Kapitel III

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Irgendwie kam mir diese gesamte Situation enorm lächerlich vor. Nein, sie kam mir nicht nur so vor, sie war eindeutig lächerlich. Geradeso, als würde man sich über mich lustig machen. Vermutlich war es nicht einmal mit Absicht dazu gekommen und natürlich mussten gewisse Regelungen eingehalten werden, sodass nicht jeder Schüler wegen jedwedem Pipapo eine Sonderbehandlung verlangen konnte, aber es erschien mir doch sehr unsinnig, dass ich am Sportunterricht teilnehmen musste.

Also saß ich nun hier am Rande des Spielfeldes in der geräumigen Turnhalle und beobachtete wie meine Mitschüler eifrig mit ihren Basketbällen durch schwierig wirkende Slaloms trippelten oder versuchten die runde Kugeln in den Körben zu versenken. Das Quietschen der Gummisohlen und das Knallen, wenn die Bälle auf den Boden auftrafen, echote in meinen Ohren, während auf meinen Knien ein geöffnetes Mathebuch zusammen mit den passenden Aufzeichungen lag.
Allerdings war die Aufgabe, welche ich bereits seit gut zehn Minuten versuchte zu bearbeiten immer noch ungelöst und unter der Ziffer vier prangte immer noch gähnende Leere. Stattdessen war ich dazu übergegangen gedankenverloren am Ende meines Kugelschreibers zu kauen und meine tobenden Mitschüler zu beobachten, wie sie den Anweisungen des Sportlehrers folgten und hin und wieder vom Pfeifen der Trillerpfeife zwischen dessen Lippen zurechtgewiesen wurden, wenn sie mal wieder zu viel Unsinn trieben.
Leise schnaubend senkte ich meinen Blick wieder auf das karrierte Blatt und die zu lösenden Gleichungen, doch erneut übergingen meine Augen diese einfach und fuhren stattdessen die Konturen der bunten Linien, welche die unterschiedlichen Felder für unterschiedliche Sportarten abtrennten, nach. Basketball, Tennis, Badminton. Für jedes Feld gab es eine andere Größe oder Form. Für mich sah das Ganze allerdings recht unverständlich aus und ich hätte nicht sagen können, wo das eine Feld anfing und das andere endete. Mein Interesse in Sport schien sich generell in Grenzen zu halten, wie mir schien. Von dem Gefährt unter meinem Hintern einmal abgesehen.
Erneut überkam ein Schnauben meine Lippen und ich reckte meinen Oberkörper ein wenig.
Als ich das letzte Mal auf die Uhr gesehen hatte, waren es nur noch zwanzig Minuten, weshalb es auch keine große Verwunderung war, als der Lehrer durch erneutes Pfeifen den Unterricht für beendet erklärte. "Das war's für heute. Hannah und Allyson? Würdet ihr Amber und Chloe gerade noch beim Abbauen des Parcours helfen? Ansonsten sehen wir uns nächste Woche wieder, ihr Lieben!"

Wild quatschend verschwand der Großteil der Klasse aus der Halle, um hinüber zu den Umkleiden zu gehen und sich auf den langersehnten Heimweg zu machen, während die vier angesprochenen mehr maulend als glücklich die Requisiten bei Seite und in einen seperaten Raum an der Längsseite der Turnhalle hievten.
Auch ich machte mich langsam auf den Weg die Halle zu verlassen, wobei ich weitaus langsamer vorankam, als ich es gewohnt war. Es war doch ein seltsames Gefühl auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen zu sein und selbst nach all diesen Wochen auf diesem Teil konnte ich mich nicht an den Rollstuhl gewöhnen. Er kam mir immer noch wie ein Fremdkörper vor, welcher sich mir mehr in den Weg stellte als mir diesen zu vereinfachen. Amber und Chloe eilten mit zusammengesteckten Köpfen an mir vorbei und würdigten mich keines Blickes als sie durch die Flügeltür schritten und um die nächste Ecke verschwanden.
Auch daran musste ich mich gewöhnen: Eigentlich hatten so gut wie alle meiner Mitschüler mich freundlich empfangen, was bereits dafür gesorgt hatte, dass einer der Steine auf meinem Herzen sich zu lösen begann. Bis auf ein paar Wenige, welche mich entweder ganz mieden oder aber wie Amber und ihre Freundinnen immerzu über mich zu tuscheln schienen, wenn ich ihren Weg kreuzte. Doch ich vermutete mal, dass dies normal war auf einer Schule: Entweder die Leute mögen dich oder eben nicht. Ein Zwischending schien es kaum zu geben.

"Debrah, warte doch bitte kurz!", hörte ich die Stimme des Sportlehrers zu mir durchdringen, was mich kurz innehalten ließ, bis der blonde Mann mich erreicht hatte. "Wenn du möchtest kannst du auch den Unterricht ausfallen lassen. Ich sehe keinerlei Sinn darin, dich hier zwei Stunden schmoren zu lassen. Du könntest stattdessen doch in eine der AGs eintreten. Es gibt einige, die gut und gerne etwas Unterstützung gebrauchen könnten und so hättest du deine Zeit wenigstens sinnvoll genutzt."
Ich nickte langsam, während ich den Rollstuhl um die nächste Ecke manövrierte und blinzelnd das Licht des trüben Tages auffing, was dennoch im Vergleich zu der Hallenbeleuchtung ungewohnt hell erschien.
"Wenn Sie meinen. Ich werde mich morgen dann mal danach erkundigen", fügte ich schließlich hinzu, wobei ich zeitgleich am Reißverschluss meiner Regenjacke nestelte, um diesen zu verschließen. Mit einem Lächeln legte Mister Copeland mir eine Hand ganz leicht auf die Schulter, um diese zu tätscheln, ehe er sich schließlich mit einem "Das ist gut" zum Gehen wandte und schließlich wieder im Inneren der Halle verschwand.

Second ChanceWhere stories live. Discover now