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Kapitel IV

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Als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, war es draußen wieder hell. Ein neuer Morgen war angebrochen, ein wenig kühler als die Vorherigen. Kleine, flauschige Wölkchen schwebten über den kristallblauen Himmel und warfen kleine Schatten auf die trockene Wiese, die sich langsam unter den Böen bog. Ausgeruht stemmte ich mich in eine sitzende Position und streckte mich erst einmal ausgiebig. Langsam erinnerte ich mich wieder an gestern, mein Fieber und den Besuch der beiden Männer. Wieso sie eigentlich da gewesen waren und woher Mira und Fabian sie kannten, wusste ich noch gar nicht, fiel mir auf. Als ich also Sally auf dem knallgelben Sitzsack mit ihrem Handy herumlungern sah, ergriff ich die Chance.

„Morgen", begann ich und beschloss nicht lange drum herum zu reden. „Woher kennen Fabian und Mira denn eigentlich Tom und Neal?"

Sie blickte nicht einmal auf, sondern tippte weiter auf dem verschmierten Touchscreen herum. „Mann, du hast echt gar nichts mitbekommen, oder? Sie sind unsere neuen Nachbarn."

Nachbarn? Soweit ich wusste, hatten wir keine ...

Sally musste meinen verwirrten Blick bemerkt haben. „Ein, zwei Kilometer runter die Straße steht so ein altes Haus, das haben die beiden geerbt oder so ähnlich. Du weißt schon, das so versteckt zwischen den Bäumen steht."

Jetzt erinnerte ich mich wieder, die hübsche, aber wirklich alte Villa hinter unserem See, die laut Mira seit Jahren leer stand und schon langsam zu zerfallen begann. Konnte man dort noch leben? Zwar hatte ich sie bisher nur aus der Ferne gesehen, aber wirklich einladend sah es dort nicht aus. Ich konnte mich an viel Unkraut, hüfthohes Gras und eine verblichene Veranda mit Löchern im Boden erinnern.

„Okay." Ein Blick auf die Wanduhr sagte mir, dass es bereits halb Vier am Nachmittag war. Vermutlich hatte ich dadurch mein Fieber ausgeschlafen, denn ich fühlte mich bereits um einiges besser. „Hast du gegessen?"

Doch ein weiterer prüfender Blick, diesmal in Richtung des Abwaschs, verriet mir auch das. Dort türmte sich dreckiges Geschirr als wackliges Konstrukt weit in die Höhe, als ob es dem schiefen Turm von Pisa Konkurrenz machen wollte. Die Übeltäterin war schon wieder in ihrem Handy versunken und kümmerte sich offensichtlich kein bisschen darum. Seufzend machte ich mir ein Vollkornbrot mit Käse und Tomaten und hockte mich wieder auf die Couch. Nach einigen Bissen fiel mir das braune Etwas an meinem Handgelenk erneut auf.

Zum zweiten Mal musterte ich nachdenklich das lederne Flechtband, das sich um mein Handgelenk schlang und die winzigen Weißgoldanhänger hielt. Heute, wieder vollkommen bei Sinnen, war ich mir ganz und gar sicher, dieses Band noch nie im Leben gesehen zu haben, geschweige denn es zu besitzen. Woher kam es also?

Vor mir räkelte sich Sally auf den Kissen und riss knirschend eine Packung Ketchup-Chips auf. Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, doch bevor ich etwas sagen konnte, landeten schon die ersten rotgelben Krümel auf dem Boden. Ich zwang mich dazu, nichts zu sagen. Immerhin war ich nicht ihre Mutter und sie würde sowieso nicht auf mich hören, sondern einen Streit losbrechen. Trotzdem verging mir ein wenig die Laune bei dem Gedanken, dass ich nachher wieder diejenige sein würde, die aufkehren durfte. Rasch aß ich auf.

„Sally", setzte ich erneut an und diesmal beehrte mich die Jüngere sogar mit ihrer vollen Aufmerksamkeit und sah auf. „Ist das dein Armband?"

Wenn es nicht mir gehörte, musste ich unabsichtlich in meinem gestrigen Zustand eines ihrer Armbänder erwischt haben. Das war der einzige logische Schluss, zu dem ich gekommen war.

Neugierig starrte sie eine Weile das Armband an, das ich ihr vor die Nase hielt, bis sie entschieden den Kopf schüttelte. „Noch nie gesehen. Woher hast du das?"

Da ich es selbst nicht wusste, zuckte ich nur leicht mit den Schultern.

Für einen Moment schenkte mir Sally einen ihrer Du-bist-so-komisch-Blicke, bevor sie sich wieder ihrem Handy widmete. Selbst mir war gerade danach, mir einen dieser Blicke zuzuwerfen. Wie zum Teufel kam ich an dieses Band? Ich beschloss, mich schnell frisch zu machen und aus der Kleidung von gestern zu wechseln, damit ich Mira danach fragen konnte.

Finding CaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt