10.Kapitel ~ Reise zu Ende?!

3K 113 9
                                    

Ich habe 22 Stunden Flug hinter mir. Es war eine Qual. Das lange Sitzen und langweilig aus dem Fenster zu schauen, ist anstrengend. Zwar liebe ich es, alles von oben zu sehen, doch nach 22 Stunden Flug, denkst du das nicht mehr so und betest innerlich, dass es bald ein Ende hat. Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Während ich auf meinem Koffer warte, schaue ich auf meinem Handy, wo ich schon 17 Nachrichten von meinem Dad hab.

Melde dich wenn du angekommen bist
Ich hoffe dir geht es gut
Ich hätte es dir verbieten sollen
Was ist wenn etwas passiert?

Ich lese noch den Rest der Nachrichten und grinse den Display an. Heeyyy..mir geht es gut. Ich bin gerade gelandet und der Flug war ganz okay. Ich tippe die Nachricht schnell und versende sie. Als ich nach dem Koffer schaue, sehe ich, dass ein roter ankommt und schon schnappe ich ihn mir vom Laufband.

Mit meinem Koffer, den ich jetzt hinterher ziehe, fühle ich eine Erleichterung in mir ausbreiten. Während ich an vielen fremden Menschen vorbeigehe, die sich in verschiedenen Sprachen unterhalten, nehme ich hier und da einzelne Wortfetzen aus den Gesprächen auf.

Innerlich hoffend, dass ich die richtigen Schilder folge, stehe ich nach paar Sekunden auf einer Rolltreppe. Ich beobachte die Umgebung und die Menschen, als wäre ich zum ersten Mal auf dieser Erde. Als würde ich mein ersten Atemzug machen und das Leben einfach spüren. Eigentlich, wie ein neugeborener und so fühle ich mich auch. Neu geboren. Ein anderer Mensch. Diese Gefühl ist unbeschreiblich und lässt mich glauben, dass ich mein altes langweiliges Leben abschließen kann und mit etwas neues anfange.

Ich lasse meinen Blick schweifen und schaue aus dem Fenster. Ich sehe zum ersten Mal den Himmel in Australien. Es ist dunkelblau draußen und der Mond leuchtet grell, was mir verrät, dass es Nachts ist.

Obwohl ich müde bin und ich mich am liebsten ins Bett schmeißen will, schaffe ich es nicht, meine Augen für zwei Sekunden zu schließen. Allein das blinzeln lässt mich glauben, das ich etwas spannendes verpassen könnte.

Doch natürlich taucht auch die Unsicherheit in mir auf. Ich weiß nicht, wie meine Gastfamilie aussieht oder wo sie hier sein könnte. Also strecke ich mich in die Luft, hebe und drehe mein Kopf hin und her, schau mir Menschen an, die eventuell meine Gastfamilie sein könnte.

Mir wird erst jetzt bewusst, das ich wirklich hier in Sydney bin. In einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent und das ganz alleine. Auf der Unterlippe kauend, wippe ich mit meinem Fuß vor und zurück. Wo und wer ist meine Gastfamilie nun? Die Ruhe, die noch vor zwei Minuten bei mir stattgefunden hat, ist komplett  verschwunden und stattdessen breitet sich Verzweiflung und Panik in mir aus. Und nun stelle ich mir auch Fragen an, bei dem ich zuvor nie gedacht daran gedacht habe. Wird meine Gastfamilie mich mögen? Haben sie Kinder und wenn ja, würden sie mich auch mögen? Sind sie überhaupt nett?

Doch als ich endlich die Rolltreppe verlassen hab, sehe ich eine Familie, die eine Deutsche Flagge halten. Darauf wurde mit Edding -Welcome to Syndey- bekritzelt. Doch mehr auch nicht. Kein Name. Nichts. Nada. Nothing. Niente.

Okay Amanda reicht, chill mal ne Runde und vergiss das Atmen nicht!

Ich weiß nicht mal, ob es sich um meine Gastfamilie handelt. Die Flagge kann auch ein Zufall sein, oder? Vielleicht wartet sie auf eine andere Person.

Als ich anschließend unten an der Rolltreppe ankomme, steuere ich auf die Gastfamilie zu. Ich bin mir nicht sicher, aber wer nicht wagt, gewinnt auch nicht.

Die Frau schwenkt die Flagge euphorisch hin und her, als würde ihr Leben daran hängen und schaut sich die Gegend an, als suche sie etwas. Sie hat dunkelbraune Haare und eine gebräunte Haut. Ich könnte meine Hand ins Feuer legen, dass sie definitiv nicht aus Australien kommt. Sie ist zwar nicht groß, doch ihr Herz dafür so doppelt. Allein, wie sie die Flagge schwingt, ist als Beweis genug. Sie macht das mit so viel Willenskraft und Liebe, das sie sogar das ganze Flughafen zum erhellen bringt.

Der Mann daneben scheint sofort wie ein Australier. Dazu kommt noch, dass er ein Gegenstück zu der Frau ist.
Er trägt ein schlichtes, hellblaues Hemd und eine ganz normale Jeans. Seine schwarzen Haare stehen wirr vom Kopf und selbst aus dieser Entfernung, sehe ich seine braune Augen. Doch sie leuchten nicht, sondern sehen eher Müde aus. Trotzdem merkt man, dass er glücklich ist.

Mein Blick wandert weiter und sehe einen Jungen. Er ist etwa 20 Jahre alt und scheint gestresst zu sein, denn er telefoniert mit jemanden und schwingt seine Hände durch die Luft, als würde es die Person sehen, welche Gestik er macht. Ob er hier gerne im Flughafen ist, kann man nicht beurteilen, denn ich sehe seinen Gesichtsausdruck nicht.

Auch wenn ich fast neben denen bin, scheint mich keiner wahrzunehmen, als wäre ich unsichtbar, wie Luft. 

Doch als der Junge seinen Telefonat beendet, scheint er sich etwas abgeregt zu sein.

,,Mom, also er müsste hier bald kommen" sagt er und schaut mich kurz an. Immerhin, jemand der mich gesehen hat. Es ist ungewöhnlich, die Leute auf Englisch sprechen zu hören.

,,H-hey seit ihr die Familie Collins" Frage ich schüchtern und nun liegen alle Blicke auf mich. Doch diese sehen mich verwirrt an.

,,Ja und du bist?" fragt mich der Mann freundlich.

,,Ich heiße Amanda Reichert und bin eure Austauschschülerin" sage ich etwas selbstbewusster und nun sehe ich die geschockten Gesichter, die mir kein gutes Gefühl geben. Was ist bitte hier los?

,,Ich glaube du bist bei uns falsch" mischt sich der Junge ein und schaut mich und seinen Eltern hin und her an.

,,Hast du irgendwelche Informationen zu den Gasteltern, die dich heute erwarten?" fragt die Frau und ich nicke.

Nachdem ich aus der Tasche einen Zettel rausgeholt habe, wo die ganzen Informationen stehen, reiche ich es der Familie und sie fangen an zu lesen.

,,Tatsächlich. Ich fasse es einfach nicht" sagt der Mann.

,,Du hast recht, du bist unsere Austauchschülerin, doch uns wurde gesagt, wird würden einen Jungen kriegen, weil wir eigentlich keine Mädchen haben wollten."

Aua. Das tat gar nicht weh. Ganz und ganz nicht.

,,Oh, aber ich bin jetzt schon hier und das ist wirklich mein Traum. Das ganze ist hier nicht umsonst gewesen, oder?" sage ich etwas schüchtern zurück und traurig zugleich.

Ist meine Reise wirklich hier beendet?

Mein neues Ich ON HOLDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt