Maya starrte den Mann vor sich entgeistert an. "Was ... Wovon ... Wovon sprechen Sie? Wer sind Sie überhaupt?" Er lächelte schwach. "Oh, verzeihen Sie. Mein Name ist Christoph Alexander Bentley. Aber Christoph ist vollkommen in Ordnung. Darf ich Sie Maya nennen?" Maya klappte der Mund. Er sagte er, sie sei in Gefahr und plötzlich war seine größte Sorge, wie sie sich ansprachen? "Okay, Mister Bentley ... ähm ... Christoph, ich weiß nicht, was für eine Art Theater das hier werden soll, aber ich habe Arbeit also..." "Glauben Sie mir, ich würde sie nicht belästigen, wenn es nicht notwendig wäre." "Dann kommen sie bitte zum Punkt." Normalerweise war sie nicht unhöflich, aber für so einen Zirkus war sie wirklich zu müde.
"Selbstverständlich. Der Mann, den sie gestern antrafen, hieß Wayne Braxton. Er arbeitet für eine Gruppe von Leuten, die um jeden Preis die hier in die Hände bekommen wollen." Er ließ seine Taschenuhr erneut aufschnappen. "Was hat das mit mir zu tun?", fragte Maya. "Nun, sagen wir mal es ist eine alte Familienangelegenheit. Und als Mitglied der Familie Eversfield sind Sie in Gefahr, da die Eversfield von diesen Leuten als Feine angesehen werden." "Aha. Nehmen wir mal, ich würde Ihnen glauben. Was ist so besonders an dieser Uhr?"
Im selben Moment hörte sie von draußen ein Reifenquietschen. Der Mann von gestern Abend, anscheinend Wayne, stieg aus und ging zum Laden. "Das werden Sie gleich herausfinden, Miss Eversfield, denn ich muss sie bitten, mich zu begleiten." "Was!? Auf keinen Fall, ich-." Sie wurde von einem Schuss unterbrochen und in der Sekunde darauf zerbrach das Schaufenster zu tausend glitzernden Scherben. Erschrocken schrie Maya auf. Wayne kam mit einer Waffe in der Hand immer näher.
Sie hatte keine Zeit, den Schock zu verdauen, denn Christoph zog sie mit sich zur Hintertür. Er warf ihr ihren Mantel zu, stieß sie auf die Gasse hinaus und knallte hinter sich die Tür zu. Dann griff er nach ihrer Hand. "Schließen Sie die Augen, Maya." Als sie, noch starr vor Angst, nicht reagierte, schlossen sich seine Finger etwas stärker um ihre, als wolle er ihr Halt geben. "Bitte.", sagte er eindringlich. Noch ein Schuss ertönte und diesmal tat sie wie geheißen. Wieder kribbelte es auf ihrer Haut, eher die Tür aufgerissen wurde und die Welt um sie herum langsam verschwand.
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Das erste, das sie wieder spürte, war weiches Gras. Dann Christophs Hand, die immer noch die ihre festhielt. Der wundervoller Geruch von Rosen stieg ihr in die Nase und da wagte sie es, die Augen zu öffnen. Sie stand in einem großen Garten vor einer riesigen Buche und um sie herum wuchsen überall Rosensträucher. Zögerlich befreite sie sich aus Christophs Griff. "Wo sind wir?", fragte sie leise. "Wenige Meilen auswärts von London." "Wie sind wir so schnell hergekommen?" Ihr Blick fiel auf die Taschenuhr, die Christoph zurück in seine Innentasche steckte. "Darum ist sie also besonders.", stellte sie tonlos fest.
Christoph zog amüsiert eine Augenbraue hoch. "Sie wirken nicht besonders schockiert." "Ach, wissen Sie, das bringt nichts als Sorgen. Außerdem hat mir das Ding und auch Sie gerade das Leben gerettet. Und wenn mich die Uhr jetzt wieder auch zurückbringt, kann ich den Mann anzeigen, meine Scheibe reparieren und sie können weiterhin in ihrem Kostüm durch die Gegend laufen."
Christoph lächelte verlegen. "Das ist kein Kostüm, Maya. Und ich kann Sie nicht zurückbringen. Jetzt jedenfalls noch nicht." Er drehte sich um und ging in ein Haus, das Maya bisher nicht aufgefallen war. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. "Was meinen Sie damit? Ich muss zurück! Der Laden-" "Vergessen Sie bitte mal für einen Augenblick den Laden, Maya.", unterbrach er sie sanft. "Es geht hier um weitaus mehr." Diesmal stieg ihre Wut noch weiter an. "Für Sie vielleicht, aber nicht für mich! Der Laden ist alles, was ich von meiner Familie übrig habe! Außerdem ist er meinen Lebensinhalt! Ich hab mein ganzes Geld in ihn gesteckt!"
Christoph drehte sich abrupt um. Er schien ebenfalls wütend, aber so genau wusste sie das nicht, denn er strahlte immer noch so eine Ruhe aus. "Diese Frage mag Ihnen jetzt seltsam erscheinen, aber ist er Ihnen wichtiger als Ihr Leben und das Ihrer Eltern?"
"Warum fangen Sie immer wieder mit meinen Eltern an? Was wissen Sie über die beiden?" "Wenn Sie mir jetzt vertrauen, können Sie die beiden vielleicht retten!" Auf einmal wurde es still um sie herum. Sie standen bereits in einer kleinen Küche und da wagte Maya sich umzusehen, weil sie sich sicher war, dass sie sonst durchdrehen würde. Aber in dieser Küche war alles so ... ein Kohleofen, ein klappriger Holztisch, eine blaue Tapete, weiße Stoffvorhänge, Blechtassen und eine schnörkelige Lampe... Christoph zog seinen Mantel aus und darunter kamen ein Hemd und eine graue Weste zum Vorschein.
Die Kleidung, die Möbel, Christophs Art zu Reden...
"Nein.", kam es flüsternd über ihre Lippen. Christoph sah sie besorgt an. "Maya..." "Nein!" Sie rannte die Treppe nach oben und riss jede Tür aus, die sie finden konnte. Holzmöbel, Kohleöfen, Gaslampen. Es gab in einem Zimmer einen kleinen Balkon mit dem Blick auf London. Davor führte eine lange Landstraße bis zu diesem Haus. Eine Kutsche fuhr vorbei und ... NEIN
Christoph trat hinter sie. Sie fuhr herum und sah ihn ungläubig an. "Bitte erzähl mir nicht, dass diese Uhr uns auch in eine andere Zeit gebracht hat!" Christoph kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "1907, um genau zu sein."
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Im Bann der Zeit
FantasyFür Maya Eversfield gibt es nur ihren kleinen Buchladen in der Londoner Innenstadt. Ihr Leben verläuft eintönig wie immer. Bis sie eines Tages einem geheimnisvollen Fremden in altmodischer Kleidung und mit einer goldenen Taschenuhr trifft. Er will e...