Keuchend kam ich zum stehen. Nach dem großen Schock, den meine Erkenntnis bei mir ausgelöst hatte, hatte ich mich erst mal umgedreht und war heim gerannt. Wieso...? Sie hatte mich von ihrem Blut trinken lassen, aber wieso hatte sie das getan?! In einer gewissen Weise fühlt ich mich betrogen. Aber ich war auch verunsichert... Was steckte nur dahinter?
Langsam stieg ich die Treppen zu meiner Wohnung hinauf. Sie lag im zweiten Stock in einem ruhigen Altbau. Es war schön hier und die Wohnung war schon seit ein paar Jahren mein Rückzugsort. Die Besitzer waren Bekannte meiner Familie, deswegen war es kein Problem, dass ich ein Vampir war. Es waren ältere Leute, Menschen, jedoch hatten sie keine Angst. Im Gegenteil, manchmal hatte ich das Gefühl sie fühlten sich durch meine Anwesenheit sicherer. Schließlich war ich als Vampir ja auch stark. Ich kannte die beiden seit sie Kinder waren. Schon zu dieser Zeit lebte ich im Haus. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum sie mich nicht fürchten – würde ich ihnen böses wollen, wären sie schon längst tot.
Ich seufzte. Im solchen Momenten wurde mir wieder klar was für ein Fluch es war, als Vampir geboren zu werden. Man alterst nur bis zu einem bestimmten Punkt. Alle um dich herum jedoch vergingen wie eine schöne Blume, wenn der Winter hereinbrach. Alle die du liebtest, verblassten nach einer Zeit aus dem Leben, doch dich schmerzte ihr Verlust für den Rest deines unsterblichen Lebens...
Ich schloss die Tür auf und ging hinein. Meine Wohnung war nicht groß, eine Zwei-Zimmer-Wohnung, aber mir reichte es vollkommen aus. Ich setzte mich auf mein Sofa, doch zum ersten mal seit Tagen hatte ich nicht das Bedürfnis dort sofort einzuschlafen. Ich fühlte mich gut, wach, kein bisschen erschöpft. Weil ich Blut getrunken hatte. Doch ich verstand es nicht. Sie hatte keinen Grund mir ihr Blut zu geben...
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Kopfzerbrechen brachte mich jetzt auch nicht weiter. Die einzige Möglichkeit, die Antwort zu bekommen wäre, sie aufzusuchen, aber ich war doch nicht lebensmüde!
Ich stand auf und holte mir ein Glas Wasser. Als ich das Glas hoch hob merkte ich erst, wie meine Hände zitterten... Ja, das heute hätte wirklich schlimm für mich ausgehen können... Das BSI war eine Institution, mit der man sich als Unnatürlicher lieber nicht anlegte... Sie bestand aus einer Gruppe Söldnern, Unnatürliche die ihre eigene Art verraten hatte. Jeder Einzelne von ihnen war ein Verbrecher, den die Regierung mit dem Tod verschonte, wenn er für sie arbeitete. Unsere ach-so-tolle Regierung verhätschelte sie für jeden Toten. Es widerte mich an...
Ein lautes, flatterndes Geräusch an meinem Fenster ließ mich aufschrecken. Doch als ich dorthin sah, sah ich nur einen Raben, der mich mit seinen schwarzen Knopfaugen praktisch durchbohrte. "Hast du mich erschreckt..." Ein Krächzen seinerseits machte mir klar, dass er mich anscheinend verstanden hatte... seltsam... Ich ging zum Fenster und öffnete es. Der Rabe hüpfte auf meine Fensterbank. Mit seinen schwarzen, glitzernden Augen betrachtete er mich. Ich war verwirrt. Es schien als würde er mich abprüfen.
Ein lautes Klopfen an meiner Tür riss meinen Blick los von dem schwarzen Vogel. Etwas verwirrt sah ich auf die Uhr. Wer wohl um diese Zeit noch etwas von mir wollte? Ich ging zur Tür und staunte nicht schlecht als ich den Mann sah, der davor stand. Er war groß und dünn. Seine Kleidung erinnerte an die Sachen, die die Leute früher getragen hatten. Er trug einen Zylinder mit dunkelblauem Samtband, einen feinen Anzug mit teuren Schuhen und darüber einen Frack. Alles in Schwarz. Seine schwarzen Haare waren etwas länger und standen in alle Richtungen ab, was ich besonders merkte, als er den Zylinder abnahm. Seine Haut war etwas gebräunt als würde er manchmal in der Sonne arbeiten. Seine Haare bedeckten seine Augen ein wenig, weswegen ich mir nicht sicher war, welche Farbe diese hatten.
"Verzeihen Sie die späte Störung", meinte er mit einem warmen Lächeln, "Aber ich suche meine Hausraben. Die Chance ist gering, aber ich habe einen Raben zu Ihrem Fenster fliegen sehen..."
'Dass du mit diesen Wulst aus Haaren überhaupt was sieht ist ein Wunder...' Schnell schüttelte ich diesen Gedanken wieder aus meinem Kopf. "Ja, da war ein Rabe vor meinem Fenster und ich habe es daraufhin geöffnet. Kommen Sie doch rein." Ich öffnete die Tür ganz und ließ den Mann eintreten. Er bedanke sich und folgte mir dann in die Küche, wo immer noch der Rabe auf meiner Fensterbank saß.Als er den Raben sah nahm das Gesicht des Mannes einen freudigen Ausdruck an. "Da bist du ja, du kleiner Schlingel!" Der Rabe schien auch zufrieden, wieder bei seinem Besitzer zu sein, weshalb er sich auf dessen Schulter niederließ. Genauer betrachtet schien der Mann auch noch nicht allzu alt zu sein, ich würde ihn auf ungefähr 25 Jahre schätzen, also vom Aussehen her nur 1-2 Jahre älter als ich. Seine Haare waren nicht ganz schulterlang, er schien wieder mal einen anständigen Haarschnitt zu gebrauchen, da man den Haaren ansah, dass sie aus einer früheren Frisur heraus gewachsen waren. Auf seiner Wange konnte ich einen blauen Fleck erkennen, als hätte er dort einen Schlag abbekommen. Alles in allem passt das nicht zu seinem übrigen, eher vornehmen Erscheinungsbild.
"Vielen Dank, Herr... äh..." "Mijor. Karim Mijor heiße ich." "Freut mich sehr! Mein Name ist Deke Rica."
Ich konnte nicht anders. Ich ignorierte es schon die ganze Zeit aber irgendwie kam er mir sehr bekannt vor. Allerdings schien er regelmäßig in höheren Kreisen zu verkehren, was ich eher vermied, weswegen das eigentlich unmöglich war. Deke streichelte seinen Raben unter dem Schnabel. "Du überlegst woher du mich kennst, nicht wahr?"
Erschrocken sah ich auf: "Aber woher..." "Ich kenne diesen Blick nur zu gut. Und ich kann deine Gefühle spüren, mein lieber Blutsaugerfreund." Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. "Du bist also auch ein Übernatürlicher. Das beruhigt mich... äh irgendwie... Aber welcher Rasse gehörst du an? Die meisten höher Gestellten von uns sind Vampire, aber du bist kein Vampir, das kann ich sagen."Er lächelte etwas entschuldigend. "Um ehrlich zu sein habe ich dich ein wenig angelogen, Karim. Ich bin nicht wegen meinem Vogel hier." Unsicher starrte ich ihn an. Was wollte er denn sonst von mir? Ein Gedanke schoss auf einmal durch meinen Kopf. Was wenn Deke zum BSI gehörte?
"Nein ich werde dich nicht umbringen. Ich bin eher hier um dich um Hilfe zu bitten." "Bei was soll jemand wie ich denn helfen?", fragte ich und Deke erwiderte: "Es gibt da jemanden, den ich suche."Er schob seinen Hut hoch und ich erstarrte, als ich in seine Augen blickte. "Ich suche meine kleine Schwester May und bitte dich um Hilfe, Karim Mijor."
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Smell of Blood
FantasyIn einer schirrendlosen und tristen Welt leben wir. Jeder außerhalb der Norm wird vernichtet. In diesem Zwiespalt lebt Karim. Er ist ein Vampir und versucht der Regierung so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Eines Tages trifft er May. Sie ist eb...