003 ― ANGST ist gut.

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Der Schlüssel klickte wieder drei mal, dann stand Kaya in Schlafsaal zwei

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Der Schlüssel klickte wieder drei mal, dann stand Kaya in Schlafsaal zwei.
"Kaya!", freute sich Chuck, doch die Gesichter der anderen blieben ernst.
"Newt...", seufzte Kaya traurig, als sie in die hilfesuchenden, braunen Augen des Jungen blickte.
Er saß auf seinem Bett, den Brief vor sich.
"Lass gut sein, Kaya. Es ist nicht deine Schuld.", meinte er und faltete den Brief in seinen Händen zusammen.
"Geh, bitte. Ich weiß, du meinst es nur gut, aber...du machst es gerade nur schlimmer."
Die Worte stachen tief in Kayas Herz. Sie wollte ihn nicht verletzen. Das hatte sie nie gewollt.
Würde er anders reagieren, wenn er die Ergebnisse früher, schonender und nicht so herzlos und kalt von mir vor die Füße geworfen bekommen hätte?
"Newt...-", setzte sie erneut an, und blieb dabei regungslos im Türrahmen stehen. Sie konnte jetzt nicht einfach gehen. Sie wollte jetzt nicht einfach gehen. Nicht schon wieder.
"Ich sagte, geh. Bitte, Kaya. Mach...mach es nicht noch schlimmer."
Minho schaltete sich ein, griff Kaya sanft am Handgelenk und zog sie leicht, aber bestimmt, aus dem Schlafsaal. Er lehnte die Tür hinter sich an, sodass die beiden nun allein im Flur standen.
"Sonya hat es auch versucht, Kaya.", erklärte Minho. "Newt braucht etwas Zeit, damit umzugehen. Wenn er dich jetzt sieht, tut das nur noch mehr weh, glaube ich..."
Minho wirkte, als würde er selbst nicht genau wissen, was er sagen wollte, aber Kaya ließ nicht locker.
"Warum? Warum tut es...-"
"Weil es weh tut, wenn man weiß, dass man stirbt, aber ständig Menschen, die einem wichtig sind, um sich herum hat, Kaya. Denk an Siggy's Vater. Er hat ihn weggeschickt, weil er es nicht ertragen hat, dass sein Sohn zusehen musste, wie er stirbt. Weil er nicht an das erinnert werden wollte, was er mit seinem Sohn hätte haben können - ein glückliches, sorgenloses, gesundes Leben."
"Aber Siggy...-" "Ist auch nicht Immun, ich weiß. Aber er kann damit leichter umgehen als Newt. Sonya ist Immun, Newt nicht. Das seine Schwester in die selbe Situation geraten könnte wie Siggy macht Newt einfach fertig.
Wenn du jetzt dazu kommst und Newt vor die Nase hälst, was er noch alles verlieren könnte, wird es nur schlimmer."
"Minho, Newt muss nicht sterben. Ich...wir...wir werden...-", doch weiter kam sie nicht.
"Mrs. Paige, weg da!", keifte eine Wache aufgebracht, bevor Minho unsanft gegen die Wand gepresst wurde. "Nein! Nicht! Nicht schießen!", schrie Kaya. Zu spät.
Minho sackte zu Boden. "Rein da mit ihm. Der wacht in ein paar Stunden wieder auf, keine Sorge. Kommen sie, ma'am."
Kaya weigerte sich nicht, die Wache war ohnehin kräftiger als das zierliche Mädchen.
Eine zweite Wache in schwarzem Anzug stieß die Tür zu Saal zwei fest zu, nachdem er Minho wortwörtlich hineingeworfen hatte, dann schloss er die Tür zum Flur und Kaya wurde von ihnen zu ihrer Mutter begleitet.

Diese saß unbekümmert in ihrem Büro und sortierte Akten von A nach B. "Kaya? Was machst du denn hier?", fragte Ava Paige plötzlich so perplex, dass selbst Kaya erschrak. "A7 hat sie attackiert.", antwortete die Wache hinter ihr an Kayas Stelle.
"Das ist nicht wahr! Minho hat mich nicht attackiert!", fauchte Kaya. "Danke, sie sind entlassen.", entgegnete die Professorin der Wache, diese nickte und verließ das Büro. "Kaya, komm her.", wandte sich Ava Paige mit ernstem Ton nun an ihre Tochter.
"Setz dich.", sie deutete auf einen Stuhl, der gegenüber von ihr am Schreibtisch stand.
"Mum, Minho...Er hat wirklich nichts falsch gemacht.", begann Kaya.
Es fühlte sich seltsam an, nach einer Ewigkeit wieder ein Gespräch alleine mit ihrer Mutter zu führen. Sonst waren Janson, Wachen oder Probanden dabei gewesen, aber nur Kaya und ihre Mutter, das hatte es lange nicht mehr gegeben.
"Ich weiß. A7 ist ein guter Junge. Ich will mit dir über Janson und A5 reden.", offenbarte Ava Paige ihrer Tochter, stand auf und zog eine Akte aus dem Regal hinter sich. "Janson? Was ist mit ihm?", forschend sah Kaya ihrer Mutter dabei zu, wie sie die Akte auf den Schreibtisch zwischen ihnen legte. Subject A5 war der Titel.
"Newt...", seufzte Kaya traurig.
"Später.", meinte ihre Mutter, "Erstmal zu Janson. Er sprach mich letztens auf deine Verbindung zu Gruppe A an."
Jetzt fiel es Kaya wieder ein. Das hatte Teresa also gemeint. "Er war der Meinung, du und die Probanden verstünden sich zu gut. Du weißt, wie ich darüber denke."
Kaya nickte.
Ihrer Mutter war es wichtig, dass sich die Probanden nicht wie Versuchskaninchen fühlten, aber die Forschung hatte Priorität.
Ava Paige war lange Zeit für Thomas, Subject A2 zuständig gewesen. Sie hatte damals viel mit Kaya über ihn gesprochen. Damals. Als Kaya erst vier, vielleicht fünf war, und ANGST noch eine ehrenvolles Ziel verfolgte. Ohne Lügen. Ohne...naja...Angst.
"Du arbeitest für ANGST, Kaya. Vergiss das nicht. Du bist keine von ihnen.", riss Ava Paige ihre Tochter aus deren Gedanken.
"Aber was sind sie denn? Laborratten? Versuchsobjekte? Sie sind Menschen, Mom. Sie sind meine Freunde.", entgegnete Kaya mit fester Stimme.
"Ich weiß, Liebling. Und das sehe ich auch so. Aber sie dienen der Forschung. Wenn du Newt und Siggy, genauso wie viele andere auch, retten willst, musst du dich für eine Seite entscheiden. Forschung oder Freundschaft."
Kaya atmete tief durch. Sie wusste, dass die Forschung, die ihre Mutter und ANGST betrieben, eines Tages hunderte Leben retten könnte, aber bis es so weit war, würden tausende leiden müssen. Ist es das wert? Ist Newts, Winstons, Albys oder Chucks Leben das Leben von hunderten wert? Ist das Leben meiner Freunde, den Menschen die mir wichtig sind, das Leben anderer Wert?
Die Zwickmühle in der sich Kaya nun gefangen sah schnürte ihr förmlich die Luft ab.
Das Leben von tausenden zu retten war eine lobenswerte, vernünftige Sache, aber das Leben ihrer Freunde und das vieler anderer dafür zu opfern, war es nicht.
"Ich weiß, Newt bedeutet dir viel", setzte Ava erneut an, "Aber wenn du ihn retten willst, musst du ihn loslassen. Du musst sie alle loslassen. Sie sind nicht deine Familie, Kaya. Dein Vater, dein Bruder...sie sind tot. Willst du, dass Newt das selbe widerfährt?"
Kaya erkannte, dass es ihrer Mutter nicht leicht fiel, über ihren Ehemann und ihren Sohn zu sprechen. Weder Kaya noch Ava hatten je wieder über sie geredet. Sie waren wie ein Kapitel aus einem schlechten Buch, das einmal gelesen, und danach vergessen wurde. Und wenn man es nicht wieder las, blieb es vergessen. Unberührt. Verdrängt - beinahe so, als wäre es nie passiert.
"Nein.", flüsterte sie, so leise, dass sie es selbst kaum wahrnahm.
"Dann hilf mir, ein Heilmittel zu finden. Hilf ANGST. Lass sie los und widme dich wieder dem wesentlichen. Der Forschung. Denn...-"
"ANGST ist gut.", nuschelte Kaya.
"Na siehst du. Nun geh ins Bett, es ist fast zehn. Du brauchst den Schlaf."
Kaya erhob sich und blickte ein letztes mal zu ihrer Mutter:
"Haben sie überhaupt eine Chance?", wimmerte sie, während sich Tränen in ihren Augen sammelten.
"Die Probanden? Ja, Kaya. Natürlich haben sie das. Wir werden sie alle retten, wie ich es versprochen habe."
Kaya nickte sachte, dann verließ sie das Büro, lief an den Glasscheiben der Behandlungszimmer, dem Flur zu den ersten OP Räumen und dem Technikraum vorbei, immer weiter bis zu ihrem Schlafzimmer im Hochsicherheitstrakt.
Ihre Mutter und Janson schliefen, ebenso wie Teresa, Thomas und zehn weitere Ärzte und Schwestern in diesem Trakt.

Kayas Schlafzimmer erinnerte an eine Mischung aus Hotelzimmer und Krankenhaus. Es hatte helle Möbel, ein großes Bett, einen viel zu großen Schreibtisch und einen Kleiderschrank. Persönliches wie Fotos, Kindheitserinnerungen oder Deko hatte sie schon vor Jahren beseitigt. Die Erinnerung war sowieso nichts wert, weil sie längst vergessen war, oder nur für noch mehr Schmerz sorgte.
Ein riesiges Fenster eröffnete einen herrlichen, weiten Blick auf die nächtliche Beleuchtung der Forschungseinrichtung.
"Wir werden sie alle retten.", wiederholte Kaya die Worte ihrer Mutter. Ihr Herz wurde bleischwer. Sie wusste, dass Newt, Siggy und alle anderen, deren Akte Not-Immune auf der ersten Seite stehen hatte, keine Zukunft außerhalb der Mauern hatten, die zunächst wie Zuhause, und inzwischen wie ein Gefängnis für Kaya waren. Die Mauern der Sicherheitszone die ANGST errichtet hatte.
Kaya's Blick wanderte aus dem Fenster. Der Bildschirm, der auf dem Wolkenkratzer vor ihr flimmerte, zweigte einen Spruch, den sie schon hunderte mal gelesen hatte:"ANGST braucht DICH! Du könntest das ENDE des Brand-Virus sein!"
Das Ende des Brandvirus.
Kaya wischte sich eine Träne von der Wange: "Ja, Mom, ich werde sie retten. Aus deinen Fängen. ANGST ist nicht gut. Nicht, wenn sie Menschen wie Versuchsobjekte missbrauchen und sie zu ihrem Nutzen quälen, nur um in ungewisser Zukunft vielleicht eine Lösung zu finden, für ein Problem, dessen Ende nicht in Sicht ist."

𝐒𝐔𝐁𝐉𝐄𝐂𝐓 𝐀𝟎 II Newt₁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt