Die Stunde fand ihr Ende.
Zeitverschwendung. James stellte wieder Hypothese auf. Über unser Verhalten und wie es auf die Außenwelt wirken würde. Was wir anrichten würden, ohne dass es uns bewusst wäre. Wie andere auf uns reagieren könnten - Weil wir eben aussehen wie wir aussehen, oder darauf, wie wir uns verhalten, weil es für uns normal ist.
Er hat uns mehrere Male mit wilden Tieren verglichen.
Kein schlechter Vergleich, dennoch kommt es mir irgendwie vor, als würde er uns damit herunterstufen wollen.
Na, ihr wisst schon - raus in die Außenwelt gehen. Dahin, woher die meisten von uns kommen und wohin niemand mehr hin will oder darf. Meistens jedenfalls; Mit Ausnahmen darf man hin und wieder das Gelände verlassen.
James zum Beispiel hat das Privileg, jederzeit das Gelände zu verlassen, weil er ein Erzieher ist. Obwohl er genau so nur ein Irrer ist, wie wir alle.
Wenn eben dein physischer und psychischer Zustand entsprechend sind, dann darfst du auch gehen. Gegebenen falls gibt es auch noch die Schwestern, die einen begleiten. Für anderes sind sie meistens auch nicht da, sie putzen die meiste Zeit nur. Das sind dann die, die gar keine Aggression oder Traurigkeit empfinden oder überhaupt irgendwas. Sie sind wie Roboter, hören aber gut zu und sind wirklich hilfreich in einigen Dingen, dennoch finde ich sie etwas beunruhigend.
Wie gesagt, die Stunde war vorbei. Dennoch sitze ich weiterhin auf meinem Platz und schaue ständig Raus. Bis auf Toby, Lilith, Noah, Scissor und Kaya sind alle bereits aus dem Klassenraum raus. Toby redet wie gewohnt zu viel auf Lilith ein, welche genervt und zugleich angewidert reagiert. Zum Glück lässt er gerade aber die Finger von ihr - Sonst muss ich wieder eingreifen.
Doch der Spast weiß, was er davon hat, wenn er meine Beste Freundin nicht mit Respekt und Anstand behandelt.
Noah macht sich über Toby lustig, Kaya kümmert sich gar nicht darum und diskutiert mit Scissor weiter über das Thema, das James angesprochen hatte.
Raus in die Außenwelt gehen? Ich würde es nicht tun, wenn ich ehrlich bin.
Nicht wirklich raus.
Ich habe mich zwar schon einige Male raus geschlichen - Das Gelände ist nicht weiter abgesichert, nur das Gebäude selbst ist schwer zu verlassen - aber ich würde niemals weiter gehen als bis zum Ende des Waldes, hinter der Klinik.
Ich habe ganz weit weg metaphorisch gesehen alle Erinnerung vergraben, die ich nicht wieder ausgraben möchte. Es wäre besser, wenn sie weiterhin vergraben bleiben. Für immer.
Ich kann mich, Gott sei Dank, nicht mehr an zu vieles erinnern. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie ich hier her kam. Das was ich weiß ist, dass ich viel Leid empfunden habe und damit nicht leben will.
Es tut noch zu sehr weh.
"Joey?", höre ich Noahs vorsichtige Stimme hinter mir. Ich hebe meinen Kopf von meinem Tisch, drehe mich um und schaue ihn fragend an und warte darauf, dass er weiter spricht. "He, was ist los? Du bist ungewöhnlich ruhig dafür, dass Toby eben wieder so ein-" - "Arschloch ist?", vollende ich daraufhin seinen Satz, "Er soll nur nicht übertreiben. Er sollte wissen, was sonst passiert."
Noah schaut erschrocken, als hätte er gerade zum ersten Mal diese Worte aus meinem Mund gehört, "Sonst stört dich alles, was er macht? Ist alles in Ordnung? Bist du krank?"
Ich lache, "Ja, deswegen bin ich doch hier."
Lilith verlässt den Raum, nachdem ich wieder auflachen musste.
Und Toby.. - ugh - gafft ihr natürlich wie gewöhnlich hinterher und leckt sich grinsend über den Daumen. Mit einem angewidertem Seufzen stehe auch ich auf und gehe gerade zur Tür raus. Toby meint wohl, er habe mich noch nicht genug zur Weißglut gebracht, in den letzten Monaten.
"Glaub nicht, sie würde etwas von dir wollen. Sie hat es selbst gesagt. Ihr seid bloß Freunde. Nicht mehr", lacht er, "Ich werde sie erobern und dann wird sie für immer Meine sein."
Sie wird für immer Seine sein? Als wäre sie eine Trophäe, die man sie ins Regal stellt und anstarrt, um sich selbst besser zu fühlen. "Viel Erfolg", antworte ich bloß mit dem Versuch, so gelassen wie nur möglich zu wirken, "Sich gegen das Schicksal zu stellen wird dir nicht gut tun. Und selbst wenn wir nicht, Zitat, nur Freunde wären, dann wärst du der Letzte, der darüber irgendeine Information bekommt", ich lächle ihm über meine Schulter selbstgefällig zu, "Ich habe es nicht so nötig, mein Ego raushängen zu lassen, wie du."
Mit diesen Worten verlasse ich den Raum und schließe die Schiebetür.
Ausatmen, Körper entspannen.
Oh Gott, oh Gott, oh GOTT, ok - ich habe versucht cool zu bleiben, aber heilige Scheiße... Nur der Gedanke, etwas mehr zwischen Lilith und mir zu haben war gerade...
"Du hättest wirklich mehr Chancen als er. Dich kann ich leiden - ihn nicht", höre ich Lilith laut überlegen und schrecke auf. Sie fing an zu kichern, "Danke, dass du das für mich tust, aber das muss wirklich nicht sein."
Das wars. Lebe wohl, Welt. Sie hat es gehört. Ich bin am Ende, Adiö.
"Tut mir leid, ich wusste nicht was ich sagen soll. Ich kann es nicht ab, wie er mit dir umgeht oder was er über dich sagt", gab ich zu. Lilith lächelt mich nur an: "Ist doch alles in Ordnung, mach dir keinen Kopf darüber."
Sie geht. Ohne ein weiteres Wort, nach einer kurzen Stille, dreht sie sich weg und geht.
Na Gut, ich will das hier jetzt auch nicht noch peinlicher machen. Ich schleife mich selbst in die entgegengesetzte Richtung, zu meinem Zimmer.
Ich habe nur noch etwa 10 Minuten um meine Tasche umzupacken. "Sport". Parkour steht auf dem Plan, zumindest für mich.
Das Angebot hier ist groß, aber nicht besonders ansprechend.
Man muss mindestens 3 Kurse auswählen. Dazwischen gibt es noch gängiges, das wir sonst auch in der Schule lernen würden, und Sportunterricht, welcher auch wieder aufgeteilt wird in verschiedene Sportarten. Oder man wählt ein spezielles Training, was ich getan habe, und hat etwas mehr Variation. Zwar wechselt es viel zwischen Parkour und Fitness, doch das ist mir lieber, als immer wieder die ein und selbe langweilige Sportart, die mich gar nicht interessiert.
Noch dazu... könnte ich ja möglich erlangte Fähigkeiten vom Parkour irgendwann nutzen, wenn ich ausbrechen muss oder es hier nicht mehr aushalte. Zugegeben, man hat nichts gutes gehört, wenn es jemand probiert hat, aber das hält mich nicht auf. Dafür bin ich nicht vernünftig genug.
Bis jetzt habe ich es aber noch nicht probiert. Und ich will es auch gar nicht - Nur für den Notfall.
Unter anderem einfach, weil ich Lilith nicht alleine lassen kann. Nicht, wenn dieser perverse Egozentriker noch hier ist.
Selbst wenn ich sie mit meinem Leben beschützen müsste - Sie ist in jeder Hinsicht wertvoller.
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PSYCHOCALL || Horror/ Mystery || Nathaniel B. Black
Horor"Auf der vorgegebenen Skala von 1 bis 4, für wie gefährlich schätzen Sie mich ein?" - "Mein Lieber, du bist eine 5." ----- "An jenem Tag eröffnete Sir Vladimir Mogk eine Einrichtung, auf dessen Grund ihr nun steht. Ursprünglich war dies eine gewöhnl...