Regen und Sonne

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Ich glaube, wie du schon bemerkt hast, bin ich nicht die Art von Mädchen, die zu jedem hingehen und reden kann. Ich bin leise, vertraue mich nur wenigen an, was auch der Grund ist, warum ich nicht gerade beliebt und bekannt auf meiner Schule bin. Dagegen war Tamara das genaue Gegenteil zu mir. Sie verstand sich mit allen und wurde wegen ihrer netten und zuvorkommenden Art überall gemocht. Manchmal beneidete ich sie fast schon dafür. Ich machte ich mir wegen jeder kleine Sache Gedanken und steigerte mich hinein. Immer mehr hatte ich das Gefühl, dass ich für sie nichts mehr als eine weitere Freundin unter vielen wäre, das ich nichts mehr für sie wert wäre. Aber was sollte ich denn schon machen? Also versuchte ich es zu akzeptieren, doch allein wenn sie sich von mir wegdrehte und lieber mit anderen redete, als mit mir, versetze es mir einen Stich und mir war bewusst, dass ich das niemals einfach akzeptieren könnte. Vielleicht war es auch einfach nur mein eigener Kopf, der mir das vorspielte, aber dagegen konnte ich ja noch weniger etwas tun.

Wie jeden Tag, sah ich schon von weitem das graue Gebäude zwischen den einzelnen Bäumen hindurchscheinen. Alles in mir sträubte sich dagegen, auch nur einen einzelnen Schritt auf meine persönliche Hölle zuzumachen. Das einzige, was mich jeden Tag aufs neue da hineinbrachte, war dieser kleine Funke Hoffnung, der noch in meinem Kopf saß. 'Vielleicht wird es ja heute besser', 'Vielleicht passiert ja irgendwas schönes'
Meistens wurde ich jedoch enttäuscht.

Langsam öffnete ich die schwere Holztür und lief mit gesenktem Kopf auf mein Klassenzimmer zu, vor welchem auch schon einige meiner Mitschüler standen. Unter ihnen war Tamara die wild redend in einer Gruppe aus Mädchen stand. Mit kleinen Schritten ging ich zu ihr, legte meine Tasche ab und stellte mich neben sie. Auf meine Begrüßung lächelte sie leicht und erwiderte sie, was meinen Hoffnungsfunken ein wenig aufflammen ließ. Doch so schnell, wie die Hoffnung gekommen war, verging sie auch wieder, als sie sich wegdrehte und mit den anderen über irgendwas lachte. Innerlich seufzend zog ich mich ein wenig zurück und machte mich instinktiv klein.

Ich fühlte mich überhaupt nicht wohl und auch wenn ich es nicht gern mochte, wenn ich allein und abgeschottet von den anderen war, wählte ich lieber dies, als mich unwohl und schlecht zu fühlen.

So verging ein weiterer Tag...

Manchmal hätte ich mich echt dafür hassen können, wie ich war. Ich habe oft überlegt, was ich alles hätte besser machen können, damit sich alles zum Guten gewendet hätte, doch ich wusste eh, dass ich nie diese Möglichkeiten in die Realität umgesetzt hätte.

Langsam stieg ich aus dem Bus und kniff die Augen zu, so hell leuchtete die Sonne. Ich hatte gar keine Zeit, mich zurecht zu finden, denn da krachte ich auch schon in eine Person hinein. Ich murmelte ein leises 'Entschuldigung' und wollte schon weiterlaufen, als ich mich doch entschied, der fremden Person ins Gesicht zu blicken.

Es war ein Mädchen, etwa ein Jahr jünger als ich, das jedoch einen Kopf größer war als ich. Sie hatte braune lange Locken und blickte mich durch ihre Brille freundlich an. 'macht nichts!', kam von ihr nur zurück und im nächsten Moment war sie schon weitergelaufen. Ich wusste, dass sie hier irgendwo auf die Schule ging, da ich sie schon ein paar mal gesehen hatte, doch gerade in diesem Moment wollte ich nichts lieber, als endlich in die schützenden Wände meines Zimmers zu kommen, also machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber.

Schützende Wände. Ja, zu dieser Zeit empfand ich es noch als schützend.....
Doch auch dieser Schutz wurde mir in dieser sonderbaren Nacht genommen, als der Schatten sich kalt in mir verankert hatte, wie ein Virus.

Das Mädchen ohne SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt