Von Neid und Eifersucht

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„Wir haben jetzt eine Hexe in der Familie."
Diese Wörter, welche meine Mutter damals so freudig und stolz verkündet hatte, gingen mir seitdem nicht aus dem Kopf.
Ja, meine geliebte Schwester war eine Hexe – oder wie ich es lieber nannte: eine Missgeburt. Ein alter, bärtiger Mann hatte ihr damals verkündet, dass sie auf so eine Schule für Hexerei und Zauberei gehen sollte. Wohl eher eine Schule für abnormales.

Es machte mich unglaublich wütend, dass meine Eltern so stolz waren, etwas wie Lily in der Familie zu haben. Sie war einfach nur eine Missgeburt. Ich musste Tränen unterdrücken, weil ich so wütend war... oder waren es vielleicht doch noch andere Gefühle die da in mir hochkamen? War ich etwa neidisch? Nein! Ich war einfach nur wütend, dass meine Eltern nicht erkannten, was Lily wirklich war. Eine Missgeburt! Ein Abnormales Geschöpf, dass nicht existieren sollte! Ich war vieles, aber auf keinen Fall neidisch!

Ich hätte niemals so etwas sein wollen wie sie, ich hätte nie auf so eine Schule für abnormale Missgeburten gehen wollen und als ich einen Brief an diesen Dumbledore geschrieben habe, ob er mich auch auf Hogwarts aufnimmt, war das nur um mir sicher zu sein, dass ich nicht auch so eine abnormale Kreatur bin!

Und ich war auch auf keinen Fall traurig, wie meine Eltern es manchmal sagten, wenn ich wütend die Tür meines Zimmers zuknallte. Natürlich war es scheiße, wenn sie mein super Zeugnis nur mit einem Nicken quittierten und das meiner Schwester voller Stolz begutachteten. Ja das tat weh, aber ich war bestimmt nicht traurig, dass die Menschen, die von solch einer Missgeburt begeistert waren, mich weniger beachteten. Ich wollte gar keine Aufmerksamkeit von diesen Leuten.

Immer und immer wieder habe ich mir das eingeredet. Immer und immer wieder habe ich mir gesagt, dass ich nicht traurig und dadurch eifersüchtig war. Nein, ich war einfach nur wütend. Aus Wut bin ich auch schließlich nach meinem Abschluss nach London gegangen und habe dort Vernon kennengelernt. Das beste was mir in meinem Leben passiert war.

Mein Leben schien als könnte es besser nicht werden. Drei Jahre nachdem ich Vernon kennengerlernt hatte, machte er mir einen Antrag, den ich natürlich voller Begeisterung annahm. Mein Glück war perfekt, bis meine dumme Mutter mir vorschlug, Lily zu meiner Brautjungfer zu machen. Es reichte mir schon, dass ich sie überhaupt einladen musste, aber unter keinen Umständen würde ich sie zu meiner Brautjungfer machen!

Nach meiner Hochzeit hatte ich Lily nicht mehr gesehen. Kurz nachdem ich meinen Sohn Dudley bekommen hatte, bekam ich einen Brief, dass auch sie einen Sohn mit ihrem Rumtreiber Mann James Potter bekommen hatte, der ja nicht einmal einen Job hatte. Dieser Potter war genauso eine Missgeburt wie sie und sie hatten vor kurzem erst geheiratet. Nun hatte sie also auch einen Sohn mit so einem ganz komischen Namen: Harry.
So ein Name konnten sich auch nur Missgeburten ausdenken. Vernon und ich haben den Brief einfach nur ignoriert.

Etwas mehr als ein Jahr lang war mein Leben mit meiner Kleinen Familie dann tatsächlich vollkommen Perfekt. Bis zum 1. November 1981.
Ich wollte gerade die Milch reinholen, um Pancakes zum Frühstück zu machen, als ich dieses Bündel auf meiner Treppe sah. Zwei Große grüne Augen blickten mich von unten herauf an. Da lag ein Baby auf meiner Treppe. Ich hatte es noch nie zuvor gesehen, aber ich wusste genau, dass es mein Neffe sein musste. Dieser Harry. Er hatte dieselben Augen wie Lily.

Plötzlich fing dieses Balg an zu schreien. Das konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen, dass dieses Baby Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vorsichtig nahm ich es hoch und versuchte es zu beruhigen als Vernon aus der Küche rief, wo ich denn bleiben würde. Es hörte auf zu schreien und ich entdeckte den Brief, der zwischen der Decke des Babys steckte.
Ich fragte mich, warum Lily ihr scheiß Kind vor meine Tür legte obwohl sie genau wusste was ich von ihr halte. Vernon rief mich wieder und ich wusste nicht was ich tun sollte. Vernon hasste diese magische Welt von Missgeburten noch mehr als ich, also beschloss ich dieses Baby erst einmal in den Besenschrank unter der Treppe zu legen und zu hoffen, dass es leise war. Ich wollte zwar eigentlich nichts mit Lily zu tun haben, aber ich konnte nicht einfach ein Baby vor der Tür liegen lassen.

Erst als ich hörte wie Vernons Auto aus der Einfahrt fuhr ging ich zum Besenschrank und nahm dieses Baby heraus, dass vermutlich genauso eine Missgeburt war wie meine Schwester, seine Mutter.

Wieder blickte ich in diese Smaragdgrünen Augen, Lilys Augen. Ich nahm den Brief und öffnete ihn vorsichtig, nachdem ich diesen Harry auf den Sessel gelegt hatte.

Ich konnte nicht glauben, was dort stand. Tränen stiegen in meine Augen, obwohl ich meine Schwester eigentlich hasste. Aber, dass sie und ihr Mann tot waren konnte ich einfach nicht glauben. Dort stand, dass wir die einzigen sind, die Harry noch hat. Ich nahm Dudley aus seinem Hochstuhl und setzte ihn auf meinen Schoß.
Ich konnte nicht dieses Kind aufnehmen. Ich wusste, dass Vernon Harry niemals akzeptieren würde und ich liebte Vernon. Außerdem machte mich schon der Anblick von diesen Augen, die Lilys so ähnlich sahen, wütend.

Aber wir hatten keine Wahl. Dieser Junge hatte sonst niemanden und auch wenn es sich in Grenzen hielt, so hatte ich doch Mitleid mit diesem Jungen.
Ich erklärte Vernon, dass meine elende Schwester und ihr Nichtsnutz von Mann sich in die Luft gesprengt haben und dieser Junge nun niemanden mehr hat und wir gezwungen sind ihn aufzunehmen. Natürlich war Vernon noch weniger begeistert als ich, aber er erklärte mir, dass wir es schaffen diese Missgeburt irgendwie großzuziehen und dass man dieses abnormale sicherlich aus ihm rausprügeln könnte.

Anfangs gab ich mir sogar noch Mühe, dieses Kind wenigstens nicht komplett zu verabscheuen, aber es ging nicht. Umso älter er wurde, umso mehr hasste ich ihn. Ich tat alles, dass er spürte wo sein Platz ist und dass mein Dudley tausendmal besser ist als er.

Zehn Jahre nachdem ich ihn vor der Tür gefunden habe, kam der Brief. Derselbe, den meine Schwester damals bekommen hatte, aber ich wollte auf keinen Fall, dass er glaubt er wäre etwas Besonderes. Doch es gab keine Möglichkeit diesen Jungen davon abzuhalten auf diese Schule für Missgeburten zu gehen.

Jetzt sitze ich hier, fast 16 Jahre nachdem Harry zu uns kam und 6 Jahre nachdem dieser Halbriese ihn nach Hogwarts geholt hat und bereue es irgendwie. Vielleicht hätte ich doch für Lilys Sohn da sein sollen, zumindest wenn er geweint hat, weil er keine Eltern hat.
Vielleicht hätte ich doch was dagegen tun sollen, dass Vernon ihn so oft geschlagen hat und vielleicht hätte ich doch versuchen sollen meiner kleinen Schwester gegenüber etwas gut zu machen.
Heute weiß ich, dass es Neid war, der die Wut in mir ausgelöst hat. Die Wut, welche mich hat denken lassen, dass ich meine kleine Schwester hasse. Aber trotz allem war sie meine kleine Schwester und sie hat sich sogar mal dafür entschuldigt, dass unsere Eltern sie immer in den Vordergrund stellten. Doch die Vergangenheit ist Vergangen und ich kann nicht ändern, was ich getan habe. Auch wenn ich wünschte, dass ich Lily sagen könnte wie leid mir das alles heute tut.
Wenn ich wünschte, dass ich Harry noch einmal auf der Treppe finden würde und ihm dann eine Gute Tante sein könnte.
Es tut mir leid Lily.

Von Neid und Eifersucht (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt