Hallo ich bin Lisa

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Auf leisen Sohlen, schleiche ich durch das Wohnzimmer, damit ich ihn nicht erschrecke. Er sitzt noch immer in seinem Nadelstreifenhemd am Mahagonischreibtisch, den Kopf in die eine Hand gestützt und mit der anderen zeichnet er wild etwas in ein schwarzes Buch. Schlagartig wird mir bewusst was er gerade tut und ich hechte die letzten Zentimeter zu ihm, um das Buch aus seinen Fängen zu reißen. Doch ich habe seine Schnelligkeit und die damit verbundenen Reflexe nicht bedacht. Gerade als ich ihn erreicht habe, verrate ich mich selbst indem ich unachtsam eine Vase anremple, die laut scheppernd auf das Laminat kracht. Wie angewurzelt bleibe ich stehen, während er blitzschnell das Buch zuschlägt und es in die Schublade unterhalb der Tischplatte sperrt. 

"Light, was hast du getan?", schreie ich ihn wütend gestikulierend an und gehe einen weiteren Schritt auf ihn zu. Seine schwarzen Augen schauen kühl auf mich hinab, sie verspotten mich regelrecht, was die Wut in mir nur weiter entfacht.

"Das weißt du doch genau Lisa, stell dich nicht so an", antwortet er mir in einem arroganten Ton, der mich zum explodieren bringen könnte. Noch immer starrt er mich von oben herab an und macht keine Anstalten von der Schublade zu weichen, lediglich seine Hand wandert durch seine dunkelblonden, wuscheligen Haare, um sich eine Strähne aus dem kantigen Gesicht zu streichen. Fassungslos schüttele ich mit dem Kopf. Früher war ich stets seiner Meinung gewesen, ich konnte mit reinem Gewissen behaupten seinen Weltansichten beizupflichten, doch seit ein paar Jahren driftet er allmählich von unserem Hauptziel ab. Immer öfter ließ er sich von seinem blinden Hass, anstelle seines Sinnes für Gerechtigkeit leiten und das brachte uns nur noch tiefer in den Sog der Schwierigkeiten.

"Mach nicht wieder den selben Fehler wie vor zwei Jahren", flehe ich ihn mit großen Augen an. Ich kann  in seinem verzerrten Gesichtsausdruck erkennen, das er genau weiß worauf ich hinaus will, doch meine Worte scheinen ihn nicht zu bewegen. Seine eben noch angespannten Muskeln, entspannen und glätten sich sofort wieder. Mit demselben arroganten Ton spricht er weiter:

"Sie hatte es verdient und ihre Schwester kann froh sein, dass ich nicht weiß wo sie steckt." Seine Aussage jagt mir einen eiskalten Schauer nach dem anderen über den Rücken. Meine Fäuste ballen sich ganz von allein und im nächsten Moment, ohne groß darüber nachzudenken, lasse ich sie auf ihn zu sausen. Light muss es geahnt haben, binnen weniger Sekunden reagiert er und weicht meinen Schlägen geschmeidig aus, bis er schließlich hinter mir steht und meinen schlanken Körper mit seinen muskulösen Armen umschlingt. Sein Griff ist eisern und zeigt kein Erbarmen. In meiner rasenden Wut versuche ich mich mit Leibeskräften gegen ihn zu wehren und mich zu befreien, aber nach wenigen Minuten sehe ich ein, dass es keinen Zweck hat und lasse mich schlaff in seiner Umarmung hängen. Ganz abrupt lässt er mich los, sodass ich nach vorn wegkippe. Ich schaffe es gerade noch den Sturz mit meinen Händen abzufangen, ehe ich mit dem Fußboden kollidiere. Light gibt sich nicht einmal die Mühe mir aufzuhelfen, stattdessen vernehme ich aus den Augenwinkeln, wie er mit lässigem Gang das Wohnzimmer verlässt, dann höre ich die alten Holzstufen der Treppe knarren und weiß, dass er jetzt schlafen gehen wird. Wieso ist er nur so Gefühlskalt? Das Gewicht meines Herzens hat sich während unseres kleinen Streits auf das doppelte erhöht und sticht nun schmerzhaft in meiner Brust. Traurig lasse ich mein Gesicht in meine zarten Hände gleiten und denke über seine harten Worte nach. Schuldgefühle drängen sich aus meinem Unterbewusstsein hervor. Du hast ihn nicht aufgehalten! Er hat ihre Familie zerstört! Ihr seid Mörder! Unzählige Stimmen schreien in meinem Kopf herum, energisch schüttele ich ihn, damit sie aufhören. Meine langen blonden Haare, die ich mir zu einem Dutt gebunden hatte, lösen sich aus ihren Knoten und legen sich nun wie ein Vorhang über mein tränennasses Gesicht. Ja ich hätte ihn damals stoppen müssen, nur wusste ich nicht was er vorhatte, bis es zu spät war und die Namen und Gesichter ihrer Adoptiveltern weitere Seiten des schwarzen Buches füllten. Von da an wich er von unserem eigentlichen Plan, Mörder und Verbrecher mit Hilfe unserer besondern Gabe zur Strecke zu bringen, ab. Nachdem ich sein Werk betrachtet hatte, gerieten wir wie heute in einen ähnlichen Streit. Er erklärte mir es sei notwenig gewesen, unsere ehemalige Freundin wollte uns verraten, als sie von unserem Geheimnis erfuhr und mit dem Tod ihrer neuen Familie sollte sie daran erinnert werden, dass sie nirgends sicher vor ihm war. Leider verstand er nur eines nicht, mit dem Mord an ihrer Familie und all den weiteren sinnlosen Ermordungen, rückte er uns weiter in das Visier der Hunter, die Sorte Mensch, die uns Abtrünnige Finsterkinder jagt und für immer in das Reich der Dunkelheit verbannen wird. In dem Moment erkannte ich meinen geliebten Light nicht wieder. Ich schloss mich ihm an und ließ meine Freunde für ihn im Stich und plötzlich verwandelte er sich in ein Monster. Jedoch war meine Liebe zu ihm größer als jene Angst, die langsam in mir heran wuchs.

Tief in mir wusste ich, er würde meine Gefühle niemals erwidern, aber ich hoffte durch meine Unterstützung und den Glauben an ihn und seine Kraft, erkannte er irgendwann was er an mir hat.

Schwermütig erhob ich mich vom Boden, um die Keramikscherben der Vase aufzulesen. Nachdem ich die kaputte Vase entfernt habe, gehe ich noch einmal zurück ins Wohnzimmer und bleibe vor der Schublade stehen, in der das schwarze Buch liegt. Ich kann den Tod spüren, den diese Seiten ausstrahlten und dieses Gefühl jagt mir eine Gänsehaut über meinen Körper, obwohl ich weiß, das einige der Gesichter in dem Buch mein Verschulden sind.

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Ich weiß das deine Idee vom Anime "death note" stammt und habe mich da ein bisschen belesen, wollte aber trotzdem meine eigene kleine Note mit herein bringen. Ich hoffe das ist okay für dich ♥

Especially for you <3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt