° eins °

44 4 0
                                    

Mein Leben ist kacke. Ja ich bin bereits so tief gesunken. Niemand gesteht sich so etwas ein, aber bei mir ist es klar.

Seufzend packe ich meinen Rucksack. Ich brauche nur die Mappen für Geschichte, Französisch und Biologie. Und jetzt noch mein Smoothie. Nice, nice.

Ich gehe also rüber zum Kühlschrank, was für ein aufregendes Leben ich nur hab, und hole mir den überaus stylischen Becher raus. Wie sehr mich die total süßen rosa Einhörnchen darauf ansprechen.

Sie rufen mir förmlich ins Gesicht wie toll mein Drink doch ist. Am besten verwandelt sich der Inhalt des Bechers in irgendetwas rosanes das nach Zuckerwatte schmeckte, dann passt das wenigstens zum Design.

Wer hat sich auch diese dumme Familiendiät ausgedacht? Eine Woche nur gesund. Es war eh wetten Annabelle... Diese dumme Tante hat bestimmt auch den Becher gekauft, was auch perfekt in das Bild passt, welches ich mir von ihr gemacht hab.

Blonde Kuh mit langen Wimpern, die als Polizistin arbeitet. Was will man mehr?

Meinem Bruder hat sie ja gereicht. Ich weiß nicht ob überhaupt jemand so niedrige Selbstwert Gefühle haben kann aber Benedikt hat es perfekt getroffen. Wer heiratet bitte jemand der Annabelle heißt? Ich definitiv nicht!

Ich schultere meinen Rucksack und nehme mir den Wohnungsschlüssel aus der Schale vor dem Spiegel, der perfekt zu unserer Einrichtung passt. Ein Rosé goldener Spiegel. *würg* ok. Egal.

Ich sollte mich in Zukunft weniger mit Details aufhalten denn es ist schon 7:30 und ich brauche noch 5 Minuten bis zur Haltestelle. "Tschüss", rufe ich also durch die leere Wohnung.

Man musste immer sichergehen, dass die Spinnen, Kuscheltiere und Hauselfen, die die den Abwasch machen wenn man weg ist, immer wissen wann sie Party machen können.

Ich hüpfe die Treppen hinunter bis zur Haustür und schlage diese mit einem Knall hinter mir zu. Die restlichen Omis und Opis, die hier wohnen sind dann wohl auch wach. Uuups.

An der Bushaltestelle stehen schon 3 Leute und ich stelle mich dazu. Fällt ja nicht auf, dass in Zukunft immer 4 Leute an dieser Haltestelle ein und aussteigen werden. Die Person neben mir schaut jetzt schon zum dritten Mal in einer Minute auf die Uhr. Da hat es anscheinend jemand eilig, im Gegenteil zu mir.

Ja ich gestehe. Ich habe keine Lust auf die Schule. Bringt mich um... Oder auch nicht. Ich meine wer wechselt schon gerne auf eine neue Schule mitten im Schuljahr? Jeder oder? Total "in" gerade.

Der Bus fährt vor und ich steige vorne ein. "Ein Schüler Ticket bitte." , sage ich so Freundlich wie es am Montag Morgen eben geht. "Ein Euro zwanzig macht das junges Freulein.", kommt es vom Busfahrer, der ein bisschen aussieht als würde er seine Kippen zum Löschen in eine Bierdose werfen und nur in Unterhemd in der Wohnung RTL schaut.

Begeistert grinsend von meinem tollen Vergleichen lege ich die Münzen auf den Kasten und nehme mein Ticket. Plötzlich werde ich unsicher. Ich bin erst zwei Mal Bus gefahren und jedesmal war Benedikt dabei und hat uns Sitzplätze gesucht. Doch jetzt waren alle Plätze besetzt. Was tut man dann? Stehen bleiben? Nicht ernsthaft. Ich entscheide mich dafür, mich irgendwo anzulehnen.

Mann, ich hab wirklich keine Muße jetzt in eine neue Klasse zu kommen. Diese ganze Aufmerksamkeit bekommt mir nie gut. Warum muss mein Bruder mich auch auf eine Schule für Begabte schicken?

All diese Angeber mit ihren Gaben, die dann denken sie wären etwas besseres. Kotz.

"Nächster Halt: Hans- Wilhelm Akademie für Begabte Jugendliche", flötet die Ansagerin durch den Lautsprecher über mir.

Dass diese abgekackte Schule eine eigene Haltestelle hat, sagt schon aus was für reiche Schnösel auf dieser "Akademie" lernen. Ich drücke den Stop-Knopf und gehe zur Tür.

Der Bus hält mit einem Ruck an und ich stolpere fast in ein Mädchen mit blonden Haaren. Kurz bevor ich in sie rein falle, kann ich mich an einer Stange festhalten.

"Du fährst anscheinend nicht oft Bus." sagt die Blondine. "Ach echt du Schlaukopf." motze ich sie an. "Na das fängt ja gut an. Da nehm ich mir vor einen Tag lang sozial aushaltbar zu sein und dann...", jammert sie. "Gib es auf. Hab ich schon ausprobiert. Diese Gesellschaft ist es nicht wert.", erkläre ich ihr.

Sie hält plötzlich an und dreht sich zu mir um. "Bist du die neue?" fragt sie. "Glaubst du, dass ich die neue bin?" frage ich zurück. "Denkst du, dass ich glaube, dass du die neue bist?" fragt sie darauf hin. Diese Gelegenheit würde ich mir nicht nehmen lassen. "Glaubst du, dass ich denke, dass du glaubst, dass ich die neue bin?" sage ich während ich eine Augenbrauen hob. Wenn sie mitspielt, dann hab ich ein neue Freundin gefunden. "Denkst du, dass ich glaube, dass du denkst, dass ich glaube, dass du die neue bist?" zählt sie auf. "Glaubst du, dass ich denke, dass du glaubst, dass ich denke, dass du glaubst, dass ich die Neue bin?" sage ich mit einem Grinsen in ihre Richtung.

"Nein jetzt im ernst: ja oder nein?" gibt sie leicht erschöpft zurück. "Glaubst du, dass ich ja sagen werde?" frage ich sie in einem provokanten Tonfall woraufhin sie grinsend mit den Augen rollt und einfach nur "Ja." meint. "Da hast du deine Antwort." sage ich etwas leiser.

"Du bist anstrengend." seufzt meine neu gefundene Freundin. "Nein ich bin Charly." provoziere ich sie weiter.

Ich musste mich jetzt, gottseidank, nicht mehr an irgendwelche Verhaltensregeln halten. Die bin ich endgültig los. Keine Frau Kretscher mehr, die mich alle 5 Minuten an meine wichtige Rolle erinnerte, keine Huster mehr, die einen Fehler meines Benehmens andeuten sollten und nie mehr gerade sitzen.

"Ich bin Elisa." sagt das blonde Mädchen. Ich hab total vergessen, dass sie noch da ist. Wir laufen durch das Eingangstor und gehen auf das Schulgebäude zu.

Das Gelände ist riesig und sehr pädagogisch durchdacht. Diese Schule entspricht genau meinem früheren Standard, den ich jetzt so verabscheue.

"Du kommst übrigens in meinem Klasse." merkt meine Gesprächspartnerin an. "Echt jetzt? Cool!" sage ich, dezent lügend. Denkt die ich bin auf den Kopf gefallen oder was? Natürlich weiß ich in welche Klasse ich komme. Hust.

Elisa grinst und zeigte mir den Weg zum Klassenraum. Vor der Tür warten schon kleine Grüppchen von Leuten. Es drehen sich ein paar wenige zu mir um aber die anderen beachten mich nicht. Es ist mir auch egal.

Eine Hand tickt mich von hinten an und ich drehte mich um. "Hallo Entschuldigung, kann ich dir helfen?" säuselt eine kleine Dame mit Brille vor mir. "Ich heiße Charly und soll jetzt hier zur Schule gehen." sage ich. "Achso Charly! Wir haben eigentlich mit einem Jungen gerechnet. Dann komm Mal mit." sagt sie.

Oh Gott wie peinlich. Warum schauen mich jetzt bloß alle an. Ich drehe mich zu Elisa während die Lehrerin die Tür zum Klassenraum aufschließt. Sie grinst mich an, was mich dermaßen aufregt, sodass ich ihr meinen Todesblick schenke.

Ich drehe mich wieder zurück und schaue den Gang entlang, als mein Blick auf einen Platin blonden jungen fällt.

CHARLYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt