0 - Warum nicht?

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//Song: the unknow (feat. ayelle) by ford. & HANZ

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Seien Sie sich bitte bewusst, dass Sie immer noch mit einem Verbrecher Briefaustausch vollziehen und seine Todesstrafe, die unverweigerlich irgendwann eintreten wird, mehr oder weniger seine gerechte Strafe sein wird.

Sind Sie sich bitte darüber im Klaren, dass Sie mit einer Person schreiben, die unteranderem beispielsweise Mord, Vergewaltigung oder Drogenhandel praktiziert hat.
Die Briefkontakte sind Verbrecher, sie könnten versuchen, Sie zu manipulieren oder auszunutzen.
Seien Sie vorsichtig.

Wir empfehlen ihnen daher, keine grosse Verbindung mit ihrem Briefkontakt herzustellen.
Ihr Briefkontakt wird hingerichtet.
Es könnte morgen oder erst in einem Jahr sein, aber die Person wird irgendwann getötet. Seien Sie sich das bitte bewusst.
Ihnen wird ein direkter Einblick in die Justizveranstaltungen geboten.
Einige Informationen könnten für sie verstörend wirken oder sie stark mitnehmen.

Wir empfehlen Leuten mit psychischen Krankheiten wie Depressionen, PTPS, Soziopathie, Schizophrenie, Angststörungen (Klassifikation ICD-10), oder Bipolaren Störungen keinen Briefkontakt mit einem Tod bestraften Häftling.

Falls sie die Hinrichtung dennoch beschäftigen sollte, können sie sich gerne an die Hilfestelle wende:
00886726183

Sind Sie sich der Belastung dieser Aufgabe bewusst und haben sie den ganzen Vertrag aufmerksam durchgelesen?

Ich kreuzte das Kästchen neben 'Ja' an und setzte schwungvoll meine Unterschrift darunter.
Zögernd streckte ich meine Hand aus, um dem Beamten der vor mir sass, das Formular abzugeben.
Dieser überflog kurz das Formular und lächelte mich anschliessend freundlich an, anscheinend zufrieden mit meiner Einwilligung.

„Wie ich sehe, haben sie einem Briefkontakt eingewilligt. Das freut uns sehr, wir sind immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern...", er warf einen kurzen Blick auf das Formular, „Chanyeol Park.", mein Name betonte er eher wie eine Frage.
Ich verkniff mir ein Seufzen und korrigierte ihn schnell. „Park Chanyeol."

Er nickt beiläufig und checkte meine Daten.
Warum konnten Amis einfach nicht das Prinzip von koreanischen Namen verstehen?

„Sie kommen ursprünglich aus Südkorea?", fragte er beiläufig und blätterte durch meine Akte.
Nein, steht nur so in meinem Pass, dachte ich im Stillen, antworte jedoch mit: „Ja, ich habe vor, nach meinem Studium hier in Amerika, wieder nach Korea zu ziehen."
Warum erzählte ich ihm das?
Wahrscheinlich hatte ich in letzter Zeit einfach zu wenigen menschlichen Kontakt, bestimmt. Das war auch der Grund warum ich mich hier überhaupt angemeldet habe.

Der Beamte nickte wieder beiläufig und musterte mich anschliessend durch seine Brille.
„Die Kommunikation mit den Häftlingen wird in Englisch praktiziert, da die meisten Häftlinge nur Englisch sprechen. Aber ich denke nicht, dass ein Sprachproblem zwischen ihnen und dem Häftling eintreten könnte.", meinte er.

Ich nickte eifrig. „Ich spreche fliessend Englisch, ich denke nicht, dass Kommunikationsprobleme auftreten könnten.", versicherte ich ihm und spielte nervös mit meinen Fingern.
Ich hatte nicht vermutet, dass es hier so formell ist.

„Gut, dann hätten wir das auch geklärt. Ihre Akte ist in Ordnung.", meinte er geschäftlich und began Bilder auf dem Tisch vor mir auszubreiten.
„Schauen sie sich diese Personen auf den Bildern an und suchen sie sich eine aus."

„Okay", meinte ich unsicher und griff zögerlich nach dem ersten Foto, um es zu betrachten.
Ich fühlte mich mehr als unwohl. Jemanden einfach nach seinem Aussehen auszusuchen...als würde man sich einen neuen Goldfisch kaufen, statt mit einem Menschen Kontakt aufzubauen.
Ich schluckte leicht und legte das erste Foto weg. Der Typ auf dem Foto war definitiv muskulös und seine Augen hatten ein Glimmen des Wahnsinns, wie es mir schien.
Ich mag Schubladendenken nicht, aber diesen Typen hätte ich sofort in die „böse Jungs"-Schublade gesteckt.

Die folgenden Bilder waren nicht besser.
Tiefe Augenringe, gruselig funkelnde Augen und Tattoos im Gesicht - gegen die ich eigentlich nichts hatte, aber bei Nazikreuze musste man Prioritäten setzen.
Der Stapel der aussortierten Bilder wurde höher und meine Hände immer schwitziger. Wenn ich die Bilder so sah, wurde mir dann doch bewusst, dass ich es mit den „bösen Jungs" zu tun haben werde. Auch wenn mir versichert wurde, dass die Sträflinge ihre Brieffreunde mit Respekt und Anstand behandeln.

Ich griff nach dem nächsten Foto, warf nur einen kurzen Blick darauf, bereit es auf den steigenden Stapel zu legen, doch ich stockte und betrachtete das Foto länger.

Der junge Mann sah zu den vorherigen Häftlingen komplett normal aus, nicht als könnte er gleich neben den Sirius Black Plakaten von Harry Potter hängen.
Seine Augen hinter der grossen Nerdbrille schauten zwar etwas müde und emotionslos und sein Gesicht schien aus Stein gemeiselt, aber zu den glühenden Augen und Nazikreuze tattoowierten ist mir das mehr als Recht.
Er sah für mich eher wie einer dieser typischen Literaturstudenten aus, die ich immer mit einem dickem Buch herumrennen sehen auf dem Campus.
Die die nie auf Partys erscheinen und nie Vorlesungen ausfallen lassen.
Nicht wie ein Mörder oder gar ein Vergewaltiger.

Irgendwas bedrückte mich bei diesem Gedanken und Anblick.
Dieser junge Mann sah wirklich nicht wie ein Schwerverbrecher aus.
Wie sehr man sich doch anscheinend in Menschen täuschen konnte...

Meine Entscheidung ist gefallen.
Spätestens als ich mit einem kurzen Blick auf seine Daten sah, dass wir gleich alt sind und beide aus Südkorea stammen.

„Ich glaube, ich habe mich entschieden.", meinte ich und reichte dem Beamten das Foto.
Dieser nickte wieder.
Konnte er eigentlich noch eine andere Geste als Nicken?
„Sehr erfreulich, Mister Park.", meinte dieser und wir erhoben uns.

Er führte mich zu Tür.
„Wir werden den von ihnen ausgewählten Häftling informieren und sie werden spätestens in einer Woche den ersten Brief erhalten.", informierte er mich.
Wir schüttelten die Hände und verabschieden uns mit einem politischen Lächeln.
Als wären wir Donald Trump und Kim Jong un die gerade den Friedensvertrag unterzeichnet haben.
Ich schmunzelte leicht wegen dem Vergleich den mein Gehirn wiedermal aufgestellt hatte und ging nach Hause.

Jetzt hiess es warten.
Warten auf den ersten Brief von Do Kyungsoo.

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Keine Ahnung wie gut oder schlecht das ankommen wird, aber es geht im Grunde eh mehr ums schreiben aus Spass und mit dem Befassen des Themas „Todesstrafe".

Ich kann leider keine persönliche Informationen einbauen, da eine Brieffreundschaft mit einem Tod bestraftem Häftling erst über 18 möglich ist, aber ich hab so viel recherchiert wie möglich.
Es soll so realistisch wie möglich sein, aber doch noch an Stellen recht ausgeblümt. Es soll ja noch Fanfiktion bleiben.

:)

Letters to a prisoner ; chansooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt