Der Fremde

6 0 0
                                    

"Und bei dir so?", frage ich und nippe an meinem Wasser. Grinsend zieht er an dem Shishaschlauch: "Ich wüsste nichts was das meine kleine Schwester angeht?". "Achso ja klar wie komm ich nur darauf, soetwas zu fragen?", lachend werfe ich ihm ein Kissen entgegen. Schulterzuckend steht er auf, holt sich ein neues Bier und setzt sich wieder an die Eckkante der Couch. Provokant ziehe ich, eben so gut wie ich es kann, eine Augenbraue nach oben. "Ich warte!".

"Glaubst du es ist eine Sünde, etwas auf den Grund zu schieben, dass man sich nicht getraut hat, zu sagen, dass man etwas nicht möchte?", frage ich und warte auf die Stimme am anderen Ende der Leitung. "Was redest du da?", lacht Lucy und wendet sich wieder dem Thema der Mathe-Klausur zu. "Glaubst du es kommt viel Trigonometrie dran?". "Keine Ahnung". Während sie versucht ihre Zettel zu sortieren und währenddessen von dem Teil der Party erzählt, an der ich auf mysteriöse Weise verschwunden bin, lasse ich genau diesen Teil revuepassieren.

*Flashback*
"Wollen wir nicht wieder zu den anderen zurück?", fragte ich und schaute nervös um mich herum. "Mir gefällts hier mit dir!", argumentierte er, zog mich zu sich und küsste mich. Wieso machte ich mit? Ich wollte das doch garnicht! Mila hör auf! Seine Hand griff zu meinem Po, ehe er mich hoch hob und danach gegen das nebenstehende Auto drückte. Wieso bewegten sich meine Lippen mit seinen? Wieso tat ich nichts dagegen? Ich wusste doch nicht mal mehr seinen Namen! Hör auf damit! "Ich sollte hoch gehen!", unterbrach ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. "Ach komm ist doch so schön gerade!", seine Hände umschlossen meine Hüfte und drückten mich wieder zu ihm. "Meine Freundin sucht mich bestimmt schon!", keuche ich und kneife meine Augen zusammen. Vorsichtig drücke ich ihn von mir weg. Sein Griff verstärkte sich. Seine Augen mustern mich eindringlich. Konzentriert versuche ich sein Gesicht zu fokusieren. Ich nahm es immer verschwommener wahr. Eine kleine längliche Narbe zierte sein eines Auge. Oder war es nur ein Haar? Ich wollte das hier nicht und doch zog es mich an. Er zog mich an. Und ich wusste nicht wieso. Er war nur ein Fremder! Ich sahs immer noch auf der Fronthaube eines Autos. Er stand zwischen meinen Beinen und drückt sich an mich. Vorsichtig streife ich mit meinem Daumen über seine Wange. Grinsend packt er meine Hände und hält sie über meinen Kopf, um mich wenige Sekunden später komplett auf die Haube zu legen. Aus reflex werfe ich meinen Kopf auf die Seite. Ich wollte ihn! Und dennoch wehrte ich mich. "Hör auf!", stotter ich.

"Mila!", schreit mir Lucy ins Ohr und reißt mich somit aus meinen Gedanken. "Oh Gott", murmle ich, starre meine Decke an und beende mit einem kurzen "Sorry muss los" das Telefonat. Stirnrunzelnd setzte ich mich vor meinen Schminkspiegel. Was ging an diesen Abend in meinem verdammten Kopf ab? Wie erleichtert und doch wie enttäuscht ich war, als das Auto plötzlich entriegelte. Was wäre passiert wenn ich nicht weg gerannt wäre, als der Besitzer den Feldweg entlang kam?
Ich war so betrugen gewesen, das ich nicht mal mehr vor einer Entjunferung auf einem schäbigen Auto mit einem Fremden zurück trat.

Lila RegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt