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Ich rannte.
Ich wusste weder wohin, noch aus welchem Grund, ich konnte ja schlecht mir selbst entfliehen.
Doch fiel mir kein anderer Möglichkeit ein, mit dieser Situation umzugehen.

Vielleicht war es ja auch nur ein Traum?
Kurz spielte ich mit dem Gedanken von einer Brücke oder ähnliches zu springen, da dies immer die Momente waren, in denen ich schweißgebadet aus einem Alptraum erwachte, jedoch war mir das Risiko letztentlich doch zu groß, bloß in meiner eigenen Blutlache aufzuwachen, regungslos und immernoch unwissend, was in dieser Nacht mit mir geschah.

Während ich weiter ziellos durch den Wald lief, über ein kleines Feld, überkam mich das Gefühl verfolgt zu werden. Doch war es weder Mensch noch Tier, nein, die dicken tiefgrauen Wolken über mir schienen sich, trotz der Windstille, einen Weg zu mir bahnen zu wollen.

[...]

Die Zeit verging wie im Flug. Als sich die ersten Lichtstrahlen durch das dichte Blätterdach kämpften und mit ihrer angenehmen Wärme auf mein Gesicht fielen, verließ ich den dicken Baum, unter welchem ich seit Stunden verharrte und machte mich wieder auf den Heimweg.

Doch wie zur Hölle sollte ich meinen Pflegeeltern erklären, dass ich mich mitten in der Nacht dazu entschlossen hatte, kurz ein Ründchen durch den Wald zu laufen? Vermutlich gingen sie davon aus, dass ich bis in die Puppen in meinem Bett
liegen bleiben würde, um gemütlich in das Wochenende zu starten.

Der Gedanke, ihnen meine momentane Situation nahe zu legen, verflog sogleich er mir gekommen war. Ich würde ja selber erstmal gerne erklärt bekommen, was hier los war.
Doch von wem?

Ich war zu erschöpft, um mir noch weitere Gedanken über diese schier aussichtslose Situation zu machen und hoffte einfach, sie würden noch schlafen.

Leise öffnete ich mein Fenster, ich versuchte es zumindest, jedoch reichte ein kurzer, jedoch heftiger, Windstoß schon aus, um mir das Fenster aus der Hand zu reißen und es gegen meinen Schrank knallen zu lassen.
Spitze..
Schnell huschte ich in mein Zimmer, zog meine dreckigen Schuhe aus und schmiss meinen Mantel auf den allseits bekannten Kleiderstuhl.

Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen, wobei ich mindestens 10 Wirbel habe knacken hören, vermutlich zumindest.

Mit letzter Kraft hob ich meinen Kopf um zu gucken wie spät ist war.
07:24
Eindeutig zu früh.
Die Ereignisse der letzten Stunden waren für einen kurzen Moment wie fortgeweht und nur wenige Sekunden nachdem ich meine Augen schloss, fiel ich auch schon in einen tiefen Schlaf.

"HAPPY BIRTHDAY TO YOU..
HAPPY BIRTHDAY TOOO YOUU..
HAPPY BIRTHDAAAY, LIEBE LIIVV..
HAAPPPY BIIIRTHDAAY, TOOO YOUUUU"

Verschlafen blinzelte ich und versuchte die verschwommenen Gestalten vor meinem Bett Personen zuzuordnen, dass viel zu grelle Licht dieser neuen LED Leuchten, erschwert mir dies jedoch ungemein.
Schließlich erkannte ich meine beiden Pflegeeltern, Polly und Thomas, die mit einem breiten Grinsen und einem beachtlichen Kuchen vor meinem Bett standen.

"Alles Gute Schatz!" Entgegnete mir Polly freudestrahlend.
"Alles Gute zum Geburtstag Kleine" kam es nun auch von Thomas.

Geburtstag?.. stimmt, heute war mein Geburtstag!!
Ich konnte es selber kaum fassen das ich es vergessen hatte. Bei der ganzen Aufregung letzter Nacht konnte man mir das allerdings auch nicht übel nehmen.
Warte Mal, letzte Nacht.. meine Hände, das Wasser, der Wasserball.
War es doch nur ein Traum gewesen?
Ich weiß es nicht, doch hatte ich gerade auch keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen.

"Jetzt aber los! Du musst die Kerzen auspusten!" Sagte Polly, die mich mit erwartungsvollen, großen Augen ansah.

Leichter gesagt als getan, bei 16 Kerzen musste man schon ein ordentliches Lungenvolumen haben, um dies beim ersten Versuch zu bewältigen.
Erfolgreich.

"Danke! Was ist das für ein Kuchen?" Fragte ich und setzte ein Lächeln auf.

"Schocko Banane, wie der den wir zu Ostern Mal gegessen haben, den mochtest du doch so gerne" antwortete Polly fröhlich.

"Jetzt aber raus aus den Federn, wir haben schon 10 Uhr! Du kannst doch nicht deinen kompletten Geburtstag verschlafen".

Ja, wenn du nur wüsstest..

Polly und Thomas gingen aus meinem Zimmer und bereiteten den Geräuschen nach zur Urteile, gerade das Frühstück vor.

Mit einem Gähnen schlug ich meine Decke nach hinten und setzte meine nackten Füße auf den leicht angewärmten Parkettboden ab. Ich musste an die letzte Nacht denken.
Mein Blick viel auf meine Schuhe, die von oben bis unten voller Matsch waren.
Okey, dann war es wohl doch kein Traum gewesen.
Doch erklären konnte ich mir die Geschehnisse trotzdem nicht.
Zumindest war das Kribbeln in meinen Fingerspitzen so gut wie verschwunden.

Schnell zog ich mir einen dicken Pullover über und schlüpfte in eine enge Jeans.

Als ich schließlich in die Küche ging, war der Tisch wie erwartet schon gedeckt. Welch ein Service.

"Gut geschlafen?" Fragte Thomas, während er ein Brötchen Aufschnitt.

Naja die 2 1/2 Stunden die mir noch gegönnt wurden.. "ja sehr gut" antworte ich und setzte mich an den Tisch.

Im meinem Glas war bereits Orangensaft eingeschüttet. Ich begutachtete es skeptisch.

"Alles okey Liv?"

"Ja, alles bestens" entgegnete ich hektisch und nahm das Glas in die Hand.
Da war es wieder, dass Kribbeln!
Ohne einen Schluck getrunken zu haben stellte ich das Glas wieder auf den Tisch.

"Kann ich kurz aufstehen? Ich muss nur kurz was von oben hohlen".
Ohne auf eine Antwort zu warten lief ich die Treppen hoch ins Bad.

"Okey.. also, ganz ruhig" versuchte ich mich selber zu beruhigen.
Ich ließ das Waschbecken mit Wasser voll laufen und meine Hände ins kühle Nass versinken.
Es kribbelte.
Ich formte meine Hände wie zu einer Schale und kurz darauf befand sich ein Wasserball in meinen Handflächen.
Ich war fasziniert und geschockt zugleich.
"Es war kein Traum, es war ganz eindeutig kein Traum" flüsterte ich leise in mich hinein.

Ein lautes, unangenehm schrilles klingeln riss mich aus meiner Faszination.
Wer ruft denn bitte um die Uhrzeit an einem Samstagmorgen an?

The School of ElementsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt