2.1 Geburtstag (kein Youtube)

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„Ach fuck ey!"
Fluchte ich, als meine Wimperntusche zum dritten Mal heute auf den Boden gefallen war.
An sich lief heute alles nach Plan und alles funktionierte bislang so wie ich es mir vorgestellt hatte. Nicht.

Dieses Jahr sollte das erste Mal sein, dass ich den Geburtstag eines Freundes nicht im kleinen Kreis mit seiner Familie und ein paar Freunden feiern, den Nachmittag über nichts weiter tun als Kuchen essen und komische Spiele spielen und schon 18 Uhr wieder abgeholt werden würde.

Nein, dieses Jahr sollte in diese Routine ein wenig Abwechslung kommen.
Eine Woche vorher wurde ich nämlich -völlig unerwartet- von einem guten Freund eingeladen, schon am Tag zuvor gemeinsam mit seinen Freunden in seinen achtzehnten Geburtstag reinzufeiern.

Er meinte auch, dass ich sogar eine Freundin von mir mitbringen dürfte. Dementsprechend traf ich schon vor Tagen einige Vorbereitungen, plante das Make up meiner Freundin und mir, räumte zur Abwechslung mal mein Zimmer auf und bezog die Betten neu.

Doch kaum als ich am Tag des Geschehens aufgestanden war und mein Handy in der Hand hielt, wurde mir klar, dass ich mir die ganze Mühe mit den Vorbereitungen nicht hätte machen müssen. Madame hatte mir abgesagt. Ohne jegliche Begründung oder Entschuldigung.

Was mach' ich denn jetzt? Soll ich alleine hingehen? Wenn ich jetzt absage wird mich Alex bestimmt nie wieder einladen. Aber ich kenne doch keine Sau dort. Ach scheisse.

Tausend Fragen schwirrten durch meinen Kopf, sämtliche Szenarien malte ich mir aus, was jetzt alles schief gehen könnte, wenn ich mich alleine dort hin begeben würde.

Ich könnte umkippen und keiner wüsste, was mit mir los ist. Ich könnte von ekelhaften Typen angebaggert werden und ich hätte niemanden, der mir hilft die loszuwerden. Ich könnte feststellen, dass mein Schwarm eine Andere hat und doch nicht -wie ich eigentlich vermute- single ist. Und das Schlimmste; Ich werde absolut niemanden zum Lästern, geschweige denn Reden haben.

Langsam stieg auch ein wenig Panik in mir auf und mein armes kleines Herz lief schon Vormittags auf Hochtouren. Das alles würde ich riskieren, wenn ich mich trotz alledem zurecht machen und mich dorthin begeben würde.

Andererseits würde dies wahrscheinlich die einzige Chance sein mit meinem Crush feiern zu können. Ich wäre ziemlich dumm, wenn ich sie nicht ergreifen würde, denn nochmal würde ich bestimmt nicht eingeladen werden, wenn ich zuvor immer Absagen verteilt hätte.

In einem Zwiespalt zu stecken, der sich anfühlt, als würde man sich zwischen dem Leben und dem Tod entscheiden müssen, ist wahrscheinlich für jeden nicht besonders leicht zu händeln.

Lange Rede, kurzer Sinn, nach weiteren 10 Minuten in denen ich mir sämtliche Horrorszenarien ausgemalt hatte, ging ich schließlich zu meiner Mutter, um diese nach Rat zu fragen.

Und wie könnte es auch anders sein? Sie riet mir natürlich mein Leben nicht abhängig von Freunden zu machen und mein Leben zu geniessen. Sprich, ich sollte versuchen mich zu überwinden alleine auf die Party zu gehen.

Ach scheiss drauf.

Kurzerhand zückte ich mein Handy und schrieb Alex, dass ich heute Abend alleine kommen würde, worauf er mir aufmunternd antwortete, dass wir uns auch alleine einen schönen Abend verbringen würden.

Und nun saß ich an meinem Schminktisch, hob die Mascara wieder auf und versuchte mein Gesicht nicht zu sehr zu verunstalten. Komischerweise, nachdem Einiges heute schon schief gegangen war, sah ich im Endeffekt gar nicht mal so schlecht aus. Der Lippenstift hing mal nicht an den Zähnen und meine Wimpern verklebten sich nicht alle zu einem einzigen schwarzen Bündel.

Noch schnell die Haare zu einem Zopf zusammenbinden, damit mich meine Haare in meiner Fresse nicht stören und ich mich nicht darum kümmern müsste, dass jede Strähne an ihrem Platz liegen muss. Dann zog ich mir eine dunkelblaue Jeans und ein teilweise Rückenfreies, graues Shirt an und schon war ich -zumindest optisch- bereit für den heutigen Abend.

Die beim Schminken zum Teil vergessene, zum Teil verdrängte Angst vor dem, was heute alles schief gehen könnte, kam dann erst im Auto wieder auf. Am liebsten wäre ich aus dem Auto gesprungen und nach Hause gelaufen. Und zwar so schnell wie möglich. Aber ich denke nicht, dass es so clever gewesen wäre bei 70 km/h aus dem Auto zu springen und mir dabei sämtliche Knochen zu brechen.

Fuck fuck fuck fuck fuck!

Meine Mutter parkte natürlich vor dem großen Hoftor auf der Straße, statt, wie jeder andere, der mit mir ankam, in den Hof hineinzufahren. „Ich will nicht." murmelte ich mehr zu mir, als zu meiner Mutter. „Jetzt ist es zu spät. Du schaffst das schon." wollte sie mich aufmuntern.

Noch einmal tief durchatmen und schon setzte ich mich langsam in Bewegung auszusteigen. Ich glaube mir war diese alltägliche Tätigkeit noch nie zuvor so schwer gefallen, als an diesem Tag.

Ich wusste weder was, noch wer mich erwarten würde. Mein ganzer Körper zitterte, zwar zum Teil wegen der Kälte an diesem Herbstabend, jedoch hauptsächlich aufgrund meiner extremen Nervosität.

Unsicher trugen mich meine Füße mit kleinen vorsichtigen Schritten über den Hof, als ich schon an den ersten Gästen vorbei lief. Mehr als ein noch kleineres und noch ängstlicheres „Hallo" brachte ich nicht heraus. Das müsste reichen oder sie haben eben Pech, wenn sie es überhört hatten.

Doch zu meinem Glück konnte man es anscheinend verstehen, denn anders als mein ängstliches „Hallo" bekam ich das selbe Wort viel offener und warmherziger zurück.

Und kaum hatte ich mal einen klitzekleinen Silberschweif am Horizont gesehen, hieß es in den nächsten Sekunden wieder Peinlichkeit bitte auf Level 9000 stellen. Ich stand nämlich wieder ganz allein auf der einen Seite des Hofes, während alle anderen sich auf der anderen Seite herzlich und vor allem ausgiebig begrüßten.

Normalerweise wäre ich schon längst nach drinnen gegangen und würde nicht so unbeholfen rumstehen, peinlich berührt durch die Gegend schauen und mein Gewicht alle paar Sekunden von einem Bein auf das Andere verlagern.

Ich hatte aber auch beim besten Willen keinen Bock schon als Erste durch die Tür zu marschieren, wenn alle noch draussen standen.

Oh jetzt. Schnell hinterher!

Ein Mädchen machte den Anfang und begab sich zum Eingang. Um meiner peinlichen Rumsteherei ein Ende zu setzen, folgte ich ihr so flink und so unauffällig wie möglich.

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