angerufen. Sie brauchten fast eine Stunde um Erna auch nur ein bisschen zu beruhigen. Ich habe während meiner Karriere bei der Polizei schon vieles gesehen, aber noch nie bin ich einem Menschen mit so großer Angst begegnet. Bitte, schauen Sie sich das Videomaterial an. Sagen Sie mir, was ich falsch gemacht habe - denn ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich habe alle Regeln nach bestem Wissen und Gewissen befolgt."

"Wissen Sie, ich hoffe wirklich, dass Sie die Wahrheit sagen. Gerade jetzt, wo in den Fall "Erna Graf" endlich wieder ein bisschen Bewegung kommt - ich brauche jeden Mitarbeiter, jede helfende Hand, die ich irgendwie bekommen kann. Sie sind eine meiner besten Mitarbeiterinnen. Bitte bleiben Sie das auch. Lassen Sie uns nicht im Stich, nicht jetzt!"

The past five yearsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt