Kapitel 1

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3 Jahre später

Heute geschah es. Heute vor drei Jahren. Um genau zu sein am 16.10.2011. Dieses Datum. Dieser Moment. Diagnose.  Ich bin auf dem Weg zum Friedhof. Zu einem bestimmten Grabmal. Zu meinem Grabmal. Das klingt verrückt? So fühle ich mich auch. Doch es war mein Wunsch, jetzt verstehe ich es sogar. Meine Entscheidung. Hier kann ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Niemand versteht es. Wie auch, nicht einmal ich verstehe es. Aber es hilft. Es hilft wirklich. Meine Ängste. 'Mein' Grabmal kennt sie alle. Doch niemand weiß hiervon. Nicht einmal meine Freundin.

Ich kam aufgelöst nach Hause. Das tue ich immer an solchen Tagen. An solchen Tagen... Manchmal habe ich einfach meinen Tiefpunkt erreicht. Wie man mit Krebs leben kann? Gar nicht. Ausgerechnet Brustkrebs. Brustkrebs wird bei jeder vierten Frau unter 55 und sogar bei jeder zehnten Frau unter 45 entdeckt. Das sollte ich nicht wissen oder? Ich mache mir darüber viel zu viele Gedanken. Dabei stehen die Chancen noch gut es zu behandeln.

Ich will Kinder. Jedenfalls wollte ich Kinder. Und dann das. Die Diagnose. Ich kann nicht riskieren, dass meine Kinder Krebs bekommen. Sie dürfen nicht so leiden wie ich. Schließlich könnte auch mein Sohn Brustkrebs bekommen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit geringer ist als bei Frauen.

"Lena? Komm rein, es regnet. Wieso hast du nicht geklingelt?", fragte meine Mutter besorgt. Ich liebe sie. Doch auch sie macht sich zu viel Gedanken darüber. Ich versau ihr ganzes Leben... Das hat sie nicht verdient. Ich hab das nicht verdient. Niemand hat das verdient. "Was? Tut mir leid, ich war in Gedanken....", sagte ich völlig neben der Spur. "Setzt dich ins Wohnzimmer, willst du eine heiße Milch mit Honig, vielleicht kannst du dann heute Abend besser schlafen." "Gern, wann kommt Dad? Heute Abend ist doch wieder unser Filmeabend" Filmeabend. Ja, ihr habt richtig gehört. Meine Eltern glauben, sie schenken mir nicht genügend Aufmerksamkeit.  Dabei tuen sie schon so viel. Fast schon zu viel. Ich hätte ihnen das gar nicht zugetraut.

"Er kommt jeden Moment, wir möchten gern etwas mit dir besprechen." "Hm ok?!" Und da klingelte es schon an der Tür... Ist was passiert? "Hallo meine Engel", mein Vater liebt Spitznamen aber es gibt bestimmt Meinungsverschiedenheiten, ob diese auch wirklich zu demjenigen passen. Wir setzten uns an den Esstisch und fingen an zu essen. Nach einer Weile legte meine Mutter das Besteck zur Seite und schaute meinen Vater an. So langsam wurde ich nervös. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl umher. Nein! Jetzt war ich nervös. "Wir hatten da so eine Idee...", fing meine Mutter an. Mein Vater fuhr fort: "Vielleicht solltest du wieder eine Schule besuchen. Unter Leute kommen..." "Wir wollen nur das beste für dich, vielleicht... Aber es ist deine Entscheidung. Es war nur ein Vorschlag.", meine Mutter sah mich mit durchdringendem Blick an, allerdings darauf bedacht, nicht Preis zu geben was sie davon hielt. "Nein, also doch. Der Vorschlag ist gut",sagte ich verwirrt jedoch mit einem leichten Lächeln. "Ich schlaf aber gern noch eine Nacht darüber." "Natürlich, wir wollen dich nicht drängen. Nächste Woche würde allerdings ein neues Schuljahr beginnen.", sagte sie mit immer leiser werdender Stimme. Ich stand langsam auf besänftigte sie letztendlich aber noch, dass ich nur müde sei und über alles nachdenken müsse. Nachdem ich im Bad war und mich Bett fertig gemacht habe, legte ich mich in mein Bett. Ein Himmelbett, welches ich mir als kleines Kind immer gewünscht habe. Ich schaute aus dem Fenster. Es regnet. Also öffnete ich mit der Zeit das Fenster und hörte dem Regen zu... Die Tropfen. Die Tropfen, die gegen die Scheiben prasseln. Langsam schlief ich ein, mit dem Geräusch des Regens im Hintergrund.

Das Wunder von KrebsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt