( Rachel )
Eine kleine, zierliche Schlange an seinem Handgelenk verriet, dass er dieser Grund war.
Der Grund, weshalb all das weg war, was mein Leben ausgemacht hatte.
Meine allerliebste Rachel!
Es tut mir so unendlich leid, dass du diesen Brief lesen musst.
Ich wünschte, es wäre niemals passiert.
Wir mussten alle dieses Haus verlassen, da wir hier nicht mehr sicher waren.
Halte dich von den Zabellen, den Wesen mit der Schlange am Handgelenk, fern!!
Sie sind gefährlich!
Wegen ihnen mussten wir fort.
Mache einen großen Bogen um sie!
Ich konnte dich hier nur alleine zurücklassen, da ich weiß, dass du ohne mich sicherer lebst,
und ich hoffe bald wieder zurück zu sein.
Ich habe dir in meinem Schmuckfach 500 Euro hinterlegt, mit denen du dich
versorgen kannst, bis wir wieder da sind.
Ich liebe dich!
Deine Mutter
So war es in dem Abschlussbrief gestanden, der auf dem Küchentisch lag, als ich damals von der Schule heimkam.
Mein Magen zog sich zusammen, als ich daran dachte, wie verzweifelt ich damals war.
Und noch immer bin.
Das war vor vier Wochen.
Vier Wochen.
Sie würden nicht mehr zurückkommen, da war ich mir sicher. Diese Hoffnung hatte ich aufgegeben, jetzt versuchte ich damit zurecht zu kommen.
Sie sind gefährlich, stand dort. Aber das war mir jetzt egal. Ich hatte in meinem Leben bereits schon alles verloren, was konnte mir noch passieren?
Ich brauchte Antworten.
Und genau deshalb beschloss ich hierher zu gehen und stand nun diesem Jungen gegenüber.
Dieser zog nun eine Augenbraue hoch, da ich immer noch schwieg und ihn anstarrte. Aber was sollte ich sagen?
Was sollte man einem sagen, von dem man wusste, dass er der Grund war, warum all das weg war, was man liebte?
Eigentlich sollte ich ihn jetzt anschreien, ihn schlagen, irgendetwas machen, um die schon solange angestaute Wut rauszulassen. Aber stattdessen versuchte ich ruhig zu bleiben. Irgendetwas sagte mir, dass es schlauer war jetzt nicht handgreiflich zu werden.
Ich ignorierte die seine und stellte ihm die Frage, die mir schon seit Wochen in meinem Kopf herumspukte: „Was habt ihr getan?"
Zuerst war sein Gesicht ausdruckslos, doch dann verzog es sich und er schaute mich verständnislos an. Das Runzeln seiner Stirn verunsicherte mich.
War ich hier wirklich richtig? Hatte er mit dem Verschwinden meiner Familie gar nichts zu tun? Doch er hatte diese kleine Schlange am Handgelenk. Darauf musste ich vertrauen, schließlich stand es so in dem Brief.
Ich versuchte mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen und fuhr nun etwas lauter und mit erstaunlich klarer Stimme fort: „Warum musste meine Familie wegen dir verschwinden?"
Ich funkelte ihn wütend an.
Da flackerte plötzlich etwas in seinen Augen- eine Erinnerung. Man konnte förmlich sehen, wie sich seine Synapsen miteinander verbanden und er anfing zu verstehen. Zu verstehen, was ich meinte.
Doch warum? Warum musste er erst überlegen? Man vergaß doch nicht einfach so einmal schnell, dass man vor einem Monat eine ganze Familie vertrieben hatte!? So etwas konnte man einfach nicht vergessen! Mit der Zeit kam mir der Junge immer seltsamer vor und Zorn wallte in mir auf.
Warum konnte er mir nicht einfach eine Antwort geben?
Eine Antwort auf all die Fragen, die mich schon so lange quälten?
Und stattdessen sah er mich einfach nur an. Er schien zu überlegen. Was überlegte er?
Dieser Junge machte mich kirre, weckte in mir eine Wut, die mir fremd war und- „Wie ist dein Name?", unterbrach er meinen Gedankengang.
Er versuchte gar nicht erst seine Neugierde zu verbergen.
Ich dachte nach. Weshalb wollte er meinen Namen wissen? Doch was sollte er mit diesem schon großartig anstellen?
Ich machte mir eindeutig zu viele Gedanken! Und ich war es satt. Ich war diese Welt und mein ganzes beschissenes Leben satt.
Also antwortete ich.
„Rachel", flüsterte ich mit leiser Stimme, sodass es kaum hörbar war. Doch er verstand es, das wusste ich.
Ich hatte keine Kraft mehr.
Ich konnte nicht mehr, ich war am Ende. Ich hatte Angst zusammenzubrechen, nicht mehr gehen zu können. Doch eigentlich war es mir auch egal.
Mir war alles egal.
Früher war ich ein starkes Mädchen, das sich von nichts unterkriegen lassen hat.
Doch da hatte ich noch eine Familie, noch einen Sinn in meinem Leben.
Jetzt nicht mehr.
„Rachel", sagte er sachte. „Komm mit, ich..."
Was sagte er? Ich verstand ihn nicht mehr.
Seine Stimme wurde immer undeutlicher und die Welt um mich herum immer leiser, als ob sich ein riesiger Wattebausch auf meine Ohren legte. Nun umgab mich eine vollkommenen Stille und in meinem Sichtfeld tauchten schwarze Flecken auf, die immer größer wurden und ich schließlich nichts als Dunkelheit wahrnahm.
Ich spürte nichts mehr.
Doch es war mir egal.
Vielleicht war es sogar besser so.
Warum sollte ich noch in einer Welt wohnen wollen, in der meine gesamte Familie so gut wie gestorben war?
Es war besser so.
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Heyoo :D <3
Und wieder ein neues Kapitel! :)
Danke fürs Lesen!! <3
Ich hoffe es hat euch gefallen? Lasst doch mal ein paar Kommentare da :)
Bis bald,
eure Anni
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Schöne Lügen
ФэнтезиRachel versteht die Welt nicht mehr. Eben noch war sie ein ganz normales 17-Jähriges Mädchen und plötzlich verschwindet ihre Familie und lässt sie alleine mit einem scheinbar nichtsnutzigen Brief zurück. Mit einem Schlag verändert sich ihr bisher la...