Paul und Semir übernehmen

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"Hast du schon was Neues gehört von dem Banküberfall letzte Woche?"
Semir schüttelte mit den Händen am Steuer den Kopf. "Nee, leider nicht. Die Chefin hat mir noch nicht gesagt, wie das Gericht sich jetzt entschieden hat. Ich werde sie gleich drauf ansprechen."
Auf der Autobahn, die sie entlang fuhren, war viel Betrieb. Es war nun mal Freitagnachmittag in den Sommerferien. Semir hatte seinen geschätzten Freund und Kollegen mit genommen zu dem Seetrip mit seiner Familie.
Sie hatten Spaß mit einander gehabt, hatten getobt und herumgealbert und waren gemeinsam geschwommen. Es war alles nicht zu kurz gekommen, sie hatten sich von der warmen Sonne beschienen lassen, hatten sich ein kühles Eis an diesem heißen Tag gegönnt. Es war super toll gewesen.
Doch nun fuhren sie zur Wache zurück und mussten weiter ihren Dienst machen.
Schließlich waren sie Polizisten!
Paul wandte Semir das noch feuchte Gesicht zu. Seine blonden Haare klebten tropfend an seiner Stirn.
"Ist dir aufgefallen, dass es die letzten Monate ziemlich oft solche Fälle gegeben hat?"
"Ja, schon", gab Semir nachdenklich zu. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das alles in Verbindung miteinander steht."
"Möglich wär's", dachte Paul laut. "Die Bankräuber haben sich bei jedem Tatort nie sehr geschickt angestellt. Vielleicht waren sie noch nicht so erfahren und haben's deswegen vemasselt..."
"Kann sein", musste Semir ihm mit einem unwissenden Nicken Recht geben.
Während Paul weiter über dieses spannende Thema spekulierte, dass ihn total zu interessieren schien, blickte Semir, wie sooft, wenn er die Seitenstraße wechseln wollte, kurz in den Rückspiegel -
Er erspähte das schlichte Auto beinah direkt, dass sich auffällig schlingernd auf dem grauen Asphalt bewegte, als ob kein Fahrer darin sitzen würde, reagierte jedoch zu langsam. Wahrscheinlich war er noch ein bisschen müde von den langen, anstrengenden Stunden am Strand mit Andrea und ihren Kindern.
Mit einem lauten Wumms knallte er voll in die blecherne, zerkratzte Seite hinein, sodass Paul mit einem überraschten Schrei aufschreckt. "Whoa! Semir, was soll das?"
"Sorry, bin falsch abgebogen!"
Er driftete nach rechts ab, um nicht von dem rasende Auto mit geschleift zu werden, schnappte sich sein Funkgerät und hielt es Paul hin."Zentrale an Cobra 11. Ein dunkelblauer Wagen fährt unkontrolliert auf der A4 in Fahrtrichtung links. Unser Verkehr ist deutlich behindert, da kommt keiner durch. Wir übernehmen!"
"Alles klar", kam es von Susanne zurück. "Ich seh mal, was ich machen kann. Wo seid ihr genau?"
"Wir sind auf dem Weg zur Wache, wir müssten ungefähr noch 'ne halbe Stunde brauchen", mutmaßte Paul. Er wurde in seinem Sitz zur Seite geschleudert, als Semir einem schwarzen Motorrad auswich.
"Okay, ich hab euch. Ich sag den Kollegen Bescheid. Wir überlegen uns mal was, wie wir euch helfen können. Lasst ihn nicht entwichen, Jungs!"
"Keine Sorge, ich krieg den schon!", knurrte Semir und drückte so heftig aufs Gas, dass der Motor protestierend aufheulte. Paul wurde mächtig in den Sitz gedrückt.
Semir verfolgte das Auto mit Abenteuerlust, kurvte und bremste dann, als ein BMW ihm fast auf die Stoßstange knallte, dass die Reifen nur so quietschten.
Der schlechte Autofahrer hatte wohl bemerkt, dass die Polizei hinter ihm her war, er gab Gas und versuchte sie ab zu hängen. Doch Semir war erfahren in seinen langen Jahren als Hauptkomissar. Ihm konnte keiner so leicht was vormachen.
"Pass auf!", warnte Paul und sein Partner wich gerade noch so einem heftigen Crash zwischen ihm und einem Meriva aus.
"Achtung!" Semir riss das Steuer mit beiden Händen rum, als ein großer Opel an ihrer Tür vorbei schrabbte, drückte weiter auf die Tube und fuhr dem komischen Auto mit rasantem Tempo nach. Links, rechts, geradeaus, Paul zählte nicht, wie viele Male sie anbiegen mussten. Er verfolgte das wilde Geschehen mit aufmerksamen Augen und hielt immer noch Verbindung mit seinen Kollegen, für den Fall, dass etwas Unvorhersehbares passierte.
An einer Brücke über dem Rhein stauten sich etliche Fahrzeuge, dort war es schon zu einem Unfall gekommen.
Paul brüllte ins Funkgerät, wo sie sich jetzt befanden und was geschehen war, da flogen sie schon über die hupende Schlange drüber. Semir hatte für eine Sekunde lang nicht auf gepasst, er war mit voller Wucht in die offene Ladefläche des angefahrenen LKWs rein gebrettert. Die Polizisten und die Leute vom Krankenwagen darum herum hatten sich noch schnell in Sicherheit bringen können. Nun stierten sie Paul und Semir entgeistert nach, wie sie da über den dicken Stau fuhren.
Paul und Semir wurden ordentlich durchgerüttelt, sie holperten unkontrolliert über die vielen, unterschiedlichen Dächer und die wütenden Autofahrer beschwerten sich nicht wenig über sie. "Semir, bring uns wieder runter!", schrie Paul und klammerte sich noch fester an seinen Sitz. "Was glaubst du, was ich hier mache?", schrie Semir wütend zurück. "Aber das geht so schlecht!" Er kämpfte mit seinem Wagen, versuchte gefahrenlos wieder runter zu kommen. "Cobra 11 hier, wir sitzen auf einem Stau fest!", meldete Paul ins Funkgerät. "Hilfe an alle Einheiten!"
"Wir werden euch da raus holen, Hilfe ist schon unterwegs!", antwortete Susanne.
Zum Glück hatte ihr verdächtiger Autofahrer auch Schwierigkeiten, sich durch die Unmengen von Autos einen Weg zu bahnen, er kam nicht langsamer voran wie sie. "Verdammt, Semir, jetzt reicht's!"
Paul griff unerwartet nach dem Steuer, sodass sein Partner ihn nur verdattert anstarren konnte, er lenkte nach links und augenblicklich verloren die Reifen jeglichen Halt.
Sie stürzten mit einem lauten Rumms vorneweg auf die Autobahn, überschlugen sich zweimal und landeten richtig herum auf einem dienstlichen Streifenwagen. Semir übernahm rasch das Lenkrad, fuhr runter und flitzte wie im Slalom durch die wartenden Autos hindurch. "Haha!", lachte er triumphierend. Pauls Anspannung fiel vor Erleicherung ab.
Er fuhr sich seufzend durchs Haar, froh, dass Semir es geschafft hatte, als er die feuerempfindliche Ladung eines Jeeps entdeckte, der vor ihnen stand. "Semir, pass auf, da ist -", doch seine Warnung kam zu spät.
Semir und er schrien auf, als sie gegen den schweren Koloss knallten und die Zündungsbehählter auf ihre Windschutzscheibe fielen, die eh schon total zerkratzt war. "Raus. Schnell, raus!"
Die beiden rissen an ihre Türen, aber bevor sie aus der heißen Gefahrenzone entkommen konnten, explodierte es schon. Die roten Tonnen flogen feuernd in die Luft, Paul und Semir mit ihrem Auto folgten. Es gab einen überdimensionalen Funkenregen, blecherne Teile und Staub rieselten herab, es stank nach Asche und Staub.
Mit einem dumpfen Kawumm donnerten sie mitsamt dem Jeep, den Tonnen und einigen anderen Autos, die mit in die Höhe katapultiert worden waren, auf den unebenen Asphalt zurück.
Paul stöhnte, sein Gesicht war blutig zerschnitten. Auch Semir war es nicht besser ergangen. "Scheiße!"
"Das kannst du laut sagen!", pflichtete Paul ihm bei. Ihre Spiegel waren zerplittert, und zackige Dellen rauchten zischend in der Seite. Da erkannte Semir das dunkelblaue Auto, dass sie verfolgt hatten. Es stand dampfend auf dem Dach, die Reifen liefen immer noch im Kreis. Der Motor war noch nicht abgestellt.
"Komm, wie müssen raus hier! Wir ham mit diesem kleinen Arschloch noch 'ne Rechnung offen!"
"Dann lass uns den mal verhören!", keuchte Paul und riss seine Autotür mit gezückter Pistole auf.
Semir war stolz auf ihn. Er mochte seine Unerschrockenheit und das er nie aufgab.
Überall setzten nun die Arbeitskräfte ein: Verletzte wurden versorgt, Polizisten befragten ein paar Zeugen. Der Unfallort wurde mit rot-weiß gestreiftem Band abgesperrt.
Doch Paul und Semir hatten nur Augen für ihren gefangegen Kriminellen.
Mit ihren Dienstwaffen liefen sie von beiden Seiten auf ihn zu.
Er war offenbar nicht tot, rüttelte verzweifelt an seiner Autotür, die bestimmt klemmte.
Semir warf Paul einen vielsagenden Blick zu. Sie verstanden sich auch ohne Worte gut genug.
"Keine Bewegung, Polizei! Hände hoch!", rief Semir, als Paul die Tür mit einem kräftigen Tritt auftrat.
Doch wen sie dann kopfüber und mit erhobenen Armen in seinem Sitz hängen sahen, ihn hatte es ebenfalls so schlimm erwischt wie sie, verschlug es Semir fast den Atem.
Das konnte nicht sein!
Das war unmöglich!
"Ben...?"

Ein Unfall mit Folgen [Alarm für Cobra 11-FanFiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt