Epilog

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Der Wald war für mich schon immer ein magischer Ort, ein mystischer, an dem alles passieren konnte. So strich ich durch das Unterholz, auf der Suche nach der Magie des Waldes, auf der Suche nach Abenteuern. Da erkannte ich etwas Neues zwischen den Bäumen, es hob sich nur leicht von den Stämmen ab, doch für mein geübtes Auge war es ein Kinderspiel es auszumachen. 

Es zog mich auf eine Weise an, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich musste mich ihm nähern, ihm nah sein. Der Weg zu ihm war kurz, und dennoch schien es mir viel zu lange zu dauern, da ich mich nach ihm verzehrte. Endlich bei ihm, ließ ich meine Hand über sein raues Äußeres gleiten, fühlte die Marmorierungen im Holz und konnte erkennen, dass dieser Schrank uralt sein musste. Moos und Flechten hatten auf seiner Oberfläche Platz gefunden und doch hatte er nicht von seiner ehrerbietenden Aura eingebüßt. Meine Hand glitt wie von selbst zu dem mit Ranken verzierten goldenen Türgriff und er ließ sich so leicht drehen, als habe der Schrank all seine Energie darauf verwendet, dass ich ihn irgendwann finde und öffne. 

Beim Eintreten erwartete ich schon gar nicht mehr, nur ein fades Schrankinnenleben zu erblicken, doch die Erscheinung, die sich mir aufzwang, überraschte mich trotzdem. Für einen Augenblick sah ich zwei junge Mädchen durch ein Kontrollzentrum laufen, ihre Augen strahlten vor Freude, Lebenslust und Liebe zueinander. Dann überschwemmte mich ein Schwall von Trauer und Schmerz, der direkt vom Schrank auszugehen schien. Doch es war kein Schrank. 

Sobald sich der Schleier der Trauer von meinen Augen hob, erkannte ich, dass ich in dem Kontrollraum aus meiner Erscheinung stand. Doch nicht ganz, alles war viel blasser, lebloser. Es fehlten die Freude und das lebensfrohe Wesen der Mädchen. Ich hätte verwirrt sein sollen, wieso der Schrank von innen größer als von außen war, und wie das alles überhaupt geschehen konnte, doch es schien alles zu vertraut dafür. 

Meine Finger fuhren wie von allein über die Knöpfe und Hebel und ich spürte, wie sie unter mir zu neuem Leben erwachten. Es zog mich zu einem großen, roten Knopf, der lebendig zu pulsieren schien. In dem Moment, in dem ich ihn drückte, ging ein Rumpeln durch den Schrank und plötzlich wurde ich umgeworfen und weggeschleudert, während ein Quietschen und Pumpen ertönte. Doch ohne Vorwarnung stand plötzlich alles wieder still und eine Macht drängte mich zur Tür. 

Alles war hell und ein Geruch stach scharf in meiner Nase, als ein Schrei ertönte. Er sprach, wenn auch ohne Worte, von Leben und Neuanfang. Meine Augen gewöhnten sich langsam an das Licht und ich schritt dem Schrei nach, durch eine Tür des Krankenhauses. Eine schwarzhaarige Frau lag verschwitzt im Bett, doch lächelte selig, als eine andere Frau verkündete: „Herzlichen Glückwunsch, Miss Tyler, es ist ein Junge!" Damit wurde ihr ein runzeliges Baby in die Arme gelegt: „Hallo mein kleiner Timo..." 

Mein eigener Blick wurde verschwommen, mein Atem stockte. Diese Haare, diese Augen, der Nachname Tyler und jetzt Timo..? „Oma Tessa?" Ihr Blick schoss bei diesem Namen hoch und sie blickte mir fest in die Augen: „Wo ist der Schrank!?" Ich taumelte einen Schritt zurück, woher wusste sie...wie konnte sie...dann traf es mich wie ein Schlag: „Es ist deiner, oder? Deine Zeitmaschine..." 

Sie nickte ernst, doch schien sie gerade nicht in der Realität zu verweilen, oder in der Gegenwart: „Sie gehörte meiner Schwester und mir, als sie verschwand...und ich mit Tony ein neues Leben begann, versteckte ich den Schrank im Wald, sie sollte sich nie mehr für jemanden außer Ranke und mir öffnen...und doch bist du hier. Wer bist du!?" meine Großmutter war eine Zeitreisende. Und ich...jetzt auch? „Mein Name ist Rachel, ich bin Timos Tochter..." 

„Natürlich! Ha! Rachel! Ihr Zweitname! Sie lebt! Du lebst! Du bist sie! Sie ist du? Meine Enkelin! Meine Schwester! Oh, du siehst ihr ähnlich, ja das tust du! Oder mir? Wir sind Zwillinge, da ist das ja egal. Oh, ich wusste sie...du würdest zurückkommen! Ranke! Ha! Du bist zurück! Ich habe so lange auf dich gewartet, aber hier bist du! Hier bei mir! Und du heißt Rachel! Meine Enkelin! HA!" Das Baby auf ihrem Arm schrie durch den Lärm seiner Mutter. 

Während meine Oma so kurz abgelenkt war, lief ich durch die Tür hinaus und kehrte in den Schrank zurück. Das meinte Papa also immer mit: „Oma Tessa ist ein bisschen verwirrt."

Von Fandom zu Fandom 2/Die Reise der fantastischen Tylerzwillinge geht weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt