Kapitel 3 - Theo

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Anna und ich setzten uns auf unsere Plätze und holten unsere Materialien aus den Rucksäcken. Ehe wir fertig waren, kam auch schon unser Lehrer und setzte sich an den Pult. Schon der Blick in seinem Gesicht verriet mir, dass es heute eine lange Doppelstunde Englisch werden würde. Ich stellte mich seelisch schonmal auf die Folter ein, die mir entgegen kam.

Eigentlich mochte ich das Fach Englisch. Ich war sehr daran interessiert, neue Sprachen zu lernen und vorallem, wenn es die Weltsprache ist. Aber manche Lehrer bekamen es auf die Reihe, selbst das beste Fach langweilig zu machen.
Herr Kirtens war einer von ihnen. Er ist um die 60 Jahre alt, trägt eine Brille, klein und mein Englischlehrer.

Der Unterricht mit ihm war mehr als nur langweilig. Das ist auch der Grund, warum keiner aus unserem Kurs ihm richtig zuhört. Jeder liegt mit seinem Kopf auf dem Tisch oder stützt ihn mit seinen Armen ab. Es ist auch schon oft genug passiert, dass ein paar Leute eingeschlafen sind, aber ihn scheint das nicht großartig zu interessieren.
Er labert einfach jede Stunde irgendetwas, was auf dem Lernplan steht und verlässt pünktlich nach dem Klingeln wieder den Raum. Wenn man so darüber nachdenkt, sollte ich eigentlich dankbar dafür sein, dass wenigstens ein Lehrer den Unterricht wenn es klingelt auch beendet.

Unser Englischkurs bestand aus ca. 20 Leuten. Wir waren ungefähr gleich viele Jungs und gleich viele Mädchen. Auch wenn die meisten Jungs in meinem Kurs nicht wirklich anziehend waren und erst recht nicht so aussahen. Naja, die meisten.
Ja, auch unsere Schule hatte, wie jede andere auch, den Jungen. Den Jungen, mit dem jeder andere Junge befreundet sein möchte, der Geld hat ohne Ende und auf den natürlich jedes Mädchen steht.

Sein Name war Theo und er war heiß. Nicht so, dass ich irgendetwas von ihm will, aber er war attraktiv. Ich mein, man kann es nicht leugnen, also wieso sollte ich es versuchen?
Davon abgesehen hab ich eh keinen Kontakt mit ihm und wir haben höchstens 5 Worte miteinander gewechselt. Es ist ja auch nicht so,als hätte ich eine Chance.

Er war gutaussehend, sein Haar war ein dunkles Braun und seine Augen waren so blau wie der Ozean, dass man glatt darin ertrinken könnte. Er war sportlich und von daher auch gut gebaut, wenn ihr versteht.
Ich hingegen sah zwar nicht schlecht aus, aber war definitiv nicht auf seinem Level. Vom Status her war ich nicht wirklich unbeliebt und ich hatte schon relativ viele Freunde, aber trotzdem konnte ich auch hier nicht mit ihm mithalten. Es ist auch nicht einfach, auf seinem Level zu sein und eigentlich möchte ich das auch gar nicht.

Ich dachte zwar manchmal schon daran, wie es wäre wenn ich mit ihm zusammen wäre und wir das  Dreamcouple der Schule wären.
Es war ein schöner Gedanke, aber nichts, worüber ich mich verrückt mache. Ich bin zufrieden mit meinem Freundeskreis und habe kein Interesse daran, ihn zu ändern. Davon abgesehen führt Theo nicht mal ernsthafte Beziehungen.

Einmal ficken, weiterschicken.

Das war zumindest sein Motto. Theo und Jonas hatten schon viele Parallelen bezüglich ihrem Charakter, nur dass Jonas kein respektloses Arschloch war, zumindest nicht zu Mädchen. Theo hingegen interessiert es nicht, was er mit seinen Worten anrichtet und sobald er mit der einen im Bett war, war am nächsten Tag schon die andere dran.

Um ehrlich zu sein fragte ich mich, wieso er noch kein AIDS bekam. Bei so vielen Schlampen, mit denen er schon geschlafen hat, ist es eher eine Überraschung, dass nichts passiert ist. Aber wer weiß, vielleicht ist es ja. Vielleicht ist es sein kleines Geheimnis. Keine Ahnung.
Im Allgmeinen weiß man nicht viel über Theo, außer dass er ein Fuckboy ist, Geld hat und dass er mal in London für ein Shampoo gemodelt hat. Zugegeben, er hatte schon weiches Haar, zumindest sah es vom weiten so aus.
,, Entschuldigen Sie die Störung, Frau Deckner, aber es wäre sehr nett, wenn sie ausnahmsweise in meinem Unterricht aufpassen würden.", riss Herr Kirtens mich aus meinen Gedanken. Was war denn bei dem los?
,, Ja sorry.", antwortete ich und richtete mich auf meinem Sitz.
Als Herr Kirtens mit dem Unterricht weirermachte, bemerkte ich, dass Theo die ganze Zeit in meine Richtung starrte, während er sich mit seinen Freunden unterhielt.
,,Ey, siehst du das? Wieso guckt der die ganze Zeit hierhin?", fragte ich Anna unauffällig. ,,Hmmm, keine Ahnung vielleicht weil du ihn gerade für so 10 Minuten nonstop beobachtet hast??", antwortete sie sarkastisch.

,, Warte was?"
,, Ja, du hast nichts gesagt und ihn einfach angeguckt, bis der Lehrer dich aufgeweckt hat."
,, Scheiße!". Ich schämte mich. Ich war so tief in meinen Gedanken, dass es mir gar nicht auffiel.
,, Wieso hast du nichts gesagt?", antwortete ich schließlich.
,,Du sahst so verträumt aus, ich wollte dich nicht stören", kicherte sie.
Danke für nichts, Anna.
Nach dem Klingeln nahm ich meinen Rucksack und rannte so schnell wie möglich aus der Tür, um noch mehr Peinliches zu vermeiden. Mein Plan ging allerdings nach hinten los, da ich direkt in jemanden reinrannte. Ich murmelte ein kurzes ,,Sorry!" und schaute gar nicht erst, wer es war.

,,Ich verstehe ja, dass du verrückt nach mir bist, aber wenn du unbedingt so nah an mir sein möchtest kannst du es mir auch sagen. Mir fallen nämlich noch andere Wege ein, unsere Körper zu verbinden."
Die Stimme kam mir bekannt vor, aber da ich sie dennoch nicht ganz identifizieren konnte blickte ich auf und ich wäre am liebsten im Boden versunken.
Da stand er vor mir, so hübsch wie immer und warf mir ein umwerfendes Lächeln zu. Theo.

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