Kapitel 93

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Lied, dass ich beim Schreiben gehört habe: Radioactive - Imagine Dragons

Georg - Gegenwart
,,Komm zum Punkt." Die ruhig gesprochenen, bedrohlichen Worte unterbrachen mich mitten im Satz.
Shane's Stimme war dunkler geworden, seine Hand, die immer noch erhoben war, zitterte nicht. Vielleicht war es falsch gewesen ihm einen so tiefen Einblick in die Vergangenheit zu gewähren. Vielleicht hatte es die ganze Situation nur noch mehr verschärft. Selbst Finnick stand ruhig am Tisch und benahm sich so wie es sich für die momentane Lage gehörte.
,,Willst du nicht die ganze Geschichte hören?"
,,Ich will vor allem eins, das Ende deiner scheiß Ammenmärchen über meinen Vater, der im übrigens nicht mit so einem wie dir rumgehängen würde, hören. Du weißt schon, der Teil wo du ihm den Kopf weggepustet hast. Du hast eine Chance auf die Wahrheit, wenn ich dir deinen Bullshit nicht abkaufe bist du tot. Verstanden companion?"
,,Absolut. Ich hatte nicht die Absicht dich zu verletzen."
,,Streich das Letzte. Niemand ist in der Lage mich zu verletzen."
Ich sagte nichts und dachte mir meinen Teil. Er war ihm ähnlich. Mehr, als ich anfangs gedacht hatte. Die gleiche Unbeugsamkeit. Die gleiche Überlegenheit. Es hatte mein halbes Leben gedauert zu Kilian durchzudringen. Sein Sohn stand ihm in nichts nach.
Ich riss mich zusammen, führte mir vor Augen wo ich war und was auf dem Spiel stand. Nicht nur mein Leben, auch das meiner Frau und eventuell das von Finnick. Die Familie.
,,Nun gut. Ich springe ein wenig vor. Wir haben das Haus erkundet, sind auf einige sehr verstörende Dinge gestoßen, haben genug Beweise gesammelt und sind rausgekommen ohne entdeckt zu werden. Trotzdem ist etwas schief gelaufen..."

Georg - Vergangenheit
,,Ich muss langsam nach Hause." durchbrach ich die Stille Dunkelheit, die sich zwischen uns breit gemacht hatte, nachdem wir aus dem Haus entkommen waren und uns an den üblichen Ort verzogen hatten. Nicht die alte Eiche, die war mehr ein Treffpunkt, als ein Ort, an dem man lange verblieb - zu viele Leute. Eine Bank am Rande des Waldes, der nicht weit von den Luxusvillen entfernt lag. Es war kalt. Wirklich sehr kalt. Dennoch hatte Kilian darauf bestanden noch hier her zu kommen. Vielleicht um der alten Zeiten willen. Vielleicht weil es der letzte Auftrag war. Eine Art Ende.
,,Kilian? Bist du überhaupt noch wach?" Ich stupste ihn am Bein an und wartete auf ein Brummen oder sonst irgendwas. Tatsächlich ertönte ein Brummen. Kilian stützte sich schwerfällig in eine aufrechte Position und saß nun wieder aufrecht neben mir.
,,Fuck...ich bin müde..." Seine Stimme hatte ihren vertrauten Klang verloren. In ihr schwang nicht mehr die lockere Melodie mit. Sie war belegt und schwer, als würden die Worte aus seinem Mund kriechen.
,,Was ist los?"
,,Nur müde..."
Auf meiner Zunge breitete sich ein bitterer Geschmack aus. Die Luft um mich herum kam mir mit einem mal nicht mehr kalt vor, sondern abgestanden und aufgebraucht.
Es war so ein Gefühl. Nur eine Ahnung.
,,Komm schon, aufstehen. Ich bring dich nach Hause."
,,Bin ich doch schon." murmelte er mit einem Gähnen.
,,Hm, klar. Der Baumstamm ist in jedem Fall ein tolles Haus."
Kilian bemerkte nun offensichtlich meine Unruhe und raffte sich komplett auf. Ich folgte ihm sofort.
,,So müde war ich echt schon lang nicht mehr. Mach dir keine Gedanken, echt jetzt. Ich bin nur ein bisschen neben der Spur. Nichts weiter."
Wie um zu beweisen, dass alles okay war, hüpfte er ein paar Schritte hin und her.
Das Gefühl verschwand zwar nicht, mein Kopf war allerdings zufrieden mit der Vorführung und so wanderte meine übertriebene Sorge in den Hintergrund.
,,Schon gut, schon gut."
Nebeneinander stapften wir aus dem dunklen Wald hinaus zu den beleuchteten Straßen.

Ich.bin.nicht.Schwul | Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt