22. August

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Lieber Maxi,
Deine lebensfrohen Augen spiegeln sich schon in der Klinge, auf die du zuläufst. Noch sind sie verschwommene Flecken; du bist noch zu weit weg.
Bemerkst du das Messer wirklich nicht?
Es blitzt so auffällig in der künstlichen Sonne.
Fällt dir nicht auf, wie dich Papa, unsere strenge Schimpfnatur, gar nicht mehr kritisiert? Er lobt dich bei jeder Kleinigkeit. Sag bloß, du hast vergessen, wie er uns damals jeden Tag ein wenig kritisierte. Uns beide. Die restliche Zeit haben wir alle stets gelacht, während wir Filme geschaut, Spiele gespielt und zusammen gelernt haben.
Hörst du nicht, dass sich sein Lachen heute auf irgendeine Art, die sich nicht so wirklich definieren lässt, verzerrt anhört? So unwirklich. Beim Lächeln erreicht sein rechter Mundwinkel außerdem nie die gleiche Höhe wie früher.

Zu dem farbenfrohen Gemälde von einst kommt immer mehr graue Farbe dazu.

Briefe an dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt