In Aphiras früher Kindheit pflegte ihr Großvater oft zu sagen :„Nach dem letzten Atemzug musst du wählen zwischen Fluch und Segen. Aber Vorsicht! Wähle mit Bedacht...” Zwar verstand sie nie richtig die Bedeutung hinter diesen Worten, doch früher hatte sie es geliebt seinen kleinen Metaphern zu lauschen, während sie auf seinem Schoß saß und ein Windspiel leise klangvolle Melodien im Hintergrund von sich gab. Es vermittelte ihr jedes Mal ein Gefühl von Geborgenheit, auch wenn sie nicht immer den Hintergrund seiner philosophischen Aussagen erkannte.
Im Allgemeinen wuchs sie in einem sehr liebevollen und geschütztem Umfeld auf, voller Verwandter, die sie liebten und hüteten. Doch am nähsten stand sie ihrem Großvater. Schon immer war er ihr ein großes Vorbild gewesen und ihr ganzes Leben lang versuchte sie nach seinen Lebensweisen zu fühlen und zu denken.
Abends, wenn die Sonne fast ganz untergegangen war und Aphira bereits in ihrem Bett lag, spielte er auf seiner kleinen Ukulele ein paar liebliche Klänge. An manchen davon konnte Aphira das leise Klirren der Seiten vernehmen, dann schlich sie wie auf Katzenpfoten über die Treppe, die in den Flur im Erdgeschoss führte. Die Melodie wurde mit jedem Schritt deutlicher, dann setzte sie sich versteckt hinter einen Vorhang, da sie um diese Uhrzeit eigentlich längst schlafen sollte. Doch die Töne der Ukulele waren für sie sehr beruhigend gewesen.
Mit einem zufriedenen Lächeln und geschlossenen Augen lehnte sie ihren Kopf immer an der Wand neben ihr ab und genoss die wunderbare Melodie. Die leichte Brise, die durch ein geöffnetes Fenster herein wehte, fuhr durch ihre weichen, roten Locken, sodass sie hinter der Wand sichtbar wurden. Ihrem Großvater entwich jedes Mal ein leises Schmunzeln und anschließend nahm er sie zu sich auf seinen Schoß. Sie schmiegte sich an ihn und er ergriff seine kleine Ukulele und spielte ihre Lieblings-Melodie, bis sie in seinen Armen in die Welt der Träume verfiel.
Er trug die kleine Elfe zu ihrem Bett und legte behutsam die weiche Decke über sie. Er gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn und verließ dann mucksmäuschenstill das Zimmer. Jahre später starb er auf dem Schlachtfeld, im Kampf gegen die Dämonen. Doch er war immer in ihrem Herzen geblieben und ihr würde die Erinnerung an ihn auf Ewig bleiben.
Mit geschlossenen Augen schwelgte sie in ihren Erinnerungen, während sie sich vom klaren Wasser, der wohlig warmen Quelle treiben ließ, die sie in Tirisfal entdeckt hatte. Die Dämpfe des warmen Wassers stiegen langsam von der Wasseroberfläche empor und verdichteten sich um den See herum zu einem schleierartigen Nebel, welcher der ruhigen Aura noch etwas magisches verleihte.
Sie fühlte sich wie schwerelos und sie stellte sich die Melodie in ihrem Kopf vor, die ihr geliebter Großvater immer für sie gespielt hatte. Nach einer Weile fühlte es sich an, als würde der leichte Wind, der durch den Wald zog, die Melodie leise mit hauchen. Sie zog die warme, feuchte Luft tief in ihre Lunge und sie spürte, wie sich ihr Körper von den wochenlangen Strapazen des Trainings erholte. Als würde sich ihre Kraft und Energie durch das wohltuende Quellwasser regenerieren und ihre Knöchel von den Schmerzen befreien.Eine Ewigkeit ließ sie sich mit dem Rücken auf dem Wasser hin und her treiben, ihr Haar lag auf der Oberfläche an und ihre entblößte Haut kam in dem Wasser immer wieder zum Vorschein. Auch durch ihre Augenlider erkannte man den goldenen Schimmer ihrer Augen. Der Moment der Herrlichkeit wurde durch Aphiras Pflichten unterbrochen. Wie jeden Tag war sie verpflichtet, zu trainieren. Entnervt atmete sie aus und stieg aus der Quelle heraus.
Sie ergriff ihre neue Rüstung, die jetzt in einem herrlichen Waldgrün leuchtete, lieblich umrandet von glänzendem Gold, welches ebenfalls an ihrer bräunlichen Kapuze in einem gleichbleibenden Muster entlang tanzte. Sie brauchte nur wenige Minuten, bis sie wieder vollständig gekleidet war. Ihre roten Haare waren noch immer nass, was sie dunkler aussehen ließ, als sie ursprünglicherweise waren. Ihre Kapuze ließ sie vorerst weg, damit ihr Haar trocknen konnte. Sie machte sich auf den Weg zur Trainingshalle, so wie sie es jetzt seit Wochen tat.
Langsam war sie es satt, ihre kostbare Zeit für scheinbar nichts zu opfern und sie sehnte sich nach ihrer Familie. War es möglich, dass sie nicht Wochen, sondern bereits Monate an diesen Ort gebunden war? Sie war sich nicht mehr sicher und das machte sie nervös, beinahe sogar wahnsinnig. Hatte es die verfaulte Luft endgültig geschafft, ihren Verstand vollständig zu verpesten? Wo war ihr Zeitgefühl? Und wie lange sollten diese Geheimnisse noch bestehen? Sie wollte endlich Antworten!
Als Aphira eintraf, war die Halle überraschend leer, somit hatte sie alle Attrappen für sich allein. Dann setzte sie fort, womit sie ihres Empfindens nach zu viel verbrachte. Stundenlang quälte sie sie sich ab, bis auf einmal ein Lila schimmernder Pfeil die Attrappe zerfetzte, mit der Aphira gerade beschäftigt war. Sie wich einen Schritt zurück und sah sich irritiert um. „Das reicht für heute.”,erklang es dann hinter ihr und die Banshee Queen trat aus der Dunkelheit hervor. Als Sylvanas in das Gesicht der schönen Elfe blickte, huschte ein merkwürdiger Ausdruck über ihr Gesicht, den Aphira nur schwer definieren konnte. Die Fürstin hatte hatte sie zuvor nur mit ihrer Kapuze erblickt, welche immer ein wenig von ihrem hübschen Gesicht verdeckte. Sie fing sich schnell wieder, offenbar kurz verwirrt über sich selbst. Dann fuhr sie fort. „Begebt euch jetzt in euer Gasthaus. Ihr werdet viel Schlaf brauchen.” Ihre hallende Stimme drang tief in Aphiras Gehör ein. „Natürlich.”, sagte sie. Sie drehte sich um und setzte zum ersten Schritt an, doch dann blieb sie stehen und wandte sich noch einmal zu Sylvanas. „Milady...”,begann sie und Sylvanas blickte erwartungsvoll zu ihr. „Wie lange werde ich noch hier verweilen müssen?” Kurz herrschte Stille, bis Sylvanas ihr Schweigen mehr oder weniger brach. „So lange, bis eure Arbeit erledigt ist.”, antwortete sie kühl. Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen und fragte:„Wie meint ihr das, bis meine Arbeit erledigt ist...?” „Ihr werdet es noch herausfinden.”,antwortete sie, während ihre Lippen sich zu einem leichten, dunklen Lächeln verformen...
Fortsetzung folgt...
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Broken Spirit #Wintertraum 18 | Abgeschlossen
FanfictionIn meiner Fanfiction „Broken Spirit", die auf dem MMO „World of Warcraft" basiert, geht es um eine junge Blutelfe, die durch einen mysteriösen Vorfall nach Unterstadt gelangt und nach der Begegnung mit Lady Sylvanas Windrunner, der Königin des Volke...