Kapitel 4 - Teegeflüster

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London, 06.12.2018

Sophia

Als wir die steinerne Treppe des Anwesens erreichen und Max ohne Umschweife die große Holztür aus dem vergangen Jahrhundert ansteuert, halte ich einen Moment inne.

Tausend Gedanken durchströmen meinen Kopf: Was wenn Keira unsere Vorschläge in der Luft zerreißt und uns damit auch die letzte Hoffnung nimmt, die Firma meiner Tante zu retten?!

Beschissener kann es eigentlich nicht mehr werden, wobei ich sagen muss, dass es alles andere als fair ist, dass Maggie ausgerechnet mich  - eine Hochzeitsphobikerin par excellence, zudem bekennende Beziehungsakrobatin/Vollniete – auserwählt hat, um ihr ihren knöchernen Hintern zu retten.

Schon jetzt drohe ich im See der hohen Erwartungshaltung zu ertrinken und das macht alles andere als Spaß.

Ein Hoch auf die familiäre Verpflichtung.

Warum sich dann einfach nicht dem natürlichen Bedürfnis hingeben, bei drohender Gefahr die Beine in die Hand zu nehmen und die Flucht zu ergreifen?!

Der Gedanke scheint so simpel, denn diesen vermaledeiten Hochzeitsjob an den Nagel zu hängen, erscheint mir im Moment als das einzig Sinnvolle.

Wäre da nicht mein schlechtes Gewissen, das sich in solchen Momenten einschaltet und mir vor Augen führt, dass ich mein soziales Empfinden meinen Mitmenschen gegenüber immer vor meine eigenen Bedürfnisse stelle.

Auch wenn ich wollte, ich könnte Maggie niemals im Stich lassen – insbesondere nicht die quirlige Max, die mir in den letzten zwei Tagen erschreckend schnell ans Herz gewachsen ist.

Also was tue ich?!

Ich versuche mich zu beruhigen und der Gedanke an ein gesichertes Einkommen für die nächsten Monate lässt mich meine ansteigende Nervosität langsam wieder in den Griff bekommen. Nie hätte ich gedacht, dass mein erster Job mir mehr Bauchschmerzen bereiten würde als das letzte Weihnachtsessen bei meiner ältesten Schwester Hannah.

Und das könnt' ihr mir glauben, das soll schon was heißen.

Mit Schrecken denke ich an diesen Abend zurück, den man wirklich in der Kategorie „Desaster im epischen Ausmaß" einordnen kann. Ein Glück, dass wir dieses Jahr wieder bei meinen Eltern feiern und mir dieser experimentelle Fraß erspart bleibt.

Nicht wie letztes Jahr endet der „heilige Abend" an einer schäbigen Pommesbude entlang der Themse - im Schlepptau meine zwei Jahre ältere Schwester Becca und billiger Fusel im Tetrapack.

Es gibt wirklich schöneres als sich am Weihnachtsabend mit verkohlten und in Fett schwimmenden Kartoffelstiften den Bauch voll zu schlagen und sich von seiner zuweilen ziemlich nervigen Schwester die Ohren voll heulen zu lassen, weil sie mal wieder von einem ihrer oberflächlichen Bekanntschaften kurz vor den Festtagen abserviert wurde.

Dieses Jahr allerdings wird alles anders...

Und damit meine ich nicht nur meine neu errungene Profession als selbsternannter Amor sondern auch die Tatsache, dass ich als Einzige in meiner Familie ohne Begleitung zum fröhlichen Weihnachtsschmaus erscheinen werde.

Bisher konnte ich mich auch immer - so gemein und frustriert es auch klingen mag -  auf meine Schwester Becca verlassen, die pünktlich zum Ende des Jahres der Männerwelt abschwor.

Das war bevor sie beschloss ihren gut bezahlten Job als Marketingassistentin an den Nagel zu hängen und als Yogalehrerin ihre neue innere Mitte zu finden.

Statt Sonnengruß und herabschauender Hund, lernte sie auf einem Fortbildungsseminar Alfie kennen und ist nun – man glaubt es kaum  - seit anderthalb Jahren glücklich liiert.

The Wedding Diary (Niall Horan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt