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Kapitel III

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Mein Blick blieb an diesem Paar Augen hängen und unbewusst hielt ich seine Hand die ganze Zeit über fest. Er selbst machte auch keine Anstalten sich zu lösen, aber Mira räusperte sich nach einigen Sekunden.

„Catalina? Sally? Habt ihr Hunger?", fragte sie laut, und ich ließ erschrocken die Hand des Fremden aus. Unangenehm berührt spürte ich, wie mir das Blut ins Gesicht schoss, aber das Gefühl mich nicht bewegen zu können, ebbte ab. In meiner Erinnerung war bei dem Anblick seiner Augen sofort das Bild des Wolfes aufgetaucht. Nur ein Zufall, sagte ich mir verwundert. Es gibt sicherlich tausende andere Menschen mit derselben Augenfarbe.

Wir begaben uns zum Tisch, an dem sich alle niederließen, Sally gegenüber von Tom, Mira gegenüber von Fabian und ich gegenüber dem Fremden mit den eisblauen Augen, die jeder meiner Bewegungen folgten.

„Neal", sagte er leise, kaum dass wir uns gesetzt haben.

Ich schreckte auf. „Was?"

„Mein Name", erklärte er und ein raubtierhaftes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und enthüllte eine Reihe perfekter, weißer Zähne.

„Sicher, entschuldige. Ich bin..."

„Catalina. Habe ich schon gehört." Er nickte freundlich und mir wurde unwohl. Nach der Szene bei der Begrüßung musste er wohl denken, dass ich nicht alle Tassen im Schrank hatte.

Ich fasste all meinen Mut zusammen, um mich zu erklären: „Wegen vorhin tut es mir leid, du hast mich nur an ... jemanden erinnert."

Das Lächeln wurde breiter. „Gut zu hören."

Seine Antwort ergab keinen Sinn für mich. Obwohl ich aus seinen Worten nicht schlau wurde, bemühte ich mich weiter darum, unbeschwert zu wirken und mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Zaghaft versuchte ich mich auch an einem kleinen Lächeln, um nicht unhöflich zu erscheinen.

„Cara? Kartoffeln?", unterbrach uns Mira.

Am Tisch wurden die Kartoffeln und der Salat weitergegeben und ich griff danach, um Neal und mir etwas herauszugeben. Mit beiden Händen umschloss ich die schwere Porzellanschüssel, als Mira losließ und die Schüssel mit vollem Gewicht in meinen Griff sank. Nur mit größter Mühe konnte ich das Gewicht halten und verhindern, dass sich der Salat über den gesamten Tisch ergoss. Das Fieber ließ meine Muskeln schmerzen, außerdem hatte ich das Gewicht der Kartoffelschüssel unterschätzt und so war ich zu unvorsichtig, als ich sie schließlich zum Weitergeben anhob. Meine Hände zitterten, die Marinade schwappte und schließlich fiel die ganze Schüssel aus meinem unsteten Griff. Doch anstatt unter meinen Händen auf der Tischplatte zu zerschellen, befand sie sich wundersamer Weise noch zwischen meinen Fingern, als ich eine Sekunde später die Augen wieder öffnete. Zwei starke, warme Hände hatten sich über meine gelegt und stützten die Kartoffelschüssel.

Mit pochendem Herzen sah ich auf.

„Danke", wisperte ich Neal zu, der das Ganze abgezogen hatte, ohne die anderen aufmerksam zu machen. Ich wollte nicht, dass sich Mira Sorgen oder gar Schuldgefühle machte, weil ich hier saß und Gäste empfing, anstatt mich zu erholen.

„Kein Problem", antwortete er nonchalant und nahm die Schüssel an sich. Die federleichte Berührung seiner Hände, als sie meine streiften, versuchte ich dabei zu ignorieren. Sie waren rau und beinahe so warm wie meine eigenen.

Als Mira kurz darauf „Will noch jemand Salat?" in die Runde rief, griff ich rasch zu und hoffte, dass ich mich nach etwas zu essen wieder mehr wie ich selbst fühlen würde.

***

Zwei Stunden später saßen wir alle auf Decken hinter dem hellblauen Haus, mit Blick auf die riesige Grundstücksfläche, die mit dem See und Wald dahinter endete. Die laue Brise von gestern war wieder hier, trotzdem war die Hitze beinahe unerträglich. Da weder Mira noch Fabian viel von Klimaanlagen hielten, war es draußen im Wind noch angenehmer als drinnen und sie hatten auf das kleine Beisammensitzen im Garten bestanden. Sally spielte ein wenig abseits kichernd und kreischend mit Fabian Badminton - wogegen sie sich anfangs sehr gesträubt hatte, da es ihre Nägel ruinieren könnte - und der Rest leckte an dem Zitroneneis, das Mira gezaubert hatte, auf ein wenig Abkühlung hoffend. Nur Neal hatte dankend abgelehnt; er saß an den Baumstamm gelehnt und beobachtete unser Gespräch stumm, anstatt sich zu beteiligen.

Finding CaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt