Beweise?

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Ben saß in seiner kleinen Zelle, ruhelos und ohne jeglichen Grund.
Er hatte schon damit auf gehört, mit den Fäusten schreiend gegen die kahle, fleckige Wand zu hämmern und den Kopf vor so viel Unfairnes zu schütteln. Es brachte nichts, das war ihm klar.
Er war nicht der, der er sein sollte.
Er war kein Verbrecher.
Er war Musiker. In L.A.
Sie hatten ihn tausendmal unter vier Augen befragt, was er sich wohl dabei gedacht hatte, hatten diverse Tests mit ihm durchgeführt, und konnten einfach nicht verstehen, warum er es nicht zugab, warum er nicht gestand... Weil er es nun mal eben nicht gewesen war.
Sie behielten in hier wie ein Schwein zum Schlachten, wenn er sich nicht so stur stellen würde, wie sie es sagten, dann hätten sie ihn gleich ins Gefängnis gebracht. Sie gingen so unfreundlich und grob mit ihm um, dass es ihm schon vorkam, als wäre er im Knast.
Was Nina jetzt wohl machte?
Ben musste jede freie Minute an sie denken.
Wo war sie? Machte sie sich Sorge um ihn? Ging es ihr gut?
Er wusste kaum noch, was vor seinem kläglichen Zusammenbruch in diesem fremden Auto auf der Autobahn vorgefallen war. Als er sich plötzlich in dem dunkelblauen Ding wiedergefunden hatte, ohne jemanden, den er kannte, benebelt und unwissend, was hätte noch alles passieren können. Er war auf der Fahrt nach Köln gewesen, daran erinnerte er sich. Im Bus mit seiner tollen Band und seiner wunderbaren Freundin.
Er hatte sich so gefreut, wieder zurück zur Autobahnpolizei zu kommen, sie hatten miteinander schön gesungen und gelacht. Er hatte es so genießen wollen, all seine Freunde, die er hinter sich gelassen hatte, wieder in die Arme zu schließen. Jenny, Einstein, Susanne, selbst Frau Krüger mit ihrer Strenge und Disziplin vermisste er.
Und dann war da noch Semir.
Semir, sein alter Freund und Partner, zusammen durch Gefahren und Verbrechen gegangen, immer vereint mit Feuer und Action. Wie aufgeregt er auf dieses Wiedersehn gewesen war.
Aber es war alles anders gekommen.
Ben hatte von Semir nicht erwartet, dass er ihm scheißegal war.
Er hatte gedacht, dass er ein gutes Wort für ihn einlegen würde, sofort, wie das halt Freunde machten.
Doch er hatte sich gar nicht um ihn gekümmert, hatte ihm nicht mal zu gehört.
Er hatte ihm vertraut, die ganze Zeit über, sie hatten sich beide blind vertraut.
Und jetzt... jetzt war das nicht mehr?
Warum hatte er sich nur so verändert? Warum hatte er ihm nicht geholfen? Er checkte es nicht.
Der Neue. Ja, der Neue war Schuld daran.
Ben hatte ihn gesehen, im ihrem Büro, als er Semir verzweifelt zu erklären versucht hatte, dass es um ihn mehr als schlecht stand. Der Blonde mit der ernsten Miene, die Stirn misstrauisch in Falten gelegt, die muskulösen Arme über der gespannten Brust verschränkt. Er hatte so unsympathisch gegenüber ihm gewirkt. So angeberisch und arrogant.
Ben verachtete ihn, seit er ihm begegnet war.
Irgendwas hatte er an sich, was ihm nicht gefiel.
Irgendwas, was er nicht erklären konnte.
Er hatte bestimmt hundertmal den Kopf in die Hände gestützt, gebrüllt, sich über das Gesicht gefasst, sich gefragt, ob das real war, was er gerade alles durchmachte, ob er jemals wieder aus der Untersuchungshaft raus kam. Ob er jemals wieder frei sein konnte.
Es war so unglaublich öde, allein in diesem kleinen, schutzigen Raum zu verweilen, mit einem ungenießbaren, morschen Bett, auf dem zerfetzte Bettwäsche und miefende Kissen lagen.
Er fühlte sich von der ganzen Welt verraten, so schrecklich verraten.
Der temperamentvolle Polizist, der einmal sein bester Freund und Partner gewesen war, wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Er saß unschuldig in Untersuchungshaft und würde bald ins Gefängnis übergehen, und keiner würde ihm helfen.
Verraten. Er war wirklich verraten worden.

----- Währendessen bei Semir und Paul -----

Sie waren zurück zum Unfallort gefahren, dorthin, wo das ganze unerklärliche Spektakel angefangen hatte.
Die Polizei und die Krankenwagen standen immer noch da, es wurde geholfen und gesucht. Semir und Paul befragten Kollegen, Zeugen und Passanten, gingen selbst auf Erkundungstour für Bens Unschuldsbeweise.
Doch sie fanden nichts, was hilfreich war für ihn.
Niemand, dem sie begegneten, wusste, wie es zu diesem Stau gekommen war, niemand konnte ihnen sagen, was genau vorgefallen war. Sie tappten im Dunkeln, nicht schlauer als noch vor ihrem "genialen" Ausflug, der Semir zuversichtlich hoffen gelassen hatte, endlich hinter diese blöde Scheiße zu kommen.
Unglücklich sah er zu, wie Paul mit einem der Pfleger sprach.
Es konnte nicht sein, dass es keine Beweisstücke gab. Das war nicht möglich!
Es schien ganz und gar nicht, als fände Paul etwas Brauchbares heraus.
Ben jedoch würde sowas doch niemals machen. Er war mit ihm zusammen gewesen, als Polizeiteam der Cobra 11, allem voran der Autobahnpolizei. Als ob er irgendwas mit den Diebstählen und diesem Unfall zu tun hätte. Er brauchte das zudem nicht mal. Sein Vater war ein reicher Schnösel, er kam aus gutem Hause und verdiente Geld in Amerika mit seiner Band. Wozu hatte er dann die dumme Absicht, das zu tun, was er nie tun würde?
Eine Beamtin schaltete sich in Pauls ernstes Gespräch mit ein.
In Semirs Hosentasche klingelte es.
Er nahm sein Handy daraus hervor und drückte auf den grünen Telefonbutton, woraufhin Susannes Stimme in seinem Ohr erklang: "Semir, in den Nachrichten ist gerade was aufgetaucht." Sie wirkte ziemlich angespannt. "Im Internet steht auch schon was drin, ich hab rausgefunden, dass... "
Paul joggte gerade zu ihm, mit einer Spur wiederkehrender Hoffnung im Gesicht, sodass Semir ihr nicht mehr zuhören konnte. "Gehen wir", rief Paul. "Die Kollegin hat mir geraten, mal weiter vorne zu schauen."
"Tut mir leid, kannst mich gleich wieder anrufen, Susanne, wir haben vielleicht auch was, tschau", legte Semir zwangsweise auf und folgte Paul hektisch, der schon voraus gelaufen war.
Sie fraßen sich durch den ganzen, langen Stau hindurch, fragten, fragten und fragten, wie sie es schon zu Anfang so mühsam gemacht hatten, immer mit dem Ansporn, wirklich noch etwas zu finden, was ihnen Erleichterung geben würde. Köpfe wurden geschüttelt, Schultern gezuckt, Mienen verzogen, Augen wanderten nachdenklich nach oben, Semir und Paul gaben nicht auf, sie versuchten an jede helfende Information heran zu kommen.
Nach geraumer Zeit klingelte Semirs Handy erneut, und Susanne meldete sich zurück.
"Du, ist echt wichtig, es geht um Ben", fing sie dringlich an.
"Wir wissen alle, dass es um Ben geht", gab Semir ein wenig genervt zurück, als er sich durch Autofahrer und Krankenmänner durchschlagen musste. Ein Ellbogen hier, aufgebrachte Blicke dort, es gefiel den Leuten über dem Rhein wohl nicht, dass zwei neugierige Polizisten über ihren Stau herfielen wie hungrige Krokodile über ihre leckere Beute.
"Ich kann hier jetzt nicht, 'tschuldige, wir müssen diesen Fall aufklären, das ist bei mir echt wichtig, also, könntest du später -", seine Worte blieben ihm im Hals stecken, als er das Tourenbusschen ausmachen konnte, das am Ende der Brücke auf der Seite lag. Krankenwagen parkten da, Ärzte und Doktoren versorgten drei Männer.
"Hey!" Und eine Frau rannte auf ihn zu. "Semir!"
Das war nicht real, man. Das konnte einfach nicht sein. Nicht wieder.
Paul sah ihn verwirrt an. Klar, er wusste nichts, er wusste es nicht.
Semir ließ sein Hany sinken, ließ Susanne dran, ohne ihr es zu erklären, und wartete, bis er sicher war, das er diese Frau kannte.
Nina...


Ein Unfall mit Folgen [Alarm für Cobra 11-FanFiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt