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Was zur Hölle war das denn gerade?!
Da stand ich nun, mit offenen Mund und weit aufgerissen Augen.

"Wie wie.. wie hast du das gemacht?!"

"Irgendwann wirst du das auch können Liv. Ich habe dich gestern Nacht beobachtet.
Du kannst jetzt schon Wasserbälle formen, dass ist wirklich gut! Sogar sehr gut..und dann auch noch nach so kurzer Zeit.."

Ich schaute ihr tief in ihre strahlend blauen Augen. Wow, sie meinte es wirklich ernst.

Ich hatte nicht einmal ansatzweise eine Ahnung, was ich da eigentlich mit dem Wasser angestellt hatte, aber gut.. wenn sie meint.
Doch, wer ist SIE eigentlich? Sylvia, ja den Namen wusste ich, aber sie hätte genau so gut Fred heißen können, dass hätte mir vermutlich ähnlich wenig genützt.

"Und wie kommt es, dass du mir erst jetzt davon erzählst? Ich hätte es wirklich nicht übel gefunden, darauf vorbereitet zu sein, mitten in der Nacht schweißgebadet aufzuwachen, mit dem Gefühl, 250 Volt würden durch meinen Körper schießen!"

Meine Stimme hatte sich wieder leicht erhöht und offensichtlich bin ich Währenddessen nach vorne geschritten, da mich nun nur noch wenige cm vom Wasser trennten.
Ich war etwas verblüfft, als ich sah, wie traurig sie mich nun anblickte.
Es schien ihr tatsächlich Leid zu tun.
Schon meldete sich das schlechte Gewissen in mir.

Sie zögerte kurz.
"Ich muss dir etwas sagen.. du wirst vermutlich Zeit brauchen um das, was gleich folgen wird, zu verarbeiten, aber diese Zeit haben wir nicht. Ich werde dir alles erklären. Ich verspreche es dir! Aber momentan läuft uns einfach die Zeit davon"

Angespannt warte ich darauf, was Sylvia mir nun sagen wollte. Obwohl, um ehrlich zu sein glaube ich eher, dass sie mir diese Information nicht aus freien Stücken übermittelte, dafür war die Angst in ihren Augen viel zu groß.

"Ja, was musst du mir denn sagen?"
Mit einer viel zu lang angesetzten Pause verstärkte sie die aufkommende Spannung ungemein.

"Okey Ehm.. ich weiß nicht wie ich es dir am besten sagen soll aber..

Ich bin deine Mutter"

- WAS??? Mein Kopf explodierte förmlich.

"Ich weiß das kommt ziemlich plötzlich. Ich wollte es dir ja schon früher sagen, aber so war es das beste für dich, glaub mir bitte. Ich wollte dich nicht weggeben... Aber die Umstände haben es nicht anders zugelassen"

Flehend sah sie mich an.
Was erwartete sie jetzt von mir? Sollte ich ihr freudestrahlend in die Arme springen?
Ihr von jetzt auf gleich verzeihen, dass sie mich jahrelang alleine gelassen hat?? Sie hatte ja keine Ahnung wie es sich anfühlt, wenn man von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht wird..
3 Familien hatte ich schon durch, bis ich nun endlich eine gefunden hatte, in der ich mich wohl fühlte. Okey, Thomas und Polly waren auch nicht perfekt, auch sie hatten ihre Macken. Aber gerade dafür liebte ich sie. Sie hatten mich von Anfang an in ihr Herz geschlossen...
Und jetzt? Ein Satz und mein ganzen Leben machte eine Kehrtwende.

"Sag doch was.." kam es nun mit einer zittrigen Stimme von ihr.
Ich hatte bei ihr irgendwie nicht das Gefühl, mit einer erwachsenen Person zu reden, woran das lag, wusste ich jedoch selber nicht.
Vielleicht, weil sie allgemein noch ziemlich jung war. Ich schätze Mal Ende 30.
Oder lag es doch allgemein an ihrer Art? Ich wusste es nicht.

"Was soll ich denn deiner Meinung nach sagen? Sylivia, Mum. Du kannst doch nicht nach 16 Jahren hier auftauchen und mir nachts, mitten im Nirgendwo, einfach sagen, du wärst meine Mutter"

Schweigend sah sie mich an

"Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut, ich kann sowas gerade einfach nicht gebrauchen"

Und schon hatte ich wieder ein schlechtes Gewissen.
Ich konnte meine Gefühle gerade einfach nicht ordnen und erst Recht nicht kontrollieren.
Okey Liv, tief durchatmen.

"Tut mir leid, so meinte ich das nicht"
Ja doch, eigentlich schon, aber was soll's.

Schuldbewusst schwenkte sie ihren Blick, welcher zuvor auf dem Boden vor ihren Füßen ruhte, zu mir.
"Schon gut. Du kannst ruhig sauer auf mich sein. Du hast jedes Recht dazu"

Ihre Gesichtszüge wurden nun etwas härter, sie sah gleich viel erwachsener aus.

"Wegen deiner Frage, warum ich dich gerade jetzt aufsuche.. du musst mit mir mit kommen. Es gibt eine Art Internat, in der du lernen wirst, deine Fähigkeiten zu kontrollieren. Du denkst vielleicht, du könntest deine Kräfte unterdrücken oder sie würden dir keine Probleme bereiten, auch wenn du sie nicht kontrollieren kannst, aber ich kann dir versichern, dem ist nicht so.
Früher oder später werden sie dich übermannen. Wahrscheinlich eher früher als später, bei deiner Kraft.."

Das meint sie doch gerade nicht ernst, oder?
Für meinen Geschmack waren das schon mehr als genug Einschnitte in mein derzeitiges Leben.
Erst die Tatsache, dass ich nun, dem Anschein nach, eine Wasserbändigerin bin.
Als ich mir den Begriff 'Wasserbändigerin' ein weiteres Mal durch den Kopf gehen ließ, wurde mir erst Bewusst, wie verrückt das klang.
Dann kreuzt plötzlich eine mir fremde Person auf, die sich als meine Mutter ausgibt und als wäre all das noch nicht genug.. nein, jetzt soll ich auch noch Thomas und Polly verlassen, mein komplettes Leben auf den Kopf stellen, um mich noch mehr Verrückten auszusetzen.
Nicht mit mir.

Kopfschüttelnd ging ich einige Schritte rückwärts.
"Nein. Nein.. das mach ich nicht. Das kannst du nicht von mir verlangen"

"Es ist doch nur zu deiner eigenen Sicherheit!"

"Meine Sicherheit? Warum ist dir mein Wohlbefinden plötzlich so wichtig? Dich hat es doch die letzten 16 Jahre auch nicht gekümmert, wie es mir geht"

Sylvia ging mit ausgestreckten Armen auf mich zu, als würde sich mich festhalten wollen.
"Das hatte alles seinen Grund Liv. Du verstehst das jetzt noch nicht. Komm mit mir mit, hier ist es nicht mehr sicher"

Als ich mich umdrehen wollte, um in Richtung Zuhause zu fliehen, wurde ich plötzlich von einem heftigen Luftstoß zurückgewirbelt.
Panisch schaute ich mich um.
3 Gestalten kamen hinter den Bäumen zum Vorschein.
Alles ging ganz schnell.
Ich bekam nur noch mit, wie mich Sylvia mit einem Gesichtsausdruck ansah, den ich nicht deuten konnte. Ich vermutete, es war eine Mischung aus Schuld, Trauer und Mitleid.
Woran ich mich jedoch genau erinnern konnte, war, dass sie keinerlei Anstalten machte, mir zu Hilfe zu eilen, wärend die ebenfalls in schwarze Mäntel gehüllten Gestalten mir immer näher kamen.

Ein leichtes Nicken von ihr-
Mir wurde schwarz vor Augen.

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