Prolog

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Drei Jahre zuvor

Sophia

Gedankenverloren starre ich auf meine mit Ketchup-Flecken besudelte Jogginghose und klemme meine Hände unter meine Oberschenkel. Ich trage meine ältesten Turnschuhe und habe meine graue Mütze tief ins Gesicht gezogen, sodass nur einzelne Strähnen die Sicht auf meine aschblonden Haare freigeben. Meine Laune befindet sich auf einem nicht messbaren Tiefpunkt - das ich eine gefühlte Ewigkeit auf ein Taxi warten musste, ist nur einer der Gründe.

Plötzlich höre ich das quietschende Geräusch der Bremse und spüre, wie der Wagen zum Stehen kommt. Wir sind da. Ich blicke auf und schaue zu dem Taxifahrer, der das Deckenlicht anknipst und mich erwartungsvoll durch den Rückspiegel anschaut.

Ich kann spüren wie meine zuvor wilde Entschlossenheit sich immer mehr zu einem wimmernden und verunsicherten Pochen in meiner Brust verwandelt.

Was mache ich hier eigentlich?!

Vielleicht sollte ich wieder nach Hause fahren; so wie ich es die letzten vierundzwanzig Monate, drei Tage, zwölf Stunden und vierzehn Minuten auch getan habe. Ich weiß genau, dass die Worte, die ich mir genau zurechtgelegt und deren Aussprache ich immer wieder vor meinem inneren Auge durchgespielt habe, nicht mehr zurücknehmen kann, wenn sie einmal ausgesprochen sind. Jetzt habe ich die Möglichkeit reinen Tisch zu machen und mit erhobenem Hauptes den Kriegsschauplatz der letzten zwei Jahre zu verlassen.

Doch die Frage ist: Will ich das überhaupt?!

Ich höre das Räuspern des Mannes, der mich in meinem Gedankenchaos unterbricht und ungeduldig auf das Taxameter klopft. Ich schaue auf die Anzeige und meine Augen weiten sich. 20 Pfund?! Will der mich verarschen?! Nicht mal für eine Fahrt zu meinen Eltern bezahle ich so viel und sie wohnen am anderen Ende der Stadt. Mehr als offensichtlich, dass er mich übers' Ohr hauen und aus meiner Notsituation Profit schlagen will.

Kurzzeitig überlege ich mir, die „Zeche zu prellen" und aus dem Auto zu hechten, aber zu so etwas fehlt mir einfach der Mut. Außerdem habe ich keine Lust um drei Uhr morgens, vor dem Haus meines zukünftigen Ex-Promi-Freundes aufgegriffen und womöglich noch in Handschellen abgeführt zu werden.

Keine gute Idee.

Zähneknirschend greife ich nach meiner Geldbörse und reiche ihm das Geld. Als ich aussteige, schenke ich ihm einen letzten vernichtenden Blick und stolpere auf die Straße. Kaum habe ich die Tür hinter mir zugeworfen, drückt er aufs Gas und verschwindet in der Dunkelheit der Nacht.

„Scheißkerl", fluche ich leise vor mich hin und sehe ihm nach, wie er um die nächste Straßenecke biegt.

Aufgewühlt überquere ich die Straße und laufe zu dem gusseisernen Tor des großen Hauses. Mit zitternden Händen greife ich nach dem Schlüssel in meinem Mantel und schließe auf. Bevor ich das Grundstück betrete, drehe ich mich nochmal in alle Himmelsrichtungen und sondiere meine Umgebung. Keine Menschenseele zu sehen. Die nervigen Typen scheinen noch nicht unterwegs zu sein, was darauf schließen lässt, dass er noch nicht zu Hause ist. Zum Glück gibt es ja noch vier andere, die sie beschatten können.

Man darf diese „Fotografenheinis" nicht unterschätzen, das haben mich die letzten Jahre gelehrt. Sie sind unberechenbar und gewissenslos, immer auf der Suche nach dem perfekten Skandal. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich mit meinen nächtlichen Besuchen Kopf und Kragen riskiert habe und diesen schrecklichen Menschen gerade noch in letzter Sekunde entkommen bin.

Wieder ein Problem weniger, mit dem ich mich in Zukunft auseinandersetzen muss.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir diesen Abend ganz anders vorgestellt. Normalerweise hätte ich gewartet bis er sich meldet und wäre dann zu ihm gefahren, um die Nacht mit ihm zu verbringen. So haben wir das immer gemacht, wenn er von einer langen Tournee nach Hause gekommen ist. Wir lagen im Bett, fielen übereinander her, bestellten tonnenweise ungesundes Essen, um danach völlig apathisch auf der Couch zu liegen, schwachsinnige Serien zu schauen und sich vor Lachen nicht mehr einzukriegen.

The Wedding Diary (Niall Horan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt