Am nächsten Tag wachte ich erstaunlich spät auf. Normalerweise war ich ein Frühaufsteher. Es gab nichts Schöneres, als morgens um fünf durch die menschenleeren Straßen Aucklands zu joggen. Etwas, das ich fast jeden Morgen tat. Nur an diesem Morgen, dem, nachdem ich Alia kennengelernt hatte, nicht.
Als ich um acht aufwachte, war es zu spät, um joggen zu gehen, da die Straßen dann schon zu überfüllt waren. Überall liefen die Menschen vorbei und diese schöne Einsamkeit, die ich so sehr genoss, war dann verloren.
Seufzend stand ich schließlich auf und genehmigte mir erst einmal einen Kaffee. Meine Kaffeemaschine war neben meinem Klavier, meinen Gitarren und meinem Schlagzeug - vermutlich das einzig Teure, das ich besaß. Alle anderen Dinge konnte ich mir ums Verrecken nicht leisten. Das Kellnern brachte gerade genug zum Leben. Es war nun mal ein Scheißjob.
Meine Gedanken schweiften mal wieder weit umher und beleuchteten praktisch das ganze Drama meines Lebens. Ich dachte viel zu viel nach. Eigentlich sollte ich am besten nur meinen Kaffee trinken und danach Sachen machen, die erfolglose Rocker eben so machten. Alkohol trinken, Lieder schreiben und sich tätowieren lassen. Auf mich traf keine dieser Eigenschaften zu. Lieder schreiben konnte ich nur dann, wenn mich mal wieder eine hatte sitzen lassen - unsere Band hatte Glück, dass dies relativ oft vorkam - und mein kleines Tattoo, welches einen Satelliten darstellte, aus dem eine Note hervorquoll, zählte wohl nicht so ganz.
Tief in Gedanken versunken schlürfte ich meinen Kaffee schließlich aus und setzte mich an mein Klavier. Ich besaß es schon seit meinem achten Lebensjahr, als ich mit dem Klavierunterricht begonnen hatte. Meine Eltern hatten es für mich gekauft, genauso wie mein Schlagzeug und zwei meiner drei Gitarren. Ohne ihnen hätte ich nie in der Band spielen können, was irgendwie Ironie des Schicksals war, da meine Eltern nichts mehr hassten als die Vorstellung von mir in einer Band. Das es dann auch eine Rockband war, würde es das Fass zum Überlaufen bringen, vorausgesetzt sie würden es jemals erfahren. So gesehen war es ganz praktisch, dass wir so unbekannt waren.
Meine Finger glitten wie von selbst über die Tasten und spielten alle möglichen Melodien. Traurige und fröhliche, alte und bekannte und irgendwann etwas ganz Neues. Die Klänge breiteten sich im Raum aus und erfüllten alles um mich herum mit einer Sehnsucht, die nur Musik erzeugen konnte. Ich lächelte, als ich erkannte, dass ich soeben einen neuen Refrain komponiert hatte. Dem Klang nach, würde es eine Ballade werden und so ließ ich meine Finger einfach weiter über die Tasten wandern und summte Melodien dazu.
Ich verlor mein ganzes Zeitgefühl, während ich sang, schrieb und die verschiedenen Stimmen einspielte. Dieses Mal schien alles von selbst zu gehen, obwohl ich keinen Korb bekommen hatte und auch nicht sitzen gelassen worden war. Ich war jedoch zu gefangen in der Musik, um mich darüber zu wundern und musizierte einfach weiter.
Als schließlich die Sonne unterging, erwachte ich aus meiner Trance und stellte fest, dass es schon fünf Uhr war. Genau jetzt fing meine Schicht im Paradise an, dem Restaurant, in dem ich arbeitete.
„Fuck", entwich es mir und ich legte meine Instrumente schnell bei Seite und rannte in mein Schlafzimmer, um meine Arbeitskleidung anzuziehen. Wenn ich mich beeilte, schaffte ich es vielleicht noch, nur fünfzehn Minuten zu spät zu kommen, was zwar immer noch scheiße war, aber besser als die halbe Stunde, die ich ansonsten zur Arbeit brauchte. Ich rannte die Treppe vor meiner Wohnung hinunter und flitzte in die Garage, um mein Fahrrad zu holen, dass ich fast nie benutzte. Normalerweise fuhr ich mit dem Auto oder lief.
Mit dem Fahrrad kurvte ich, sämtliche Verkehrsregeln ignorierend, in einem Affentempo durch die Straßen zum Paradise. Es war etwa drei Kilometer von meiner Wohnung entfernt und wenn man sich beeilte und über rote Ampeln fuhr, schaffte man es tatsächlich in guten zehn Minuten dorthin. Schwer atmend stieg ich sechzehn Minuten zu spät von meinem Fahrrad, schmiss es in eine Ecke vor dem Angestellteneingang und rannte in das Restaurant herein. Mein Chef wartete bereits auf mich.
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Ein Abend frisch gemähtes Gras | LESEPROBE
Teen FictionEigentlich ist Bennet Carter ein Loser. Seine Band ist genauso erfolglos wie seine Suche nach der Einen. Einzig und allein sein Groupie scheint ansatzweise an diese Rolle heranzukommen. Doch da trifft Bennet auf Alia, ein Mädchen, dass sich wann imm...