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-"Ja hallo?"
-"Wer sind Sie denn?"
Hörte ich Polly mit einer argwöhnischen Stimme fragen, nachdem sie das Telefonat angenommen hatte.
-"Nagut, einen Augenblick"
"LIV? HIER IST JEMAND FÜR DICH"

Erst in dem Moment fiel mir auf, dass ich mich mit meinen nassen Händen an dem Türrahmen des Badezimmers festhielt und gespannt das Gespräch, welches aus der Küche nach oben dran, belauschte.

"ICH KOMME" rief ich die Treppe hinunter und trocknete meine Hände schnell an einem Handtuch ab.
Unten angekommen nahm ich das Telefon entgegen und fragte Polly leise wer denn dran war.
Sie zuckte kurz mit den Schultern und antwortete flüsternd, dass es irgendjemand von der Schule sei.

"Ja bitte?" Fragte ich mit erhoben Augenbrauen, während ich langsam und bedacht darauf, nicht zu stolpern, die Treppen wieder hinauf schritt.

Eine warme, unglaublich angenehme weibliche Stimme dran durch den Hörer.
"Hallo Liv".
Ich wusste nicht woher, doch kam mir diese Stimme irgendwie vertraut vor.
Ich dachte kurz daran, dass Polly eben meinte, es sei jemand von meiner Schule.
Eine Lehrerin? - nein, zumindest keine die ich schonmal hatte.
Eine Schülerin? - vermutlich nicht, dafür klang die Stimme viel zu erwachsen.

"Wer spricht denn da?" Entgegnete ich mit neugieriger Stimme.

"Mein Name ist Sylvia.. es ist schon lange her, du erinnerst dich vermutlich nicht mehr an mich aber.."

Die letzen Worte waren geprägt von einem mir unbegreiflichen Schmerz. Ich kannte diese Person nicht, doch war es wie ein Stich ins Herz, als diese sanfte warme Stimme zu verreisen drohte.

".. ich weiß was letzte Nacht mit dir geschehen ist".

Es fühlte sich einen kurzen Moment so an als würde jeder Tropfen Blut in meinem Körper gefrieren. Mit dieser Antwort hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Wie lange ich bewegungsunfähig mit dem Telefon am Ohr die weiße Wand im Treppenhaus ansah? Ich wusste es nicht.
Was ich jedoch wusste war, dass die Stimme am anderen Ende der Leitung mich mit einem besorgten "bist du noch dran?" aus dieser Schockstarre befreite.
Ich schüttelte mich kurz.

"Woher weißt du davon?
Was ist mit mir passiert?
Wieso gerade mir?
Wer bist du?!"

Die Fragen sprudelten ungebremst aus mir raus, wobei ich von Frage zu Frage immer lauter wurde. Mit aufgerissen Augen wartete ich ungeduldig auf eine Antwort.
Ein Moment der Stille.

"Wir müssen uns treffen. Heute bei Einbruch der Nacht an der kleinen Lichtung am Bach."

Sie legte auf.

Na super. Was war das denn gerade?
Erst die Geschichte mit dem Wasser und jetzt auch noch eine mir fremde Person, die es für Nötig hält, sich mit mir zu treffen.
Doch wusste sie wirklich was es mit diesen 'Kräften' auf sich hatte?
Naja, irgendwas musste sie ja wissen.

Die Gedanken kreisten unwillkürlich durch meinen Kopf als ich das Telefon wieder nach unten brachte.
Die fragenden Blicke meiner Pflegeeltern bemerkte ich erst nachdem sie ein neugieriges "und?" äußerten.

"Ehm ja, war eine Lehrerin von mir.
Sie.. wollte nur bescheid sagen, dass wir am Montag wegen dem Ausflug 15€ mitnehmen sollen"

Meine Stimme klang leider nicht so überzeugend wie ich es erhofft hatte, doch genügte es dem Anschein nach.
Polly und Thomas nickten leicht und widmeten sich im Anschluss wieder dem genüsslichen Verspeisen des Frühstücks.

Der Tag rauschte an mir vorbei.
Freunde kamen, Freunde gingen.
Geschenke wurden überreicht, Geschenke wurden geöffnet.
Auch fand das ein oder andere Stück Kuchen einen Weg in meinen Magen, doch wirklich teilgenommen hatte ich an dem ganzen Geschehen nicht.
Meine Gedanken waren schon längst bei dem kleinen Bach und bei der Frau, die hoffentlich für etwas Klarheit sorgen würde.

Ja, ich hatte mich dazu entschlossen bei Einbruch der Nacht diesen Platz erneut aufzusuchen.
Ob ich Angst hatte? Nicht wirklich.
Beängstigender war eher die Vorstellung, weiter von dieser Ungewissheit geplagt zu werden.

Als sich die Dunkelheit langsam über das kleine Dorf, in dem ich seit ungefähr 3 Jahren wohnte, ausbreitete, machte ich mich auf den Weg.
Dieses Mal jedoch vorbereiteter.
Dicke Stiefel, und eine Daunenjacke sollten mich heute vor der nächtlichen Kälte bewahren. Eine Taschenlampe war ebenfalls dabei, da ich mir eine in der Nacht zuvor sehnlichst herbei gewünscht hatte.

Es dauerte gut eine dreiviertel Stunde, bis ich das leise rauschen des Baches hören konnte. Kurz darauf erblickte ich eine dunkle Gestalt, welche mir den Rücken zugekehrt am Bach stand. Das Licht des Mondes reflektierte auf dem Wasser, es sah so aus, als würden die Schnellen des Baches hunderte, glitzernde Sterne, mit sich reißen.

Ich verlangsamte meine vorsichtig platzierten Schritte und inspizierte penibel die in einen schwarzen Mantel gehüllte Person.
Lange, kohlschwarze Haare legten sich wie ein dicker Vorhang über den ebenso schwarzen Mantel, welcher fast bis zum Boden reichte. Jeh näher ich der Person kam, desto zierlicher wurde sie.
Sie war kaum größer als ich, mit meinen 1,65m.

Langsam näherte ich mich Schritt für Schritt. Ein lautes knacken. Ich blieb schlagartig stehen, ich war auf einen Ast getreten. Die Person vor mir zuckte kurz zusammen und drehte sich zu mir um.
Leuchtend blaue Augen strahlten mir entgegen, mein Blick haftete an diesen wunderschönen blauen Augen, ich konnte ihn einfach nicht abwenden.

"Hallo Liv, schön das du gekommen bist"

Da war sie wieder, diese weiche, warme Stimme.

Es war so als wären all meine Fragen, allgemein mein komplettes Vokabular, mit dem Wasser des Baches fortgespült worden. Es war beängstigend welche Wirkung diese Person auf mich hatte.
Ich schüttelte mich kurz, um mich dem Bann dieser strahlend blauen Augen zu entziehen. Mit neu geschöpften Mut ordnete ich die wirr in meinem Kopf verteilten Buchstaben und brachte ein leises "Hallo" zu Stande.

"Mein Name ist Sylvia, dass hatte ich dir ja schon am Telefon gesagt.. Du hast wahrscheinlich unendlich viele Fragen, hab ich Recht?"
Fragte sie zögerlich.

Jaaa, allerdings! Falls sie mir wieder eingefallen würden.

"Ich.. ich will.."
Ein leichtes Kribbeln durchfuhr meine Fingerspitzen. Das Kribbeln! Das Wasser! Ich konnte wieder einen klaren Gedanken fassen.
"Ich will einfach nur wissen was mit mir geschehen ist. Warum kann ich plötzlich Wasserbälle formen? Wie kann sowas überhaupt möglich sein? Was hat es mir meinen Geburtstag auf sich?"

Ich musste mich, zu meinem bedauern, wohl ziemlich verzweifelt anhören, da Sylivias Augen mich nun voller Mitleid ansahen.
Nagut, ich war ja auch verzweifelt, doch wäre es mir lieber gewesen ich hätte etwas taffer ihr Gegenüber gewirkt.

Sie ging einen Schritt auf mich zu
"Das ist eine sehr lange Geschichte Liv..
Ich fürchte du musst dich erst einmal mit der Erklärung zufrieden geben, dass manche Familien die Gabe besitzen, eines der vier Element zu bändigen. Feuer, Wasser, Erde oder Luft. Sobald das 16. Lebensjahr erreicht wird, erlangt man die Fähigkeit das jeweilige Element zu bändigen."

Langsam drehte sie sich um und schritt in Richtung des Baches.

"Es bedarf jahrelanger Übung ein Element perfekt zu beherrschen. Konzentration, Fleiß und Disziplin. All dies sind unvermeidbare Hürden welche es zu bewältigen gilt. Doch das wichtigste beim Bändigen ist es, sich seinem Element vollkommen hin zu geben."

Sie stieg mit ihren nackten Füßen in den Bach hinein, kniete sich hin und tauchte mit ihrer Hand ins Wasser.

"Man muss Eins werden mit seinem Element"

Plötzlich zog sie ihre Hand blitzschnell entgegen der Strömung nach Oben.
Das Wasser schoss in die Höhe, wie eine riesige Welle türmte sich das Wasser vor ihr auf. Nur noch wenige cm fehlten, bevor die Welle sie zu verschlucken drohte. Sie ballte ihre Hände. Ein Wimpernschlag, und die Wasserwand gefrohr zu Eis.

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