Kurz nachdem wir beide bei der Kulisse, welche die Hobbithöhle von Bilbo darstellt, angekommen sind, kommen auch die ganzen Stars.
Sie kommen nicht mehr aus dem Staunen raus. Alle sind völlig vom Hocker. Wirklich alle! Bloß ich nicht. Auch ich sehe das zum ersten mal, nur zeige ich nicht, dass ich es toll finde. Ich zeige nie meine Gefühle.PJ erklärt noch kurz was, bevor alle auf ihre Posten gehen. Die Zwerge und der Hobbit stehen im Haus. Von Steffi weiß ich, dass der Gandalf-Darsteller in einem Greenstream sitzt. Ich stehe neben Jeds Stuhl und beobachte das ganze Getue.
Die Männer machen das echt gut. Sie verleihen ihren Rollen so einzigartige, individuelle Charaktere. Einfach beeindruckend! In der ersten Pause kommt Jed mit einem ziemlich breiten Grinsen in meine Richtung.
Ich trete einen Schritt zur Seite, damit ich nicht so nah bei ihm stehe. ,,Das hat Spaß gemacht! Einfach nur Klasse!“ freut er sich wie ein Honigkuchenpferd. Überraschender Weise schaut er dabei in meine Richtung. Die meisten vergessen das immer. Er ist der erste, der das nach dem ersten mal schnallt.
Ich deute mit beiden Daumen hoch, als Zeichen, dass er gut war und ich ihm zustimme. Dann muster ich kurz sein Gesicht.
'Alles noch an seinem Platz. Komm nach der Pause noch mal zu mir. Nein, vergiss es, ich komme zu dir.'
schreibe ich auf eine Haftnotiz und reiche sie ihm. ,,Ist gebongt.“ lacht er mich an und gesellt sich zu den anderen.Auch, wenn ich Männer nicht leiden kann. Noch weniger kann ich es leiden, wenn sie sich an mich ranschleichen. Und wenn es nur unbeabsichtigt ist. Also gehe ich lieber zu Jed, als dass er zu mir kommt und ich es nicht sehe, bzw. höre.
Die Pause über stelle ich mich ganz an den Rand des Studios. Dorthin, wo kein anderer steht. Ich beobachte die Leute, so wie ich es immer tue, wenn ich gerade mal nichts zu tun habe.
Die meisten Leute reden angeregt miteinander. Egal, ob Techniker oder Schauspieler, alle reden. Nur einer sticht mir ins Auge. Und zwar Richard. Er steht in seinem Thorin-Kostüm und einer Jacke darüber am Kulissen-Rand. Seine Arme vor der Brust verschränkt, das Kinn auf einer Hand abgestützt. Er sieht sehr grüblerisch aus. So, als würde ihn etwas verfolgen.Plötzlich ertönt ein Gong. Das Zeichen zum weiter machen.
Schnell gehe ich zu Jed und begutachte noch mal sein Make-Up.
Zum Zeichen, dass noch alles gut ist, nicke ich ein mal und verschwinde wieder. Der Dreh geht weiter und alles ist wieder ruhig.In der Mittagspause sitze ich wie immer alleine an einem kleinen, runden Tisch. Ich hasse die Gesellschaft anderer beim essen.
Auch Stephanie lasse ich nicht neben mir sitzen. Sie hat zwar schon öfter mal gefragt, ich lehnte aber immer wieder aufs neue ab.
Doch plötzlich steht Jed vor mir. ,,Willst du dich zu uns setzten? Wir hätten nichts dagegen.“ lacht er mich mit einem unglaublichen Strahlen an.
Ich jedoch schüttle nur den Kopf. Der Kiwi zuckt mit den Schultern und gesellt sich zu seinen Kollegen.Und so geht das die ganze nächste Woche. Ich tue bloß das, was nötig ist. Nicht mehr nicht weniger. Ich unterhalte mich nur so viel, wie es nötig ist. Nicht mehr nicht weniger.
Ich sitze beim essen immer alleine.
In den Pausen im Studio beobachte ich immer die Menschen.
Das ist alles. Mehr mache ich nicht.Doch heute ändere ich mal meinen Rhythmus. Heute in der ersten kleinen Pause gehe ich ins Studio nebenan. Zu Ian. Er sitzt alleine am grünen Tisch des Greenstteam. Im Gegensatz zu mir sieht er jedoch sehr, sehr traurig aus.
Plötzlich tippt mich jemand an. Als ich mich rumdrehe, steht Andy vor mir und lächelt mich freundlich an. ,,Na, guckst du dir mal dieser Studio an? Sieht komisch aus, was? So alles in Grün.“ Nickend stimme ich ihm zu.
Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich wieder weg und setzte mich auf einen freien Stuhl am Kulissen-Rand.
Für einen kurzen Moment schließe ich meine Augen und lasse meine Gedanken streifen.Insgeheim finde ich es ja toll, hier zu sein. Hier habe ich meine Ruhe. Werde von so gut wie jedem in Ruhe gelassen. Bin weg von meinem nervigen, kleinen Bruder. Weg von meiner dummen Familie.
,,Ich fühle mich schuldig, dass ich deine Stummheit ausnutze. Aber ich muss das jetzt mal loswerden.“ ertönt auf einmal Ians Stimme neben mir. Verdammt! Ich war so in meinem Gedanken versunken, dass ich ihn nicht bemerkt habe. Aber er klingt so unendlich traurig, dass ich nichts weiter tue und ihm einfach zuhöre.
,,Seid etwas über einer Woche sitze ich nun alleine in diesem Studio. Die anderen sind gegenüber und haben so viel Spaß. Und ich? Ich sitze hier und spreche mit Tennisbällen. Ich bin alt. Und wenn man alt ist, will man nicht alleine sein. Es deprimiert mich.
Ich habe eigentlich gar keine Lust mehr, das zu machen. Klar, bald geht diese Phase des Drehs auch vorbei... Aber ich fühle mich so einsam. So traurig.“ Schwer seufzt er. Und irgendwie tut mir dieser alte Mann Leid. ,,Danke fürs nicht zuhören. Das tat gut.“ bedankt er sich noch und dann höre ich, wie er sich entfernt.Genau in diesem Moment ertönt der Gong und ich gehe wieder rüber. Jeds Make-Up muss bestimmt noch mal gebessert werden.
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Stilles Leben
FanfictionTaubstumm und auch nicht. Gefühlvoll und auch nicht. Vergangenheit und auch keine Vergangenheit. Leonora redet nicht über ihr Leben. Am liebsten würde sie es vergessen, verdrängen. Da das leider nicht geht, entscheidet sie sich dazu, taubstumm zu we...