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Eine Woche darauf war die Beerdigung angesetzt. Valeria trug ein schlichtes, schwarzes Kleid, darüber einen alten, ebenfalls schwarzen Mantel, der früher mal ihrer Mutter gehört hatte und ihr entsprechend zu gross war.
Auch ihr Bruder hatte Probleme dabei, ein passendes Outfit zu finden, da er unbedingt seinen neuen hellblauen Pullover anziehen wollte.
«Warum muss es denn ein schwarzes Hemd sein?», quengelte er.
«Weil es eben die Farben der Trauer sind», entgegnete ihre Mutter geduldig, die sich wohl mit ihrer Trauer auseinandergesetzt hatte und nun nicht mehr andauernd so gereizt war, anders als Valerias kleiner Bruder.
Daraufhin wollte er natürlich wissen, weshalb das denn so war.
«Nun, in einer Sage zum Beispiel tragen die Leute an Beerdigungen Schwarz, damit sie die Geister nicht sehen können und jetzt zieh das Hemd an», fügte sie hinzu.

Einige Stunden später stand schliesslich die ganze Familie, sogar Valerias Onkel, den sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, beisammen vor dem Grab und schauten betrübt auf das Holzgestell, welches noch unbedeckt im Erdloch lag. Der Pfarrer sagte einige Worte, irgendwas davon, dass sie bestimmt eine sehr liebenswürdige Person gewesen sein muss. Er erzählte Dinge über ihre Grossmutter, die er wohl kaum von ihr wissen konnte. Nur erreichte kein einziges dieser Worte Valeria, die nur stumm auf den Sarg starrte. Sie hörte einige Schluchzer und das Schniefen ihrer Verwandten, was sie zwar berührte und traurig stimmte, doch sie selbst vergoss keine einzige Träne. Es war ihr aus unerklärlichen Gründen einfach nicht möglich, sich ihre Grossmutter, oder die Überreste jener, in diesem Sarg vorzustellen, der doch bloss aus ein paar Holzwänden bestand. Es kam ihr seltsam vor, zu wissen, dass da einfach ihr Körper liegen sollte und sie diesem hier und jetzt auf Wiedersehen sagen müsse, einer leeren Hülle, von der niemals mehr ein Ton erklingen würde. Als sie schliesslich die Beerdigung verliessen, hatte sie noch immer ein leeres Gefühl in sich, das sie nirgends zuordnen konnte. Es fühlte sich nicht so an, als wäre ihre Grossmutter nun endgültig von ihnen gegangen, selbst wenn es allen Tatsachen entsprach.

VerabschiedungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt