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Es ist Abend. Gerade geht Luke mit gepackter Tasche aus dem Haus. Ich weiß, dass er es ist, weil er der einzige ist, der dort geht. Eigentlich ist er der einzige überhaupt, der noch hier wohnt. Oder wohnte. Meine Füße baumeln an der Hauswand. Unter mir, fünfzig Meter nichts. Laut meiner Rechnung müsste die Welt erst in vier Stunden untergehen. Dann gibt es 'nen Knall und einen Planeten weniger in unserem Sonnensystem. Ja, auch wenn ich ziemlich grausam bin, rechnen kann ich noch. Und laut der Uhr geht Lukes Shuttle erst in einer halben Stunde. Er nimmt nicht das letzte. Er hat noch Hoffnung. Hoffnung, dass ich mich doch noch entscheide, mit ihm mitzugehen. Doch ich zerstöre sie ihm. Ich reiße meinen Blick von ihm und richte ihn gen Sonne. Irgendwie habe ich das Gefühl, sie ist größer, strahlt heller als sonst. Oder es liegt daran, das gerade ein riesiger Pilz aus Rauch, Wolken und Qualm aufsteigt. Eine Reaktor weniger, bleiben noch vierhundertvierzig. Es ist atemberaubend und verstörend zu gleich, wenn man bedenkt, dass ich es toll finde. Irgendwie glaube ich, dass mein Bruder recht hatte, damit, dass ich wahnsinnig sei. Aber, hätte er die Wahl, zwischen Familie und König der Welt sein, er würde, jeder würde doch Letzteres nehmen, oder? Außerdem tue ich so doch der ganzen Menschheit einen Gefallen, wenn ich hier bleibe. Ich sterbe und sie haben einen Größenwahnsinnigen weniger. Wieder eine gute Tat. Ich könnte ein Held sein. Ich stemme mich hoch. Gerade beschleicht mich ein wunderbares Gefühl. Es durchströmt meine Adern, Venen und fließt durch meinen Körper. Ich fühle mich wirklich, als könnte ich Bäume ausreißen, mit bloßen Händen. Naja, vielleicht kleine Bäume, wie Bambus oder so. Oder doch Gras. Als könnte ich Gras ausreißen. Oder ins Gras hinein beißen? Nein, ich will das Ende miterleben. Nicht die Radieschen von unten beim Wachsen beobachten. Dann habe ich doch keine Lust mehr. Ich setze mich wieder hin und schwelge in Erinnerungen an Marie. Sie wollte immer so sein, wie ich, hat sie am Sterbebett gesagt. Vielleicht ist das ja der Grund, warum ich zum Gruftie geworden bin. So wollte sie immer sein. Aus Scherz habe ich ihr Mal versprochen, das für sie zu übernehmen, wenn sie nicht mehr da ist. Jetzt habe ich den Salat. Aber, sie war mein jüngerer Zwilling. Fast eine Stunde waren wie auseinander, doch im Leben immer zusammen. Bis sie ging, einfach den Löffel abgab. Ein Teil ist noch bei mir. In meiner Kette. Wir ließen sie einäschern. So trage ich etwas Asche in meinem Anhänger. Ein Shuttle steigt in die Luft. Ich atme aus. Jetzt bin ich allein hier, auf der ganzen weiten Welt. Vielleicht gibt es noch irgendwo Kinder, Leute, die so denken wie ich. Wenn ja, ist es mir trotzdem egal. Ich schaue auf die Uhr neben mir. Noch drei Stunden.

Karma is a fucking BitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt