Kapitel 9

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n e u n

"Erzähls ihm."

"Bist du lebensmüde, Mike?"

"Übertreib nicht, Liam."

"Ich mach mich doch nur lächerlich."

"Hattest du sonst nie Probleme mit."

"Das ist was anderes."

"Junge, ich kann dir bloß sagen, genieß deine Jugend solange du kannst! Denk nicht immer an morgen, es bringt dir nichts."

"Eddie hat Recht!"

"Das Leben spielt mit seinen eigenen Regeln, es verarscht dich wo es kann! Gott alleine, richtet es nicht immer, leb dein Leben solange du die Chance hast."

Erstaunt starre ich Eddie an. Er sitzt neben Mike am Tresen und starrt in sein fast leeres Glas, normalerweise höre ich als Barkeeper die rührendsten und abenteuerlichsten Geschichten, die es gibt, aber heute müssen meine Gäste mal herhalten. 
In der letzten Woche, wäre mein Plan, Zayn absolut nichts von meinen Gefühlen wissen zu lasen, fast glorreich gescheitert und das zwei Mal! Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass ich mich verliebt habe, trotzdem versuche ich mir einzutrichtern, dass es bestimmt nur die Zuneigung zu einem Menschen ist, mit dem man gut klar kommt, viel zu tun hat, und der einem viel geholfen hat. Vielleicht ist es auch ein Stück Bewunderung - für ihn, seine Persönlichkeit und seinen Lebensstil. Klingt doch logisch, oder? Immerhin steht in der Bibel auch nirgends geschrieben, dass einer seiner Jünger unsterblich in Jesus verliebt war.

Seufzend zünde ich mir eine Zigarette an und schmeiße mein Feuerzeug dann auf die Arbeitsfläche. Ich nehm‘ ein paar Züge, und kratze mich dann mit dem Daumen am Kinn, während ich den Rauch ausblase und mich mit der anderen Hand an der Theke festhalte.

"So einfach ist das aber nicht. Wenn ich es ihm erzähle und er mich dann rausschmeißen will? Ich kann Annely nicht zumuten auf der Straße zu leben, nein, ich brauch irgendetwas sicheres, irgendeinen Plan B."

"Bist du neunzehn, oder neunzig? In deinem Alter muss man auch mal Risiken eingehen."

"Aber nicht wenn man solche Verantwortungen hat."

"Du bist viel zu vernünftig für deine eigene Gesundheit."

"Ich denke einfach nur rational."

"Meine Fresse, du wurdest auch erwachsen geboren, was?"

Mike verdreht seine Augen und Eddie schüttet den Rest seines Getränks hinunter. Ich seufze und drücke meine Zigarette im Aschenbecher aus - bevor ich mich wieder an meine Arbeit mache und wartende Gäste bediene.

Den kompletten Abend über, bin ich mit meinen Gedanken nicht ganz bei der Sache, zerbreche zwei Gläser und verschütte ständig irgendetwas. Ich bin mir sicher, dass ich, wenn ich so weiter mache, am Ende des Monats bestimmt kein Gehalt überwiesen bekomme - da alle entstanden Schäden davon abgezogen werden. Frustriert werfe ich den Lappen, mit dem ich zuvor Jim Beam aufgewischt habe, in das Spülbecken und raufe meine Haare.

"Ich mal mal Pause!" Rufe ich also Pete zu, der in seinem Büro sitzt und weiß Gott was tut.

"Ist gut!"

Ich trete in den Hinterhof, in dem mich angenehm kühle Nachtluft empfängt, und setze mich auf eine niedrige Steinmauer. Obwohl wir Juni haben, und es tagsüber fast schon nicht auszuhalten ist, ist es abends doch angenehm. Es ist noch nicht ganz dunkel, aber die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Der Himmel ist wie mit dem Farbkasten gemalt - ein verwaschenes blau - der Mond scheint blass und ich glaube die ersten Sterne zu erkennen. Wie lange genau ich einfach nur dasitze und den Himmel beobachte weiß ich nicht, jedenfalls fliegen ein paar Flugzeuge vorbei und das Kribbeln auf meiner Haut wird von Minute zu Minute stärker. Je länger ich nachdenke, desto unangenehmer wird das Gefühl in meiner Magengegend. Desto mehr zweifle ich an meiner Persönlichkeit und an meinem Leben an sich. Wer bin ich eigentlich und was definiert das 'selbst' eigentlich? Was unterscheidet mich von den anderen, was ist Individualismus und bin ich der, der ich gestern war, heute bin und morgen sein werde, sind alles Fragen die mir in kürzester Zeit durch den Kopf jagen und auf die ich alle, versuche eine Antwort zu finden. Ebenfalls in kürzester Zeit. Mit Gänsehaut zünde ich mir eine Zigarette an und richte meinen Blick wieder gen Himmel - warum zweifle ich nun an meinem Weltbild? Ich hatte es mir doch aufgebaut, so wie es für mich am verständlichsten war und dann kam Zayn, mit seinen drei kleinen schwarzen Männchen und hat mich in meinen Grundfesten erschüttert. Er ist mir unter die Haut gegangen und ich merke, dass wenn ich jemals wieder ein geregeltes Leben führen will, in denen ich nicht so viel denken muss, sondern mich hinter meinem Tellerrand verkriechen kann und keinen größeren Horizont brauche, muss ich es ihm sagen, denn wenn er mich ab diesem Zeitpunkt ablehnt, kann ich das Kapitel Zayn zumindestens für immer schließen und es irgendwo in den Untiefen meines Gehirns verbuddeln.

Cigarettes and coffee l Ziam AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt