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Kapitel VI

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Für einen Moment fror das ganze Haus ein, die Temperatur schien auf Minusgrade zu sinken. Liz und Isabelle blickten sich ertappt an.

Neal machte einen Schritt von mir weg, in den Raum und wollte wieder zum Sprechen ansetzen, seine Körpersprache alles andere als freundlich und geduldig. Liz sprang aus der Küche.

„Freust du dich denn nicht, dass die beiden zu Besuch gekommen sind?", fragte sie ihn, mit entschieden in die Seite gestemmten Händen. Das Wort „beide" schien sie besonders zu betonen und Neal entspannte sich ein wenig, als Sally von der Couch aufstand und mit Irina herüberkam.

„Doch, doch... tut mir leid, ich hatte einen anstrengenden Tag. Hallo, Sally."

Meine kleine Schwester zog anklagend eine Augenbraue hoch, grüßte aber brav, bevor sie wieder auf die Couch verschwand, wo sie weiter mit der Zwölfjährigen plauderte. Die Gespräche im Raum schwollen langsam wieder an und Liz kam mit Neal im Schlepptau in die Küche.

„Tut mir wirklich leid", begann ich hastig, da ich es eilig hatte, unser unangekündigtes Einfallen zu erklären. „Wenn wir dich gestört haben mit ..."

Neal kam näher und unterbrach mich. „Nein, das habt ihr nicht. Ich ... habe mir nur Sorgen gemacht, weil es hier recht chaotisch zugehen kann. Du sollst keinen falschen ersten Eindruck von uns bekommen."

„Das habe ich nicht."

„Gut. Und Cara", fügte er eindringlich hinzu, „ich freue mich, dass du hergekommen bist. Auch wenn es nicht so ausgesehen haben mag."

Ich erwiderte sein entschuldigendes Lächeln erleichtert und er nahm mir den Teller, den ich gerade einräumen wollte, aus der Hand, um selbst weiterzumachen. Ohne eine Aufgabe zu haben, lehnte ich mich an die Küchentheke hinter mir und beobachtete Neal dabei, wie er die letzten Stücke wegräumte. Seine Reaktion auf unseren Besuch hatte mich kalt erwischt, aber nun war ihm nichts mehr von seiner Irritation anzumerken. Obwohl ich nichts von dem Mann vor mir wusste, hatte ich das Gefühl ihm seine Entschuldigung glauben zu können. Niemand verstand besser als ich, wie es war, seine Gefühle nicht im Griff zu haben. Weshalb sein Tag wohl anstrengend gewesen war?
Als er meinen nachdenklichen Blick bemerkte, richtete er sich auf und streifte die Hände an einem Geschirrtuch ab, bevor er sprach.

„Gefällt dir, was wir aus dem alten Haus gemacht haben?"

Liz war unterdessen im Wohnzimmer verschwunden und hatte uns beide mit Isabelle allein gelassen. „Wir sind in den letzten Wochen zu nichts anderem gekommen, aber ich glaube, die Arbeit hat sich ausgezahlt."

„Es ist wunderschön. Ich kann kaum glauben, wie es vorher ausgesehen hat", erwiderte ich. Das Haus war im renovierten Zustand kaum wiederzuerkennen; wenn Neals Freunde dieses Projekt auf sich genommen hatten, dann hatte es bestimmt länger als einige Wochen gedauert. Sein Lächeln wurde breiter.

„Das ist gut zu hören. Ich hoffe, du kommst von nun an öfter vorbei – und ich verspreche, es gibt normalerweise keinen Empfang wie vorhin. Wir sind hier gerne in Gesellschaft. Besonders in deiner."

Es war nicht zu bestreiten, dass sein Tonfall mich für einen Moment erschrocken hatte, aber ich spürte keine Feindseligkeit von ihm ausgehen. Nicht jetzt und nicht vorhin. Doch in seinem Blick lag eine Intensität, die mich unruhig machte.

„Vorsicht, sonst bekomme ich Sally gar nicht mehr von hier fort", antwortete ich mit einem nervösen Lachen auf seine offene Einladung.

Neal stieg ohne zu zögern auf meinen Scherz ein. Er hatte sich etwas zu mir gelehnt und seine Nähe zwang mich, den Blick auf meine Hände zu senken, um seinem zu entgehen. „Oh, ich glaube, wir haben noch ein freies Zimmer im zweiten Sto-"

Finding CaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt