2. Das Herz ist ein mieser Verräter

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Von Nadia war weit und breit keine Spur mehr zu sehen, als Jean wieder zurück zum Bus kam. Auch Lasterbalk war wieder weg, wahrscheinlich erzählte die Brünette ihm gerade von ihrem Plan. Jean seufzte und ließ sich irgendwo nieder. Mit der Absicht, sich jetzt ein alkoholisches Getränk nach dem Anderen rein zu pfeffern, damit er diesen Abend unbeschadet überstehen würde. Entweder das, oder er würde sich um Kopf und Kragen reden und würde dann aus Scham die Band verlassen. Damit hätte er dann – mehr oder weniger – auch seine Ruhe. Das war aber auch eine blöde Situation.

„Hey... hast du kurz Zeit?" riss ihn eine bekannte Tenorstimme aus den Gedanken.

Jean blickte ein wenig verwirrt hoch zu dem Blonden, der ihn leicht verunsichert ansah. „Klar", er zeigte auf den leeren Stuhl neben seinem.

Doch Alea schüttelte den Kopf. „Nee... kann ich dich mal unter vier Augen sprechen?"

Dem Halbfranzosen rutschte das Herz in die Hose. Hatte er sich vielleicht doch zu auffällig verhalten? Hatte er sich verraten und würde Alea ihm nun in seiner freundlichen doch bestimmten Art klar machen, dass das zwischen ihnen nie mehr wird und dass es nicht gut wäre, wenn sie weiterhin so engen Kontakt hätten?

„O..." er räusperte sich, um sein Zögern und seine zitternde Stimme zu verbergen, „Okay. Klar."

Der Sänger schenkte ihm ein dankbares Lächeln und während Jean aufstand, schnappte er sich Elsis halbvollen Becher. Er wusste zwar nicht was drin war, aber es würde definitiv Alkohol sein, diese Erkenntnis reichte ihm. Und Elsi, der beschwerte sich noch nicht einmal. Wahrscheinlich, weil er dasselbe auch schon so oft bei Jean durchgezogen hatte.

„Also...was ist los?" überspielte der Franzose seine Unsicherheit und nahm einen Schluck aus dem großen Becher. „Worüber wolltest du reden?" Er ließ sich unter einem Baum am Rande des Geschehens nieder. Hier waren sie ungestört.

Alea seufzte und ließ sich auf das Gras fallen. Seinen Rücken beugte er ein wenig und er sah auch ziemlich geknickt aus. Das passte gar nicht zu ihm und so kannte Jean den Kampfsportler auch gar nicht.

„Es geht um Nadia", nuschelte Ales schließlich in seinen Bart hinein.

Der Trommler wurde hellhörig und setzte sich prompt ein wenig gerader auf. „Ja?"

Er seufzte erneut. „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll... Es ist nicht so einfach. Aber... irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich Nichts mehr aus der Beziehung mitnehme."

„Wie meinst du das?" er legte seine Stirn in Falten und starrte stur in die Flüssigkeit im Becher, welche sich leicht kräuselte, da er gerade nicht still saß.

Alea zuckte mit den Schultern und schielte zu seinem Bandkollegen rüber, der relativ dicht neben ihm Platz genommen hatte. „Wie soll ich es sagen... es ist Alles so... einseitig geworden. Das und ich fühle mich... beengt. Macht das einen Sinn?"

„Tut es das überhaupt, wenn Gefühle involviert sind?" erwiderte Jean die Frage mit einer Gegenfrage. Er wusste noch nicht so ganz, was er von dieser Aussage halten sollte und warum der Sänger es ausgerechnet ihm erzählte.

„Nein... tut es nicht", stimmte der Ziegenbärtige der Aussage des Schwarzhaarigen zu. „Auf jeden Fall fühlt es sich an, als würde Nadia nur noch nehmen, aber Nichts mehr zurückgeben. Und dann diese ständige Fragerei, wo ich denn bin und mit wem und wie lange... am Anfang war das ja noch echt süß, aber jetzt nervt es nur noch..."

„Alea... worauf genau willst du hier hinaus?" er spürte, dass der Sänger auf etwas ganz bestimmtes ansteuerte, sich bisher aber nicht traute, es auszusprechen. Manchmal brauchte er eben einen ordentlichen Schubser in die richtige Richtung.

Alea ließ die Schultern hängen und sah auf seine Hände, die er nervös auf seinem Schoß knetete. „Ich glaube... Also... Ich will mit Nadia Schluss machen. Aber... du weißt ja auch, wie sie so ist... Ich habe Angst davor, wie sie reagiert und ob sie ein großes Spektakel darum macht. Auch im Internet und so. Und ich weiß auch nicht, wie."

Der Trommler bemerkte nicht, wie sich sein ganzer Körper anspannte und wie sich seine Augen weiteten. Er merkte aber sehr wohl, dass sein Herz einen Schlag aussetzte, um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu pumpen. Und irgendwie sorgte der zusätzliche Sauerstoff, der mit dem Blut durch seine Adern gepresst wurde dazu, dass sein Gehirn nicht mehr ganz so arbeitete, wie es eigentlich sollte.

„Nadia will dir heute einen Heiratsantrag machen", platzte es plötzlich und ohne Warnung aus Jean heraus. Geschockte, dunkelbraune Augen wandten sich zu ihm und ihr Besitzer wollte etwas erwidern, doch der Halbfranzose war noch nicht fertig. „Aber ganz ehrlich, sie hat dich gar nicht verdient! DU hast was viel Besseres verdient, Jemanden der dir Freiraum lässt und dich nicht verändern und kontrollieren will. Jemanden, der erkennt, was für ein toller und einfühlsamer und liebenswerter Mensch du bist. Natürlich hast du so deine Macken, aber die hat Jeder. Und sie sollte eigentlich wissen, dass du ihr niemals fremd gehen würdest, das ist nicht deine Art, also ist dieses ganze Kontrolltheater mehr als unnötig."

„Jean..."

Der Trommler ließ ihn nicht zu Wort kommen: „Und deine Leidenschaften nehmen halt viel Zeit in Anspruch und wenn sie damit nicht leben kann, tut es mir wahnsinnig leid für sie. Ich meine, das ist nun mal ein wichtiger Teil von dir und eigentlich wusste sie es ja auch, als ihr zusammengekommen seid und eigentlich hat sie ja auch was davon, wenn du täglich trainieren gehst. Schließlich kommt so ein toller Körper nicht von ungefähr und du siehst auch allgemeint sehr gut aus."

„Findest du?" er klang verblüfft, aber da Jean den direkten Augenkontakt vermied und ihm auch nicht zuhörte, bemerkte er das auch gar nicht.

„Du hast Jemanden verdient, der dich wirklich liebt, so wie du bist. Jemand, der dich zu schätzen wüsste und dich auch so behandeln würde... Jemand... wie ich", zum Ende hin wurde der Trommler immer leiser und er senkte den Kopf um weiter seinen Gedanken hinterher hängen zu können.

„W... wie bitte?" stammelte der Sänger völlig perplex über den letzten Teil der Aussage, seines Kollegen.

Dieser realisierte erst jetzt, was er da laut gesagt hatte. Er schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und stand abrupt auf. „Es tut mir leid!" sprach er noch in seiner Panik, bevor er die Beine in die Hand nahm und so schnell es ging von dem Blonden floh. Und Alea war immer noch zu überrumpelt, dass er hätte reagieren können.

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