Kapitel 11

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"Fangs",hörte ich eine Stimme außerhalb des Trailers. Ich erhob mich von dem nackten Körper, auf dem ich bis eben noch lag. Gleichzeitig verließ all die Wärme meinen Körper. Fangs rappelte sich ebenfalls auf und stöhnte. "Scheiße",murmelte er und zog sich seine Sachen an. Die Stimme indentifizierten wir beide mit der von Sweet Pea. Mir wurde mulmig. Dann zog auch ich mir meine Sachen an und blieb allein, an der Tür horchend, im Zimmer. Fangs trat schwer atmend aus der Tür in den vorderen Bereich des Trailers. Die Angst war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Und so öffnete er einen Spalt breit die Tür. "Was gibt's",fragte er und hielt Sweet Pea die Tür offen, damit er eintreten konnte. Ich hörte, wie Sweet Peas schweren Stiefel auf dem hölzernen Boden aufkamen und ein lautes Geräusch von sich gaben. Mitten im Raum blieb er stehen. Ich versuchte, nicht zu atmen. Als ob er die in meine Nase eingehende Luft überhaupt hören konnte. Wie die Farbe aus meinem Gesicht wich, als mein Freund keinen Laut von sich gab, sondern still dastand. Vielleicht wartete auf einen Laut, der mich verriet. Ich erzitterte bei dem Gedanken, erwischt zu werden. Doch das schlechte Gewissen fand keinen Platz in meinen Gedankengängen.

Als er dann schließlich doch zu Wort kam, atmete ich erleichtert auf.
"Sie sagte, sie geht zu Len",begann er, sodass auf diese Worte eine Lüge aufgedeckt werden konnte. Keinerlei Eifersucht oder sonstige Emotionen lagen in den Worten. Gleichgültig waren sie. Als würde er meine Lüge als ein einfaches Missverständnis deuten. Die einzige Frage, die meinen Kopf beschäftigte. Wusste er mehr?

"Ja?",sagte Fangs unsicher und schielte zur Schlafzimmertür. Ich lag direkt hinter dieser. Zusammengekaurt. Als sein Blick erneut zu seinem besten Freund schweifte, erkannte er, dass Sweet Pea ebenfalls auf die Tür starrte. Nervös strich Fangs mit seinen Händen seine Arme entlang.

Ich dachte darüber nach, was jetzt passieren konnte, was ich machen konnte. Ich musste es wohl oder übel über mich geschehen lassen. Die Hoffnung, dass Sweet Pea ging und die Sache vergaß, schlich sich in meine Gedanken. Doch dies war mehr als unwahrscheinlich. Ich brauchte Zeit. Zeit, um mir bewusst zu werden, dass dies hier real ist, wirklich passiert und nicht der Teil eines tragischen Dramas ist. Diese Filme, Dramen waren unaustehlich. Die Liebe war ein einziger Fluch. Am Ende würden die beiden Liebenden getrennte Wege gehen. Ein Zusammenkommen, ausgeschlossen. Ich wollte nicht in so eine Story gefangen sein. Es tat weh, mit anzusehen, wie beide Welten aufeinandertrafen. Jeder der beiden schrieb eine eigene Story, die mir viel bedeuteten. Ich schrieb zwei Bücher und wollte jedes der beiden zuendeschreibsn. Doch eines würde gleich enden, oder vielleicht auch beide.

"Meine Fresse, Fangs. Ich bin vielleicht gewalttätig, aber nicht dumm",meinte er mit zusammengebissen Zähnen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er ging auf ihn zu. Der Boden unter ihm bebte. So wie mein Inneres. Ich hatte verloren. Ein Spiel zwischen den beiden war nun unmöglich. Sweet Pea verkürzte die Zeit für meine Entscheidungen, die ich in naher Zukunft noch treffen wollte. Doch als mein Freund neben Fangs gegen die Wand schlug, zog sich alles in mir zusammen. Dann landete seine Faust in Fangs Gesicht, welcher einen schmerzerfüllten Laut von sich gab. Dann war Schluss. Ich drücke die Türklinke runter.
"Sweet Pea. Nein. Lass mich das erklären",winselte Fangs und hob schützend beide Arme vor sein Gesicht, die Sweet Pea aber sofort wieder runteriss. Dafür kassierte er einen weiteren Schlag. Ich rannte. Zwischen ihnen machte ich Halt und stieß Sweet Pea weg. Er ging etwas zurück. Ich schritt trotzdem auf ihn zu und rammte meine Faust in sein Gesicht. Dann ließ ich von ihm ab und ging zu Fangs. Er hielt sich den Magen. Seine Schusswunde. "Geht's?",fragte ich und war mir bewusste, wie sehr das weh tun musste. Trotzdem nickte er stark und stellte sich wieder breit auf.

"Woher?",fragte ich und sah ihn mitleidig an. Er war zwar aggressiv, aber sowas hatte er nicht verdient. Und auf diese Weise sollte er es nicht erfahren. Sweet Pea starrte mich fassungslos und gleichzeitig wütend an. "Es war so offensichtlich",rief er ärgerlich. Vollkommen entgeistert glotzten wir ihn an. "Na so offensichtlich war es nun auch nicht",bemängelte Fangs und gestikulierte wild. "Willst du jetzt ernsthaft darüber diskutieren?",fuhr ihn Sweet Pea an und wenige Sekunden darauf flog seine Faust in Fangs Gesicht. Daraufhin schob Fangs seinen Arm weg. Genervt verschränkte er seine Arme. "Ist auch egal. Ich liebe sie und sie liebt mich. Wir brauchen nicht weiterzureden",wandte er ein. Sweet Pea hielt sich die Stirn als würde er damit die eingehenden Worte abwehren, in sein Gehirn zu dringen. "Ich dachte, du bist schwul",schrie er auf einmal. Seine Arme fuchtelten bedrohlich vor seinem Körper. "Bisexuell",korrigierte Fangs etwas zu selbstsicher. Eigentlich selbstverständlich. Sonst wäre die Sache mit Mitch und seiner Schussverletzung nicht passiert. Doch Sweet Peas Verständnis hielt sich in Grenzen. "Das ist doch kein Grund mir die Freundin auszuspannen." Da war es wieder. Das Gefühl von Fremdgehen. Tatsächlich, man kann es fühlen. Befreiend, aber auch bedrückend. Die Lüge trug man auf seinen Schultern, während man sich frei mit einem anderen fühlte.
Als dann niemand was sagte, setzte mein ehemaliger Freund zum Gehen an. "Wärst du bloß verreckt",murmelte er und schlug heftig gegen die ihm am nächsten gelegenen Wand. Das blechende Geräusch brannte in meinen Ohren. Ich sah fraglich zu Fangs.

Was wir jetzt tun sollten, blieb mir unbekannt.

"Ich wusste, es war ein Fehler",belehrte er sich selbst, hob seinen Zeigefinger und sah ihn argwöhnisch an. Als könne er das Vergangene rückgängig machen, führte er seinen inneren Monolog weiter und realisierte das Ausmaß unserer Affäre.
Ich stand unbeholfen daneben und fand keine Worte, wollte ich auch nicht, denn Fangs führte eine gut formulierte Pro- und Kontraliste auf, die ihn alle bereuen, aber auch glücklicher erscheinen ließ.

So gern wollte ich ihm sagen, dass es richtig war, doch das war es wahrscheinlich nicht. Das erkannte ich an den Kontrapunkten, die inzwischen die Mehrheit gefunden hatte. Unser Glück konnte als einziger Punkt das Pro vertreten.
Ich konnte den Unterschied zwischen dem Richtigen und Falschen deutlich erkennen, als wäre die Liste auf einem Blatt Papier verfasst und nicht überstürzt diktiert worden. Meine Gefühle widersprachen meinen Gedanken.

"Ich glaube nicht, dass es ein Fehler war",sagte ich schließlich. "Unser Glück wiegt mehr als alle Kontra-Punkte",wandte ich ein. Zumindest versuchte ich mir das einzureden. Meine Liebe zu Sweet Pea hielt mich davon ab, frei zu sein. Vielleicht war es richtig so. Möglicherweise brauchte ich das. Die Untreue meiner Mutter hatte sie letztendlich in den Selbstmord gejagt. Vielleicht war ich wie sie.

"Doch war es. Wir sind beste Freunde seit ich denken kann. Wir haben alles zusammen gemacht. Alles, was wir erlebt haben, habe ich mit ihm erlebt. Für meine Liebe gebe ich das alles auf." Tränen rollten seine Wangen hinab und hinterließen feuchte Flecken auf seinem grauen Muskelshirt. Ich sagte nichts. Von dem Gegenteil wollte ich ihn nicht überzeugen. Er hatte doch eh Recht. Ich hatte alles zerstört. Seine Freundschaft war alles, was ihm wichtig war. Warum war ich so egoistisch?

"Ich geh dann Mal",meinte ich, nachdem ich mir eingestehen musste, dass aus diesem Gespräch nichts mehr wird. Er sah nicht einmal auf als er nickte. Ich trat aus der Tür, dann meldete er ein letztes Mal zu Wort:"Vielleicht funktioniert das eines Tages noch Mal mit uns." Ich nickte, obwohl ich der Bemerkung keinen Glauben schenkte. Den Unterton konnte ich als Angst deuten, davor mich endgültig zu verlieren.

Nun lief ich unbeholfen über das nasse Gras. Ich wollte nirgendwo hin. Noch letzte Nacht hatten Sweet Pea und ich in meinem Trailer miteinander geschlafen. Bei den Erinnerungen zog sich mein Magen zusammen. Es brannte. Unser gemeinsames Herz. Von ihm und mir. Es schmolz. Die einst ineinander geschmolzenen Herzen von ihm und mir trennten sich und schlugen in unserem Körper. Allein.

Und dann wusste ich, was ich tun sollte. Retten, was noch zu retten ist.

Zwischen zwei Serpents [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt